mein beitrag:
ralf-axel simon:moral ist der arglistige versuch der herschenden...
...den ohnmächtigen einzureden,wir säßen alle in einem boot – eine völlig unmoralische zusammenfassung von einem jahr leben in haft.

1.hafttag:das fahrzeug fährt in den hof des polizeigefängnisses. Gerd kennt diesen ort. Die einschneidenden schmerzen der handschellen begleiten das sichere gefühl: nichts geht mehr. Vorhin hatte er die beiden bullen, die ihn verhafteten, gebeten die handschellen zu lockern. Der bulle hatte das nochmalige anziehen der handschellen damit kommentiert:“wir sind hier nicht im mädchenpensionat!“ halb gezogen, halb von seinen eigenen beinen getragen huscht ein zufriedenes lächeln über sein gesicht. „diese dellen am äußeren des fahrzeugs stammen aus den hochzeiten der hausbesetzungen, wo die order für polizeiwagen – kreuzberg zu meiden – über den bullenfunk kam. Leider dauerte es nur ein paar stunden.“ es war zu dem zeitpunkt, als auf darauf folgende 1. mai-demonstationen zuerst kaisers, dann aldi „sozialisiert“ wurden, wie es in der fachsprache der sprache hieß. Auf den wänden der ruine von kaisers war noch jahre das ergebnis zu lesen: aldi gegen kaisers 1:1. „vielleicht habe ich sogar einige der dellen selbst verursacht“, stellt gerd beruhigt fest.
Gerd wird in den ersten stock zu erkennungsdienstlichen behandlung einem dicken väterlichen typ übergeben, den er nicht unsymphatisch findet, gerd lächelt in die kamera. Freundlich erscheinende fahndungsfotos sind bei einer erneuten verhaftung ein wichtiger beitrag für seine lebensversicherung.
Als gerd nicht einsieht, warum er unterschreiben soll, wird der freundliche bulle persönlich: “ich werde nicht befördert, wenn du nicht unterschreibst.“ - „das tut mir aber leid“, kontert gerd, „aber ich besorge dir gerne einen vernünftigen job!“
gerds rechter daumen wird zuerst auf ein stempelkissen und dann auf ein stück papier gedrückt. Beim druck auf das papier zuckt gerd ein wenig. „v erwackelte fingerabdrücke sind wertlos“, weiß gerd. „wir machen solange weiter, bis es klappt“, stellt der ein bisschen mürrisch gewordene bulle seine geduld zur schau. Etwa beim hundersten ungültigen abdruck verschwindet er fuchsteufelswild und verspricht:“wir holen uns die fingerabdrücke mit der knebelkette!“ gerd denkt, dass er den ersten bullen geschafft hat. Diese übermächtige macht mit seiner eigenen kraft durcheinandergewirbelt zu haben wie einen wildgewordenen hühnerhaufen, setzt neue kräfte in ihm frei.
Als sich zwei junge bullen für gerd zuständig erklären, weiß er, dass er in professionellen händen ist. Er kennt diese methode aus dem ddr-knast: einem brutalen bullen wird ein sensibler zur seite gestellt. Während der brutaleihm die knebelkette (eine eisenkette mit jeweils einem knebel an den enden) um das handgelenk legt und durch drehen der knebel den druck auf das handgelenk erhöht, lässt er dem sensiblen noch ein paar momente, um auf seine art zum ziel zu kommen: „das ist doch völlig unsinng, wir zerquetschen dir das handgelenk, hier, wo die ganzen nerven sich sammeln, und am ende kriegen wir doch, was wir wollen.“ gerd fühlt sich stark und trotzug. „wir brauchen schließlich diese fingerabdrücke“, gibt der sensible den spielball zurück an den brutalen. Die muster der kette bohren sich in gerds handgelenk:zerquetsch ihm die knochen“, hört er den sensiblen bullen rufen, bevor er ohnmächtig zusammensinkt.
„wir haben uns schon sehr zurückgehalten“, sind die ersten worte des sensiblen, die wieder in gerds bewusstsein dringen. „bei einem verbrecher hätten wir voll durchgedrückt!“ und flüsternd fügt er hinzu:“war doch nicht nötig, wir tun doch auch nur unsere pflicht.“
die nächste halbe stunde darf gerd auf der bahre seinen kreislauf zurückholen, bevor er das geschwollene handgelenk unter wasser kühlt.
Als er in sein anderes gebäude zur aufnahme geschickt wird, fühlt er sich gut. Er spürt, dass er sich bei seinen feinden respekt verschafft hat.
Sie nehmen ihm alles ab:gürtel, schnürsenkel, armbanduhr, einfach alles. Er muss sich entkleiden und es wird ihm ausgiebig in den arsch geguckt. Für einen moment bereut er nicht auf kommando einen ziehen lassen zu können, einen von dieser kräftigen sorte, die ihm sonst so peinlich sind. Ohne schnürsenkel schieben sie ihn für die nacht in die 3qm große zelle. Sie besteht aus einem an der wand hochklappbaren bett. In heruntergeklappten zustand stößt die mit kot verzierte schaumgummimadratze an ihrem unteren ende an die stahltür. Am oberen ende, direkt unter der decke, befindet sich eine kleine öffnung - fenster wäre geprahlt – totalvergittert. Gerd geht auf den kleinen knopf neben der sicherheitstür:die fahne . Nach zehn minuten kommt ein bulle angeschlichen und führt ihn in die gegenüberliegende toilette.
An schlaf ist nicht zu denken. Die vergangenheit hat ihn überholt. Auch, wenn gerd als hafterfahren gilt – er geht , wenn er den ddr-knast mitrechnet, schon in sein 9. haftjahr – die einlieferung ist immer die schmerzlichste erfahrung, vor zehn jahren haben sie ihn nach einem fluchtversuch das erste mal in den knast gesteckt. Die verhörmethoden waren sicher brutaler, aber die eigentlichen haftbedingungen empfand er – und nicht nur er – als angenehmer, weil die gefangenen untereinander eine gemeinschaft bildeten.
Als er dann endlich ausreisen durfte – freigekauft vom westen – wurde er im ka-de-we ohnmächtig. Sicher hatte es mit dem überangebot zu tun. Er war in großem mangel aufgewachsen und hatte ihn überlebt, und jetzt dieses warenangebot...aber er war auch vor allem enttäuscht, enttäuscht über seine eigene dummheit, dass er dafür sein leben aufs spiel gesetzt hatte. Obendrein hatte er das gefühl die liebgewonnenen menschen zu hause, die sich wenigstens noch um andere kümmerten, verraten zu haben, weil das umfeld in der neuen gesellschaft kalt und berechnend war. „Wer a sagt, muss auch b sagen“, verdrängte er seine gefühle, und mit brecht unter dem arm („was ist ein banküberfall gegen die gründung einer bank?“), mit einer spielzeugpistole und mit einem kumpel zusammen nahm er sein schicksal selbst in die hand. Gerd hoffte nur, dass er es nicht mit verrückten zu tun bekommen würde:er hat diese menschen, die einem bankräuber hinterherlaufen, ihr eigenes leben riskieren für fremdes geld (geld, welches sie, wenn sie mal richtig überlegen würden, viel lieber in der hand des bankräubers als in der hand des bankdirektors sehen müssten!), nie verstanden, er ist fest der überzeugung, wenn eine therapie irgendwelchen nutzen hätte, dann bei diesen menschen.
Ende zwanzigjährigen fehlt es an der nötigen sorgfalt: als fluchtfahrzeug benutzten sie ihre eigene schrottmühle mit geklauten kennzeichen. Dummerweise hielt das neue kennzeichen hinten nicht, so dass sie vorne mit dem geklauten und hinten mit ihrem eigenen kennzeichen durch berlin fuhren. Da es vor der bank auch noch parkplatzprobleme gab und sie sich sowieso nicht lange aufhalten wollten, stellten sie den wagen auf dem notparkplatz ab. Just in dem moment, als sie in der bank um geld bettelten, ärgerte sich der notarzt darüber, dass sein parkplatz belegt war und registirerte die unterschiedlichen kennzeichen.
Gerd wurde von den bullen schon zu hause erwartet. sieben jahre knast, davon sechs jahre abgemacht und das restliche jahr auf vier jahre bewährung.
Wieder in freiheit, kaufte er sich einen alten wagen und wollte das nachholen, was ihm vorenthalten worden war. Allerdings reichte die sozialhilfe nicht, um die sehnsucht nach der ferne zu stillen. Gerd wurde erwischt, als er von einem lkw diesel abfüllte für seine schrottmühle. Bewährungswiderruf. Und das ist der jetzige stand:für ein jahr ist die zelle sein zu hause.
Das licht wird ausgemacht. Gerd geht auf die fahne und erhascht bei dem anschließenden toilettengang einen blick auf die uhr:21 uhr

2.hafttag kurz nach fünf wird das licht angeschaltet und der etagenkellner schreit:“aufstehen, betten abziehen!“ gerd klappt das bett hoch und setzt sich auf einen 20 cm breiten und 30 cm langen pint, bevor er die bettwäsche eintauschen kann gegen zwei mit pflanzenfett geschmierte klappstullen, mit einer tasse muckefuckkaffee und einem töpfchen marmelade versüßt.
Nach dem mittagessen – leberzirrhose mit kartoffelpüree – kommt freude auf:verschubung in den richtigen knast nach „mauerbit“.
Als gerd mit der minna durch etliche tore in moabit einzeit, fühlt er sich heimisch: den ersten schock der verhaftung hat er überwunden, hier sind die schließer zuvorkommender und gerd hat eine perspektive, er wird schon das beste daraus machen. Frisch geduscht, verbringt er eine nacht auf der zugangszelle, auch seuche oder arrestzelle genannt:völlig gekachelt, das scheinwerferlicht über der stahltür leuchtet den raum aus. Das klo ist in einen betonsockel eingelassen



hafttagmit genüsslich frühstücken ist nichts. Gerd wird angeschrieen, sein bettzeug abzuliefern. „privatsachen zusammenpacken, es geht auf transit!“ den sprachgebrauch bestimmen immer die herrschenden.
Fünf gefangene menschen versammeln sich vorne an der zentrale, bevor sie von einer nach pisse stinkenden wartezelle zur nächsten getrieben werden. Dazwischen das eingangsröntgen im haftkrankenhaus. Zurück in dem haus mit den vielen schließfächern, wird gerd zum nächsten raum getrieben. Über dem eingang hängt ein schild „durchleuchtungsraum“, darunter der handschriftliche hinweis „arschmeisterei“. Ein schließer durchleuchtet mit einem gerät gerds klamotten, während ein anderer in alter handwerklicher art jede öffnung an gerds nacktem körper ausgiebig untersucht. „dazu muss man auch geboren sein“, denkt gerd. Ein dritter schließer begutachtet alles, trägt die verantwortung, warum soll es hier drinnen im käfig auch anders sein als draußen? Vielleicht ist es alles nur internsiver und klarer, vielleicht ist der knast das mikroskopische bild der gesellschaft, die schule der nation, oder wie tucholsky sagte:“wer seinen staat kennenlernen will, muss in seinen gefängnissen gesessen haben.“ und wenn gerd nachdenkt fällt ihm auf, dass sich die ost- und westknäste so doll nicht unterscheiden. Schließlich gibt es drüben schon lange keinen sozialismus mehr.
Gerd kommt die durchsucherei wie ein schmierentheater vor. Alle beteiligten wissen, das das rauschgift über den wäsche- oder lebensmitteltransport eingeschleust wird oder über die schließer selber, die von der knastmafia erpresst werden. Die verantwortlichen demonstrieren aktivität im kampf gegen das rauschgift, ohne den rauschgifthandel zu gefährden, denn schließlich sind auch zugedrückte gefangene ruhige gefangene.
Zurück in der elenden wartezelle wird gerd der eingangsuntersuchung zugeführt. Ein junger arzt fragt, ob gerd krank sei, der arzt wird vom senator für justiz bezahlt – er untersteht nicht dem senator für gesundheit - ansonsten hätte er vielleicht nach seiner gesundheit gefragt. „er wäre sicherlich nicht anstaltsarzt geworden, wenn er etwas von medizin verstünde“, brubbelt gerd vor sich hin.
Der vormittag ist vorbei, als letztes geht es zur hauskammer in den keller. Drei decken ergeben sein bündel:1 paar socken, 1 hemd. 1 unterhemd, 1 unterhose, 1 jacke, 2 taschentücher, 2 geschirtücher, 2 frotteehandtücher, 1 zahnbecher, 1 zahnbürste, 1 zahnpasta, 1 tasse, 1 schüssel, 1 frühstücksbrett, 1 teller, 1 löffel (groß und klein), eine gabel. Gerd soll alles quittieren.
Schwer atmend trägt gerd sein bündel an der zentrale vorbei, von der fünf flügel sternförmig abgehen, und hoch in die dritte etage, zelle b332.
Um 15 uhr gibt es abendbrot, um 16 uhr dann nachteinschluss, letzter kontakt zu einem, der aussieht wie ein mensch, aber sich nicht so benimmt. Und gerd nimmt die einzige gelegenheit wahr, sich papier und bleistift zu besorgen. Nun beginnt eine der vielen langen nächte. In seiner schönsten schrift schreibt er aus dem gedächtnis sein lieblingsgedicht ab:...trotz aller isolierung, ketten, urteile
folterer
musst du wissen
meine zelle ist schwanger
folterer
ich habe deine zelle befruchtet
folterer
gestern nacht und
deine zelle wird gebären
folterer
eine hoffnung
von dem maler riveros gomez
der am 7. Juli 1981 von der geheimpolizei
in chile gefoltert und ermordet wurde

gerd klebt das gedicht mit zahnpasta direkt neben das vergitterte fenster, nun ist diese versyffte zelle seine heimat.

hafttagendlich ist er zur ruhe gekommen. Das ist sein zu hause im nächsten jahr, das sind die spielregeln, mit denen muss er klarkommen, mit denen will er spielen. „ich will diese zeit nutzen, nicht nur absitzen!“, schwört er sich.

10.hafttag
an die 23 stunden allein auf der zelle hat gerd sich gewöhnt. Er macht den lautsprecher aus und redet mit sich selbst. Plötzlich hält er inne und schämt sich:“ich bin doch nicht verrückt!“ doch nach kurzem nachdenken fragt er:“warum eigentlich nicht?“ er erinnert sich an die karikatur eines auf dem turm sitzenden wärters. Bildunterschrift:“seitdem ich schizophren bin, geht es mir gut!“ gerd beschließt sich einen menschen zu schaffen, mit dem er über die haft reden kann.
Weiblich soll das wesen schon sein, nicht wegen des geschlechts, sondern wegen der sozialisation. Diese ganze welt wurde von männern aufgebaut – auch der knast ist potenzierte männliche logik. Gerd braucht eine moralisch zweifelnde instanz. „gute nacht patrizia“, sagt er in die stille der nacht, ein bisschen stolz auf seinen genialen einfall. Schließlich passiert es nicht oft, dass man sich wie gott fühlt. Dann dreht er sich zum einschlafen um.

hafttaggerd hört einen pfiff, dazu einen lauten ruf „cäsar 3“, denkt er. Nach hektischem türenschlagen kommt die trampelnde herde immer näher. Jetzt scheinen auch die letzten schließer vor seiner zelle angekommen zu sein. Er kann ihren atem hören. Ein kurzes sammeln, bevor der schlüssel ins schloss gestoßen wird. Kurze zeit später schmerzensschreie, die an das winseln eines hundes erinnern. Dazwischen wütende rufe:“dafür, dass du die braut noch einmal überfahren hast, als sie schon tot war!“ - „schrei ruhig, bei dir hört keiner zu!“ „den kopf runterdrücken, runterdrücken!“
die nach hilfe rufenden schreie entfernen sich, bevor sie ohne echo verhallen. Für einen moment ist gerd erleichert, dass der kelch an ihm vorübergegangen ist, bevor er ohnmächtig gegen die tür schlägt und unruhig in seinem käfig hin und her läuft.
Pünktlich um 15 uhr, als wäre nichts geschehen, schreit der kalfaktor:“cäsar 3, abendbrot.“ - „dem kinderficker haben sie richtig eingeschenkt“, schwärmt der kalfaktor, den sie wegen seiner bulligen statur „zuhälter“ nennen. „im bunker ging es erst richig los! So jemand, der `ne gute braut einfach sinnlos ausgeknipst hat, der gehört einen kopf kürzer gemacht, ohne verhandlung.“ - „wenn jemand wählen könnte, würde er sich sicher nicht so ein schicksal aussuchen“, sagt patrizia, während gerd drei scheiben brot auf seinen teller geschmissen bekommt, suchen seine augen neugierig den blick des schließers. „was war los?“ - „der hatte eine große schnauze, da mussten wir ihn verlegen.“ gerd möchte ungern streit bekommen, denn der schließer scheint mit seinen tätowierten armen baugleich mit dem „zuhälter“
„hättest dir auch nicht vorstellen können, dass du mit dem ungeheuer auf einer seite sein wirst“, sagt patrizia, als sie wieder alleine sind. Gerd fühlt sich unwohl, aber auf der seite der zuhälter kann er doch nicht stehen, und solange die täter opfer sind, muss er sie verteidigen und täter, die krank sind, sind eigentlich auch keine täter. So hat er wenigstens für heute den gordischen knoten gelöst.
Das ungeheuer wird jetzt im keller mit seinen blutergüssen und blauen flecken liegen ,sich nach einem lieben wort sehnen, wie sich jeder mensch, wenn er schmerzen hat und krank ist, danach sehnt umsorgt zu werden, vielleicht ist dass auch der sinn der krankheit.
Stattdessen wird er in diesem bunker aus beton und stahl, wo man jegliche selbstständigkeit schon im vorraum abgeben muss, sogar die klospülung wird von außen und nur nach lust und laune der schließer geregelt, verwahrt in einem raum, der von plus 60 grad bis minus 30 grad willkürlich beheizbar ist, kein guter ort für kranke menschen. Schließlich geht es nicht um schuld, sondern darum, wie was verhindert werden kann. Aber eine justiz, die maßnahmen verhängt um verhalten zu verändern, muss erst geboren werden, setzt eine menschlichere gesellschaft voraus, eine gesellschaft, in der der mensch, nicht der profit im vordergrund steht.

19.hafttag
es ist gerade 18 uhr. Pünktlich macht der schließer seine runde, sieht durch den spion einer jeden zelle. Ihn interessiert, ob der gefangene noch lebt, nicht , wie es ihm geht. Gerd weiß, das ist das letzte mal an diesem tag. Von jetzt ab fühlt er sich nicht gerade unbewacht, aber doch unbeobachtet. Ein rhythmisches klopfen an der wand erregt seine aufmerksamkeit. Er ist hellwach. Er hat das gefühl nur für diese wenigen momente zu leben:ob der schließer sich in seine zelle bewegt, ob die filzer ihm etwas anhängen wollen. Er muss immer topfit sein, die nächste gelegenheit, sein anliegen einzubringen, hat er erst tage, manchmal wochen später. Das klopfen kann gerd nicht orten. Jedes geräusch klingt wie neben ihm und doch so weit entfernt. Gerd rast zum fenster unter der decke mit der dreifachvergitterung. Er zieht sich an den gittern hoch, der hof scheint ziemlich ruhig zu sein. Seit drei tagen hat ein schließer dienst, der jedes sprechen am fenster meldet. Dann reiten sie bei dir mit vier mann ein, buffen dich, provozieren dich und wenn du viel glück hast, nehmen sie nur deinen stuhl mit, denn sprechen am fenster ist verboten und wird teilweise mit bunker bestraft. Nein, es ist unwahrscheinlich, dass ihn am fenster jemand verlangt. Bleibt die einzige möglichkeit über die kanalisation. Gerd schnappt sich den aufwischlappen und saugt damit das wasser aus dem kloknie. Er hat das noch nie gemacht, kennt es nur von kollegenschilderungen und wundert sich darüber, dass es ganz einfach geht. Kurze zeit später hört er eine stimme, nicht unsympathisch, ein bischen hektisch:“spielst du schach?“ gerd ist erstaunt, in dieser atmosphäre einen gleichgesinnten zu treffen. In seiner jugend in der ddr galt er als supertalent. Auch, wenn er sich schon bald aus der schachszene verabschiedet hatte, so behielt das schachspiel für ihn eine ganz eigenständige bedeutung:es ging nicht ums spielen - das gewinnen im spiel war für ihn nur das salz in der suppe, das schachspiel galt ihm als wissenschaft, in der er nach neuen eröffnungswegen suchen, neue zugfolgen austüfteln konnte, ohne dass er angst haben musste, seine forschungsergebnisse könnten für irgendwelche kapitalistischen oder gar kriegsinteressen missbraucht werden. Dass schachspielen eine brotlose kunst ist, damit hatte er sich abgefunden. Aber es gab ihm in jeder situation die sicherheit:er konnte sich – selbst hier im knast – so beschäftigen, dass ihm nie langweilig wurde, oder sich sogar aus dieser welt herausziehen, bis er die reale welt für eine zeit nicht mehr wahrnahm.

hafttagder tag hat plötzlich für gerd einen rhythmus bekommen. Er freut sich auf den abend, an dem er seinen leidensgenossen an der kloschüssel trifft und wo sie, wenn sie sonst nichts zu reden haben, ein paar schachzüge austauschen. Als um 18 uhr der schließer für heute voraussichtlich das vorletzte mal die lebendkontrolle durch den spion macht, ist es diesmal gerd, der an die decke klopft. Alf erzählt bereitwillig:“ich habe in der ersten instanz zwei jahre und neun monate bekommen, als ersttäter. Ich kam von einer zechtour, sah in meinen kühlschrank und bin mit meiner fünfzig jahre alten pistole zur nächsten nachttankstelle getorkelt, wollte etwas gegen meine arbeitslosigkeit tun. Der tankwart hielt es für einen scherz, griff in meine pistole, worauf ein stück abbrach und ich wieder nach hause dackelte.
Irgendwie kommt gerd die geschichte bekannt vor, er glaubt diesen fall schon einmal gehört zu haben. „selbst wenn er nicht seinen eigenen fall erzählt“, sagt patrizia, „dann ist dieser fall trotzdem eine riesige sauerei“, und zerstört damit gerds misstrauen.

hafttag„ich lese gerade ein tolles buch von oriana falaci:ein mann“, sagt alf durch die kloschüssel. „es schildert den kampf eines gefangenen, der wegen eines misslungenen attentats auf den monarchen anfangs zum tode verurteilt, dann aber zu lebenslänglich begnadigt wurde. Der gefangene entwickelt selbst in der dunkelhaft noch möglichkeiten sich zu wehren. Jede nacht schreit er, dass der anstaltsleiter schwul ist, solange, bis dieser es leid ist und ihn wieder in den normalvollzug verlegt. Du bekommst das gefühl, es gibt keine situation, die so trostlos ist, dass man keine perspektive entwickeln kann. Aber dieses selbstbewusstsein kann man nur haben, wenn man keine schwierigkeiten mit seiner tat hat.“ gerd ist begeistert, nicht nur einen leidensgenossen, sondern einen gesinnungsgenossen gefunden zu haben. Sie verabreden sich in zwei tagen, denn dann hat alf das buch ausgelesen und wird es an gerd weitergeben.

hafttagzwei tage vorfreude steigern die spannung ins unerträglich. Endlich nach dem nachteinschluss, das klopfen und alfs stimme:“ich kann dir heute das buch nicht runtergeben, es ist zu gefährlich. Aber ich habe erfahren, dass nächste woche der gutmütige schließer trumdienst hat. Du weißt schon, der dicke, der immer besoffen ist!“ gerd ist im ersten moment maßlos enttäuscht, lässt sich aber nichts anmerken. Er möchte das buch jetzt haben und würde auch ein großes risiko eingehen...aber als er sich das ganze in ruhe überlegt, freut er sich über alfs besonnenheit. Alf ist ein zuverlässiger partner geworden und einen freund kann man in jeder situation gebrauchen.

hafttag„hast du vorhin gehört, was alf so nebenbei berichet hat?“. Fragt patrizia empört, „alf wird jetzt schon sechs monate in jeder nacht alle zwei stunden mit dem scheinwerfer geweckt und darf erst dann weiterschlafen, wenn er sich bewegt hat. Er hat an seiner tür den roten punkt (selbstmordgefährdet). Er kann seit sechs monaten kein einziges mal durchschlafen, vielleicht macht er auch deshalb so einen lethargischen eindruck!“ gerd hat das sehr wohl mitbekommen und sich auch gleich an seinen ddr-knast erinnert. Damals hatte amnesty international dieses vorgehen als schlaffolter geächtet - heute hat selbst amnesty nichts dagegen zu sagen. Es passiert ja alles zum schutz des gefangenen. Er soll sich nicht umbringen, aber das leben wird ihm auch genommen. Heuchelei!

hafftagauf diesen tag hat gerd über eine woche hingearbeitet. Abends nach der lebendkontrolle, im halbdunkel, klopft es dreimal. Gerd öffnet das fenster unter der decke und stellt sich auf den stuhl, seinen handfeger in der hand. Kurze zeit später wird ein seil heruntergelassen (oder genauer:ein bettlaken, zerrisen in streifen, zusammengeknotet), an dessen ende baumelt ein kleines paket. Gerd steckt den handfeger aus dem fenster, so dass sich das seil um den handfeger wickelt und er das paket reinholen und abknoten kann. dreimal ziehen bedeutet, alf kann das seil wieder hochziehen. Sie warten eine halbe stunde - nichts passiert - bevor sie sich wieder an der kloschüssel treffen.
Gerd verschlingt das buch förmlich. Selbst als um 22 uhr das licht ausgeschaltet wird, lässt er sich nicht den Rhythmus disktieren.aus der anstaltsmargarine und einem docht macht er sich eine kerze und liest noch weit über mitternacht hinaus.

hafftagdie nacht war kurz, dafür der folgende tag länger. Es gibt phasen, da spürt man die müdigkeit nicht – es gibt phasen, da lebt man. erst am abend, als er das buch ausgelesen hat, fällt gerd ein spruch ein, den er in einer der wartezellen gefunden hat:“widerstand ist der docht in der kerze unseres lebens.“ den ritzt er in die wand seiner zelle ein. Er wird ihn immer an das buch erinnern. Einen zweiten spruch aus dem buch ritzt er dazu:“die eigene pflicht tut man nicht, damit einem jemand dankbar ist, man tut sich für sich selber, für die eigene würde.“ das buch wird gerd nicht mehr weggeben – vielleicht mal ausleihen – aber eine bibel gibt man nicht weg!

hafttagabends an der kloschüssel sind sich gerd und alf einig:“knast bedeutet in jedem land der welt: menschen zu brechen. Regional sind diese methoden unterschiedlich, trotzdem darf man nicht den fehler machen haftbedingungen miteinander zu vergleichen, weil – ähnlich wie bei einem tisch und einem stuhl - es kein einheitliches maß gibt. die einzelnen gefangenen haben innerhalb der gesellschaft nur von draußen unterschiedliche unterstützung, deshalb geht man auch unterschiedlich vorsichtig mit ihnen um. Aber es gibt keine haftbedingungen, die so schlimm sind, dass sie nicht auszuhalten sind, aber sobald der mensch innerlich gebrochen ist, können die haftbedingungen noch so soft sein, sie werden immer unerträglich bleiben. 90% der gefangenen sitzen wegen aussagen von mitgefangenen, sie werden für das versprechen, eine kleine hafterleichterung zu bekommen, zum verräter und machen sich dadurch den knast erst richtig zur hölle. Aber warum sollen die gefangenen menschen nicht genauso dumm sein wie die menschen draußen im erweiterten hofgang.

hafftagmitten in der nacht beschleicht gerd ein ungeheurer verdacht. Plötzlich ist er hellwach. Zwei stunden lang wälzt er sich noch im bett hin und her, bevor er die schlaflosigkeit akzeptiert. „schließlich musst du ja morgen nicht arbeiten“, sagt patrizia, und gerd kann der neuen freiheit etwas positives abgewinnen. Er nimmt wahr, wie die zunehmende helligkeit das quieken der ratten durch das singen der vögel ersetzt, gepaart mit dem schlagen von eisen auf eisen, dem schlüsselklappern und dem dumpfen geräusch einer hohlen halle. Um halb sechs uhr dann der blick durch den spion, scheinwerferlicht, die lebendkontrolle. während er sich sonst immer durch diese unsensible art gestört fühlt, kommt diesmal ein siegesgefühl auf: ihr habt mich diese nacht wieder nicht geschafft! Dann endlich um 6 uhr frühstückfassen. Bewusst unbeteiligt, so nebenbei, fragt gerd den kalfaktor: „wo liegt eigentlich das ungeheuer?“ - „na über dir“, sagt der „zuhälter“. Für einen moment glaubt gerd, die zwei schritte zurück in seine zelle nicht zu schaffen, als hätte jemand ihm die beine weggeschlagen. Patrizia fasst sich als erste:“es geht nicht darum, die geschundenen dieser kultur in klassen einzuteilen: die sind berechtigt im knast und die unberechtigt eingesperrt. Knast bedeutet immer traumatische erfahrungen und kein mensch wird von seinen traumatischen erfahrungen mit neuen traumatischen erfahrungen geheilt.“- „trotzdem“, sagt gerd, „ich bin es müde, dass ausgerechnet die menchen, die gewalt am eigenen körper erlebt haben, in der opfersituation solidarisch handeln, in dem moment aber, wo sie in machtpositionen stehen, verhalten sie sich wie schweine. Klar kann ich mir das über den kopf erklären. Ich bin einfach nur müde“. Gerd nimmt sich das schachbrett vor und analysiert die letzte partie mit alf, er verweigert den hofgang, möchte nicht mit patrizia reden. Erst stunden später kriecht er wieder aus seiner geistigen oase hervor und stellt sich patrizias worten;“ist alf wirklich soviel schlimmer als filbinger, der im dritten reich die todesurteile verhängte? Ist es vielleicht nicht so, dass jemand, dessen eigene traumatischen erfahrungen zu unkontrollierten gewaltausbrüchen führen, krank ist? Und liegt die schuld nicht eher bei den menschen, die immer ein strategisches ziel haben und deshalb so gut funktionieren? Es ist wie beim schachspiel: das bauernopfer wird nicht hinterfragt, wenn damit der könig gesichert ist.“ - „du hast ja recht“, lenkt gerd genervt ein. „nimm dir die folterer“, fährt patrizia dozierend fort, „die Geschichte hat gezeigt, das die brutalsten folterer gleichzeitig die liebsten familienväter waren. Wir müssen davon weg, immer alles zu bewerten oder gar zu richten. Wir müssen uns verhalten!“

hafttagdie diskussion in der tageszeitung wird durch das gnadenbesuch von christian klar bestimmt, nach 24 jahren haft. Der mob, der keine ahnung hat, wovon er redet, der immer betont, dass er keinen tag darin aushalten könnte, ist empört darüber, dass jemand nach 24 jahren haft endlich freigelassen werden möchte – alle ns-täter hat man früher entlassen!
Wenn sie die mächtigen zusammenschließen (und seien es nur die zeitungsmacher) und sich gegenseitig so decken, nur mit dem ziel die ohnmächtigen ohnmächtig zu halten, dann nenne ich das eine terroristishe vereinigung. Wie abgefahren doch diese sprache der herrschenden ist: sie nennen die, die sich in ihrer völligen verzweifelung gegen die gewalt aus ihrer ohnmacht befreien, terroristen, aber wir dürfen uns doch diese diskussion nicht aufdrücken lassen: wir dürfen diesen menschen nicht die moralische berechtigung entziehen, sich zu artikulieren. Aber wir sollten auch darüber heftig diskutieren, wie wir den widerstand aus der ohnmacht am besten organisieren.

hafttaggerd vermisst die gespräche an der kloschüssel. Heute abend muss er mit alf reden.“hallo rainer“, sagt gerd und lässt alf zeit zu antworten. Schweigen.
„ich hatte gedacht, wenn ich sage, wer ich bin, brichst du den kontakt ab“, fängt rainer an. „ich wollte dich nicht anlügen, aber es war so schön als person wahrgenommen zu werden, ohne meine Geschichte. Das, was ihr alles über mich als bestie sagt, ist ja richtig. Ich stehe immer davor und kann mir die taten auch nicht zuordnen.“
„gut“, nimmt gerd den ball auf, „lass uns bitte neu beginnen, ich möchte nicht angelogen werden, das ist mir wichtig. Und ich verspreche dir, dass ich dich als person nicht auf grund deiner taten bewerte. Deine taten gehören zu deinem leben, aber sie machen dich nicht als person aus, und ich will ganz normal darüber reden! Aber ich werde mich nie wegen deiner geschichte von dir distanzieren!“ - „ich verspeche dir das auch“, sagt rainer sichtlich erleichtert, „eigentlich fühle ich mich verhaftet und doch befreit und erleichert!“

hafttagrainer erzählt, dass er seit zwei wochen nicht mehr zum hofgang geht:“ich werde immer als bestie angepöbelt und von den gefangenen geschlagen, die schließer stehen dabei und machen nichts. Manchmal hauen sie auch einfach so mal zu. Da bleibe ich lieber auf meiner zelle.“ gerd fällt der ausspruch von marianne herzog ein:“wenn wir auch ohne freistunde überleben könnten, bekämen wir keine!“

hafttagdie sorge um rainer bestimmt den tag. „wenn rainer sich vom acker macht“, sagt patrizia, „dann hat die gesellschaft das erreicht, was sie wollte.“

hafftagan der abendlichen kloschüssel:“patrizia und ich haben angst um dich,“ gerd macht eine kleine pause. „natürlich ist es das recht eines jeden sich, wenn er die welt nicht erträgt, aus ihr zu verabschieden. Wir alle haben mal erkämpft, dass die todesstrafe abgeschafft wird. Ich weiß, du kannst uns nicht sehen, aber denke daran: wir sind da!“
„weißt du eigentlich, wie schwer das ist, wenn man überall nur angegiftet wird?“, fragt rainer. Gerd überlegt eine weile und sagt dann entschlossen:“ja, ich weiß es. Damals im ddr-knast war es für mich ähnlich. Aber irgendwann einmal habe ich das system dahinter begriffen: sie meinten nicht wirklich mich, sie wollten mich aber zum handeln zwingen. Seitdem haben mir demütigungen nichts mehr aufgemacht. Ich habe meine seele nicht mehr bewerten lassen.“

hafttages klopft schon frühmorgens. Gerd weiß, es, muss etwas wichtiges sein, wenn rainer ihn sprechen will:“ sie haben es wieder nicht geschafft, mich heute nacht in den tod zu treiben!“, sagt rainer stolz und fügt ganz leise, aber bestimmt hinzu:“danke!“

hafttaggerd und rainer schließen ein abkomen: wenn rainer an selbsttötung denkt, soll zwischen dem entschluss und der ausführung ein monat liegen. Dafür wird gerd ihn nicht überreden hier zu bleiben.

hafttagder schlüssel sticht ins schloss. Die schwere eisentür wird kurz aufgemacht und mit voller kraft wieder zugeschlagen. „cäsar 4, hänger!“, schreit mit monotoner stimme ein schließer. Gerd weiß sofort, dass es um rainer geht. Es vergehen einige minuten, bevor die sanitäter mit der eisenbahre eintreffen und den leichnam abschneiden.

hafttagein kassiber wird unter der zellentür durchgeschoben. „von der bestie“, sagt der kalfaktor. Mit zittrigen händen öffnet gerd den zusammengefalteten zettel:
„lieber gerd!
Verzeih mir bitte, ich hatte keine kraft mehr. Die ganze zeit bin ich wie ein aufgeschrecktes huhn herumgelaufen. Jetzt habe ich meine ruhe gefunden. Die vergangenen zwei monate, vor allem die gespräche um 18 uhr am ausgepumpten klo, waren meine schönste zeit. Ich hatte das gefühl, es hört mir zum ersten mal in meinem leben jemand zu. Auf diese halbe stunde habe ich mich gefreut. Für diese halbe stunde habe ich gerne die schläge der schließer eingesteckt. Schläge können nicht so weh tuen wie einsamkeit. Ich habe mitgefühl mit dir, dass du auf dieser erde bleiben musst. Und ich bitte dich zu bleiben. Du kannst etwas ändern! Aber ich habe meine ruhe gefunden auch durch dich. Ich danke dir, wir sehen uns wieder!
Gerd fühlt sich an ein gedicht von ulrike meinhof erinnert.es gibt mehrere arten, menschen zu töten ... nur weniges ist in diesem land verboten!

hafttag
„wenn das so weitergeht, erhebe ich postgebühren“, der kalfaktor schiebt einen kassiber durch die eisentür, mit einer tafel schokolade. Erstaunlich, selbst die passt durch die schwere eisentür, wenn man sie an einer bestimmten stelle drückt. „kommt von richard vom d-flügel. Der will nichts von dir zurückhaben, hatte nur gehört, dass du dich um die bestie gekümmert hast.“ als der kalfaktor wieder verschwunden ist, hat gerd das gefühl, aus seinen worten etwas anerkennung gehört zu haben. Auf dem kassiber steht:"den zweiten teil, meine erinnerungen ,an das leben hinter zuchthausmauern, widme ich nicht nur allen politischen gefangenen,sondern auch den dieben,den meineidigen,den mördern und schwindlern,allen,die für jahre oder jahrzehnte lebendig begraben sind.

ob die schuld des einen auf veranlagung ,die des anderen auf das soziale milieu,in dem er lebte,zurückzuführen sind, gilt mit gleich: :ich liebe sie alle.

bei allem häßlichen und abstoßenden,das ich an kriminellen gefangenen wahrnahm, stehen sie mir näher als mancher selbstherrliche mensch,der mir nach meiner rückkehr in die freiheit als angeblicher freund die hand drückte.

Die selbstsucht und verlogenheit,der neid,die mißgunst und roheit der von der bürgerlichen gesellschaft ausgestoßenen sind wahr und echt. sie tragen wenigstens keine maske.

Die wunden und geschwüre,die häßlichen narben,die ihren körper und ihre seelen verunstalten,hat ihnen das leben geschlagen,das leben aber sind wir alle. also sind wir mitverantwortlich und haben keinen anlaß zur überheblichkeit.

Auch die klassenlose gesellschaft wird sich-wenn nötig-gegen schädlinge sichern. bestrafen aber -ob zur vergeltung oder besserung- ist eine anmaßung des bürgerlichen klassenstaates." Max Hölz

in "vom weißen kreuz zur roten fahne"




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