Neues Deutschland im März 1995

Der Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis wurde in Leipzig zum dritten Mal verliehen
Auszeichnung für "Widerstehen im Knast"

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Zwei Berlinern wurde der Ingeborg-Drewitz-Preis wiederholt zuteil. Einer ist Ralf-Axel Simon. In seinen Knast-Tagebuchaufzeichnungen gibt er zu verstehen, was er unter Widerstehen im Knast, so das Thema der Ausschreibung, versteht:"Bei der Eingangsuntersuchung wolte ich mich nicht der Strahlenbelastung einer Lungeröntgung unterziehen, sondern bestand auf dem von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Tuberkulintest... Ich muß dieser Anstaltsordnung etwas entgegensetzen!"Seine Harnäckigkeit bezahlte der Autor und Schachprofi während der ersten Wochen seiner Inhaftiereung mit einer "Von-Hand-zu-Hand-Verfügung". Klatext:Durch seine Weigerung, sich röntgen zu lassen, bestünde id epotenzielle Gefahr, mit Tuberkulosen infiziert zu sein, und der Häftling müßte daher von den übrigen Gefangenen isoliert werden. Als sich der spätere Test als negativ herausstellte, durfte Simon wieder am gemeinschaftlichen Hofgang und am Anstaltsduschen teilnehmen. Bis dahin mußte er jede Menge Schikane über sich ergehen lassen.
Auch der Anstaltspfarrer bekam zu spüren, was Simon unter Widerstehen begreift. Der forderte gerade auf das lie zu singen"Allein Gott in der Höh`sei Ehr und Dank für seine Gnade", als Simon der Kragen platzte und er zum Altar rief:"Ne Sensibilität wie`n Holzklotz, ich zähle mal alleine die Knastjahre auf unsrer Bank zusammen und da sollen wir noch singen ,und dank für seine Gnade`..."
Am nächsten Tag machte der Geistliche dem Häftling seine Aufwartung. Von Simon nächtens in Alpträumen geplagt, lag ihm die "Ohnmacht von gestern im Magen". Sie häten fast zwei Stunden miteinander geredet, so Simon "die verschiedenen Seiten sind nich wegzudiskutieren, und doch ist es der Beginn einer Freundschaft"....
Diemar Jochum




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