Die Vorgeschichte
Ein Schachfreund kannte meine Einstellung zur Ehe und sprach mich deshalb an:"Ayse ist verzweifelt, die möchte gerne in Deutschland bleiben!" Deshalb heirateten wir 1980. Für mich ist ,da leben zu können.wo man/frau es sich selber aussucht, ein Menschenrecht und es war mir eine diebische Freude diesem Staat ein Schnippchen schlagen zu können, ausgerechnet mit der kleinsten Unterdrückungsform - der Ehe- die, für menschliche Ziele zu gebrauchen, schien mir der Geschichte dieses Verbrecherstaates die Krone der Ironie aufsetzen zu können. dass mir meine Frau obendrein nicht gerade unsymphatisch aber doch zumindest sehr fremd erschien -sie wollte sich in diese Gesellschaft integrieren, ich kämpfte mit allen Mitteln gegen diese Gesellschaft- beruhigte mich -denn mich in meine eigene Frau zu verlieben, hätte ich als einen Supergau empfunden- aber brachte mir auch das Unverständnis meiner Freunde ein:"Wenn dir schon nichts mehr heilig ist, dann heirate doch wenigstens eine Genossin!" hier zu bleiben ist ein Menschenrecht und damit basta!
Wir waren relativ gut vorbeireitet:wir hatten uns den entwürdigenden 36 seitigen Fragenkatalog der Ausläderbehörde besorgt und die möglichen Fragen im detail abgestimmt. Anfänglich fiel unsere Ehe wohl auch nicht auf. Als die Ausländerbehörde genug Beweismaterial für eine "Scheinehe" zusammengetragen hatte, bestand für uns gewissermaßen ein gewisser Schutz:ich war im Knast, also waren wir nicht gezwungen zusammen zu leben. Während meiner Haftzeit besorgte sich meine Frau Wolfgang Lüders, den ehemaligen Wirtschaftssenator von der FDP, als Anwalt, weil sie bei ihm schon einmal geputzt hatte. Und er kümmerte sich wirklich rührend um meine Frau:ging mit ihr sogar mit zur Ausländerbehörde und machte die ganze tageweise entwürdigende Warterei mit, bis sie endlich diesen lebensverlängernden Stempel in ihren Pass bekam, wenn auch nur auf Zeit. Dann 1986 schien das Kind endgültig in den Brunnen gefallen. die Ausländerbehörde hatte schon den Ausweis meiner Frau eingezogen, mit dem Ziel sie möglichst schnell abzuschieben. Da gelang Wolfgang Lüders ein genauso üngewöhnlicher wie genialer Deal: er sprach sich auf einer Pressekonferenz des damaligen CDU-Innensenators für seine Politik aus und erhielt dafür im Gegenzug die Aufenthaltserlaubnis für meine Frau! Dieses Recht hat ein Innensenator. Die politische Opposition war erbost, tagelang berichtete die Presse von diesem Willkürakt. Renate Künast machte damals ihr Referendariat bei Wolfang Wieland, dem Lokalpolitiker der Grünen, der später auch mal Senator für Justiz wurde. Auch hier ein Aufschrei des Entsetzens über diese Senatorwilkür - als sie erst viel später mitbekamen, dass es mein Fall war, mussten sie doch schmunzeln. Aber auch die Verwaltung war über das Verhalten ihres obersten Dienstherren so stinkig, dass sie gegen uns ein Strafverfahren einleiteten, wegen Erschleichung der Aufenthaltserlaubnis. Die Gerichte mahlen langsam, so daß es erst anfang 1988 zum verfahren kam. ich weiß, daß andere Menschen bei ähnlicher Beweislage , ein halbes Jahr Knast bekommen haben, was sich bei mir sehr dramatisch hätte auswirken können, da ich ja noch Bewährung hatte:insgesamt mußte ich mit anderthalb Jahren Knast rechnen. Nun hatte gerade rot-grün die Wahl gewonnen, was in den Augen der Gerichte einem Erdbeben gleichkam und sie einen Erdrutsch befürchteten.
lange Rede, kurzer Sinn: nachdem unser Anwalt bekundete, dass er noch nie ein Paar gesehen hätte, was sich so wenig streiten würde, er könne das , als gerade Geschiedener, besonders gut beurteilen, sprach man uns tatsächlich frei mit der Begründung als Ehepaar müsse man nicht zusammen wohnen, als Beweis wurde die gutgehende Ehe einer CDU -Größe angeführt ( kleine Gemeinheit meines Unterbewußtseins:ich habe mir den Namen nicht merken können, weil ich den Akt mich mit einer CDU-Größe zu vergleichen als eine Beleidigung empfunden habe).




1998 schrieb ich darüber eine geschichte:

Grenzgänger zwischen zwei Welten

"den zweiten teil,meine erinnerungen ,an das leben hinter zuchthausmauern, widme ich nicht nur allen politischen gefangenen,sondern auch den dieben,den meineidigen,den mördern und schwindlern,allen,die für jahre oder jahrzehnte lebendig begraben sind.

ob die schuld des einen auf veranlagung ,die des anderen auf das soziale milieu,in dem er lebte,zurückzuführen sind, gilt mit gleich:ich liebe sie alle.

bei allem häßlichen und abstoßenden,das ich an kriminellen gefangenen wahrnahm,stehen sie mir näher als mancher selbstherrliche mensch,der mir nach meiner rückkehr in die freiheit als angeblicher freund die hand drückte.

Die selbstsucht und verlogenheit,der neid,die mißgunst und roheit der von der bürgerlichen gesellschaft ausgestoßenen sind wahr und echt.sie tragen wenigstens keine maske.

Die wunden und gechwüre,die häßlichen narben,die ihren körper und ihre seelen verunstalten,hat ihnen das leben geschlagen,das leben aber sind wir alle.also sind wir mitverantwortlich und haben keinen anlaß zur überheblichkeit.

Auch die klassenlose gesellschaft wird sich-wenn nötig-gegen schädlinge sichern.bestrafen aber -ob zur vergeltung oder besserung- ist eine anmaßung des bürgerlichen klassenstaates." Max Hölz

in "vom weißen kreuz zur roten fahne"

einleitung: aus meinen augen oder splitter einer scheinehe

"dir ist wohl nichts mehr heilig",hatte die mutter meiner freundin monika mir vor 17 jahren vorgeworfen,als ich ayse heiratete. nicht einmal monika hatte dafür verständnis:"das ist doch ein tropfen auf den heißen stein!". eine andere freundin war differenzierter:"ich finde das ja auch alles ganz notwendig, aber warum mußt denn immer du das machen."

ich hatte schon lange vorher beschlossen, die akzeptanz meines verhaltens von den leuten,die ich mag, nicht zu meinem handlungskriterium zu machen. ab diesem zeitpunkt aber, habe ich den anspruch -verstanden werden zu wollen- begraben.

nach 12jährigem ringen um die aufenthaltserlaubnis konnten wir endlich die scheidung feiern.

ein halbes jahr danach stürmte die polizei meine wohnung. an die durchsuchungsmethoden des verfassungsschmutzes hatte ich mich gewöhnt aber sie waren sensibel im vergleich zu denen der rauschgiftfahndung. meine geschiedene frau war an der grenze zu ungarn mit 10 kilo heroin erwischt worden. ich fühlte mich,als hätte mir jemand die beine weggetreten -rauschgiftschmuggel,zudem von menschen,die selbst nicht süchtig sind,schien mir von der moralischen verwerflichkeit gleichbedeutend mit waffenhandel in kriegsgebieten. meine schwester fing sich als erste:"das können wir diskutieren,wenn sie wieder draußen ist."

bei mir endstand das bedürfnis das leben eines menschen,mit dem ich auf dem papier immerhin 12 jahre verbunden war, zu verstehen.

ayse wurde nach zwei jahren acht monaten,wegen guter führung vorzeitig aus der haft in ungarn entlassen.

der wunsch ihr enkelkind in berlin zu sehen,ließ die angst verhaftet zu werden (da die tat von berlin aus eingefädelt wurde) in den hintergrund treten:ayse wurde bei grenzübertritt sofort festgenommen und nach berlin verschubt,wo sie unter anrechnung der schon abgemachten haftstrafe siebeneinhalb jahre knast bekam.

im dezember 1997 wurde ayse in die türkei ausgewiesen -sie hatte vorher verzweifelt versucht in ein drittland ausgeliefert zu werden,weil sie wußte,daß sie in der türkei noch einmal bestraft wird,ja sogar zum tode verurteilt werden kann,auch,wenn die todesstrafe dort z.z. nicht vollstreckt wird. fünf monate konnte ich ayse in der haft einmal wöchentlich besuchen, den trostlosen kampf dokumentieren. ich konnte mich mit der tat aussöhnen,ohne die opfer zu vergessen:die menschen,die ich im laufe meines lebens kennengelernt habe,die ihren verzweifelten kampf gegen die sucht verloren haben.

von ayse habe ich nichts mehr gehört,sie wird für jahrzehnte den foltermethoden in den türkischen knästen ausgesetzt sein. zurück bleibt der vorwurf an unsere eltern:"wieso habt ihr denn nichts dagegen getan",diesmal an meine eigene generation:die ignoranz der menschen gepaart mit der naivität "da wird schon nichts passieren" scheint sich zu wiederholen.

den kampf hat ayse verloren - aber wir brauchen viel kraft,damit die menschen,die in ähnlichen situationen sind,spüren,daß sie nicht alleine sind!

Die vorgeschichte - aus den augen von ayse:eine trostlose kindheit,geboren in ärmlichen verhältnissen und,was viel schlimmer wiegt:als mädchen.

ich bin auf dem land groß geworden mit 9 geschwistern. mit 18 hat der vater mich zur tante nach berlin geschickt mit falschen papieren. vater hatte bei der tante schulden. und mein bruder sollte in berlin studieren.ich mußte das kind der tante groß ziehen. tagsüber habe ich bei edeka gearbeitet, später in der glasfabrik akkord. die tante hat alles geld genommen,manchmal hatte ich nicht einnmal fahrgeld. ich habe trotzdem was auf die seite gelegt.nach drei jahren -die tante war immer eifersüchtig auf mich und auch mein bruder brauchte mich nicht mehr:er hatte mittlerweile eine deutsche frau geheiratet-haben sie mich nach hause geschickt. vorher hatte ich noch die 5000 dm,die ich zur seite gelegt hatte,meinem bruder gegeben,weil er versprach das geld für mich aufzuheben-mein vater hätte mir das geld zu hause sowieso abgenommen. Mein bruder hat sein versprechen nie eingelöst.

zu hause hat mein vater mich verheiratet. mein mann kam auch aus ärmlichen verhältnisse und hat mich nie geliebt. er hat mich nur geheiratet,weil er dachte ich gehe nach deutschland. wir wohnten bei unseren schwiegereltern. ich gebar meine tochter fatma,aber mein mann wollte nicht arbeiten und soff nur. als er mich schlug,lief ich zu meinem vater.

zwar war ich wieder schwanger,aber ich hatte 10000 dm geerbt.

mein mann war traurig und bemühte sich um mich. nach einiger zeit gab ich nach. wir kauften uns von dem ererbten geld ein kleines häuschen und ich glaubte es wird alles gut.ich brachte niroman zur welt. mein mann kümmerte sich nicht um unser haus und auch nicht um uns, er soff nur. Obwohl ein drittes mal schwanger ließ ich mich endlich scheiden, leider viel zu spät.

wir haben das haus verkauft und das geld geteilt,jeder die hälfte.

ich ging wieder nach deutschland und konnte bei einer anderen tante wohnen,diesmal mit meinen papieren.

die tante kannte eine deutsche freundin,die gerne half. sie kannte jemanden,der mich heiratete,damit ich in deutschland bleiben kann, für 5000 dm. so traf ich dich. erst später, als ich mit dir sprach,erfuhr ich,daß du dafür kein geld haben wolltest,sondern die tante das geld in die eigene tasche stecken wollte.

nach der heirat bin ich bei der tante ausgezogen,habe mir eine eigene wohnung besorgt. und nach und nach habe ich meine 3 kinder nachgeholt. ich habe lange jahre akkord gearbeitet bis meine hände kaputt waren,dann bekam ich eine stelle als köchin beim senat.

ich machte mit vierzig den führerschein,allerdings bin ich fünfmal durchgefallen.

öfters sind mir leute hinten rein gefahren und haben geschimpft,ich sei ein verkehrshindernis.ich habe dann immer gesagt:"ich bin ausländerin und fahre ganz vorschriftsmäßig nur 50 kmh in der stadt". die versicherung zahlte und ich konnte billig in der türkei den wagen reparien lassen.es war zwar keine absicht, aber nacher habe ich mich schon gefragt,warum ich schneller fahren soll.

dann lernte ich attila k. kennen. er war die liebe meines lebens und damit nahm das unglück seinen lauf"

die hauptgeschichte - ein mench wird reduziert auf den moment seiner tat. aus den augen des gerichtes:das landgericht berlin recherchiert die tat:

"Im Sommer 1992 verbrachte die Angeklagte während eines Urlaubs in der Türkei vor der Weiterreise in ihren Heimatort einige Tage bei einer Freundin in Istambul. Dort lernte sie einen Attila K. kennen, zu dem sich noch während dieses Aufenthaltes eine Liebesbeziehung entwickelte....

Am 9. März 1993 fuhr die Angeklagte, die sich hierzu zwei Wochen Urlaub genommen hatte, in Begleitung ihrer Cousine B. C. mit ihrem Pkw Mercedes Benz 280 SE, amtliches Kennzeichen B-AT 9872, von Berlin nach Istambul, um dort Attila K. wiederzutreffen und ihn später auf der Rückreise mit nach Deutschland zu nehmen. Dieser fragte sie einige Tage nach ihrer Ankunft, ob sie auf der gemeinsamen Rückfahrt nach Berlin in ihrem Fahrzeug fünf von ihm noch zu erwerbende Kilogramm Heroingemisch transportieren könne, wobei er ihr versicherte, daß das Rauschgift an sicherer Stelle in dem Mercedes versteckt werde und er den Transport im Falle einer Entdeckung durch die Zollbehörden auf sich nehmen werde. Da sich die Angeklagte zunächst unschlüssig war, ob sie auf diesen Vorschlag eingehen solle, hielt sie telefonisch mit Famillenangehörigen in Berlin Rücksprache...

Um die Zeit bis zur Beschaffung des Rauschgiftes durch Attila K. und der erst dann erforderlich werdenden Entscheidung zu überbrücken, begab sie sich am 18. März 1993 zur Durchführung einer erst für den Sommer 1993 geplanten Schönheitsoperation in stationäre Behandlung eines Istambuler Krankenhauses. ...

Aufgrund medizinischer Komplikationen konnte die Angeklagte das Krankenhaus nicht wie vorgesehen nach einigen Tagen verlassen, sondern mußte sich einer Nachoperation unterziehen. Insgesamt blieb sie bis zum 27. April 1993 ununterbrochen in stationärer Behandlung. ...

Am nächsten Tage will die Angeklagte schließlich von Attila K. erfahren haben, daß der Ankauf dieser drei Kilogramm Heroingemisch zustande gekommen und das Rauschgift bereits "unentdeckbar" in ihr Fahrzeug eingebaut worden sei,

Für die Durchführung des Transportes nach Berlin versprach Attila K. der Angeklagten die Zahlung von 3.000,- DM pro Kilogramm (insgesamt 9.000,- DM) sowie die vollständige Rückzahlung der ihm überlassenen 10.500,- DM ohne Abzug der von ihm bereits bar bezahlten Operationskosten. Weiter erklärte er ihr, daß er selbst in Berlin den Weiterverkauf an unbekannte Abnehmer besorgen werde und mit dem Gewinn aus dem Geschäft eine gemeinsame Existenz aufbauen wolle....

Ende April 1993 teilte Attila K. der Angeklagten mit, daß er sie aufgrund einer Verzögerung bei der Erteilung seines Visums für die Bundesrepublik Deutschland doch nicht auf der Fahrt begleiten könne. Nunmehr forderte er sie auf, die Fahrt allein anzutreten, er selbst werde später mit dem Flugzeug nachfolgen. Mit Hilfe des "Hamza" beruhigte er die enttäuschte und im Hinblick auf eine mögliche Entdeckung des Rauschiftes besorgte Angeklagte, indem er mehrfach beteuerte, daß "nichts passieren und alles gut werde". Da seit Antritt ihres ursprünglich zweiwöchigen Urlaubs inzwischen über eineinhalb Monate vergangen waren, entschloß sie sich nach eigenen Angaben endlich nach hause zu fahren und "die Sache hinter sich zu bringen". ...

An der türkisch-rumänischen Grenze fiel sie einem türkischen Grenzbeamten auf, da sie offensichtlich unter Schmerzen an ihren noch nicht vollständig abgeheilten Operationsnarben litt. Dabei teiIte sie dem Grenzbeamten mit, daß sie auf der Hinfahrt durch das zwischenzeitlich wegen der dortigen Kriegsereignisse unpassierbar gewordene ehemalige Jugoslawien gereist sei und ihr die nun vorgesehene Strecke über Rumänien, Ungarn und Tschechien fremd sei. Auf Vermittlung des Grenzbeamten erklärten sich die türkischen Staatsbürger Osman E. und Ismall D. -die zufällig zur gleichen Zeit die Grenze passierten und mit ihrem Auto in dieselbe Richtung fahren wollten- dazu bereit, der Angeklagten vorauszufahren und ihr den Weg zu weisen. Da die Angeklagte aufgrund ihrer Schmerzen aber nur langsam fahren konnte, entschlossen sich E. und D. im Verlaufe der Fahrt durch Rumänien, daß einer von ihnen das Steuer des Mercedes der Angeklagten übernehmen solle, um so schneller voranzukommen

In den Mittagsstunden des 2. Mal 1993 meldeten sich alle drei schließlich an der rumänisch-ungarischen Grenze beim Zollamt Nagytak zur Einreise nach Ungarn an, wobei D. den Mercedes der Angeklagten steuerte und E. in dem anderen Fahrzeug allein folgte. Im Verlaufe einer dort von ungarischen Zollbeamten durchgeführten Untersuchung des Mercedes wurde das versteckte Heroingemisch gefunden und sichergestellt. Die Angeklagte und ihre Begleiter wurden daraufhin festgenommen und der Untersuchungshaft zugeführt....

Am 6. Oktober 1993 wurde die Angeklagte vom Städtischen Gericht Makö wegen Rauschmittelmißbrauchs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. ...

Das Verfahren gegen D. und E. wurde am selben Tage eingestellt und beide aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Makö die Anklage gegen beide in der Hauptverhandlung mangels Beweisen gemäß § 209 der ungarischen Strafprozeßordnung fallengelassen hatte...

Die Angeklagte wurde am 1. Dezember 1995 aus der Untersuchungshaft in das Zuchthaus und Gefängnis von Szeged / Ungarn verlegt und befand sich dort bis zu ihrer Entlas-

sung am 18. Dezember 1995 in Strafhaft..."

(Landgericht Berlin,Geschäftsnummer (533)69 Js 45/93 KLs (4/96)

zwar existiert in der BRD ein doppelbestrafverbot, trotzdem ließ es sich die 33 große strafkammer in berlin nicht nehmen die strafe am 25.juni 1996 auf siebeneinhalb jahre zu erhöhen, weil die straftat von berlin aus geplant wurde.

Im winter 1997 wurde ayse in die türkei ausgewiesen. Dort -so ist die gängige praxis- wurde sie auf jeden fall noch einmal verurteilt, vielleicht sogar zum tode.

das war unsere zeit- aus unserer beider augen:besuchstagebuch-

eine abrechnung mit der justiz

11.mai

sonntag morgen,der erste schöne tag in diesem jahr. ich schlendere über die wiener straße zur u-bahn,vorbei an einer kneipe mit außentischen.die von der nacht übrig gebliebenen stellen mir stumm den vorwurf:ob ich mit meinem leben nichts anderes anzufangen wüßte,als ins ghetto zu fahren. von kreuzberg nach plötzensee scheint mir wie eine weltreise.

Fernab jeglichen lebens,abgeschottet wie auf einer insel haben architekten und andere perverse menschen das knastghetto geplant und ausführt:jugendknast und frauenknast auf hochsicherheitsniveau.wie klinisch sauber das klingt. welches leid dahinter steckt wird nur jemand ermessen können,der zwei jahre einzelhaft hinter sich hat und für den das sprechen am fenster und das sprechen durch das klo lebenswichtig war. auch das war im alten knast verboten,wurde mit bunker bestraft, aber es war möglich. in diesem auf hochsicherheitsniveau gebauten zellen gibt es eine sägezahnfassade (jedes zellenfenster ist um einen mauervorsprung versetzt) und jede zelle hat seine eigene kanalisation, so daß ein sprechen mit anderen gefangenen unmöglich wird.

ich finde den eingang des offenen vollzuges. die äußerlichen gegebenheiten unterscheiden sich nicht von dem geschlossenen vollzug. auch hier eine sicherheitspforte, mit dem wachpersonal kann nur über das mikrophon kommuniziert werden. aber die beamten sind freundlich. ich bin gespannt, ob sie mich reinlassen. denn ich hatte vor 14 jahren lebensla
ges anstaltsverbot:den anstaltleiter von dem alten knast und jetzt auch von dem neuen hatte ich im knastblatt schwerstverbrecher genannt,weil er geäußert hatte,daß er keine veranlassung sieht den heroinstrom in die anstalt zu unterbinden. das gericht hatte seinerzeit die richtigkeit des zitates ausdrücklich anerkannt, mich aber wegen des wortes schwerstverbrecher zu vier monaten knast verurteilt. doch das ist heute kein hindernis, ich werde durch die sicherheitspforte in den knast gelassen..

"du bist aber weiß geworden in den 17 jahren" empfängt mich ayse und fügt in ihrem immer noch gebrochenem türkischen akzent hinzu "ich habe meine weißen haare mit henner übertönt".der beamte holt uns persönlich heißes wasser für den kaffee. wenigstens ein traum aus meiner eigenen knastzeit der sich verwirklicht hat. 15 frauen sind hier untergebracht. 15 offene haftplätze im vergleich zu 320 geschlossenen haftplätzen, wo das strafvollzugsgesetz doch vorschreibt:der offene vollzug soll zum regelvollzug werden.das gesetz existiert 20 jahre.

ayse sieht aus wie das blühende leben, rot lackierte fignergnägel ,kurzer haarschnitt,nicht aufgemotzt aber geflegt.ich sehe ihr die 46 jahre nicht an.nur ihre augen sind traurig. im herkömmlichen sinne ist sie schön,hat trotz ihres alters nichts von ihrer schönheit eingebüßt.ich erinnere mich daran, daß selbst menschen,die ich mochte, zu mir sagten :"solch eine hübsche frau hätte ich dir nicht zugetraut!" abgesehen davon,daß es mich zeit meines lebens immer mehr wütend macht, wenn menschen nach ihrem aussehen beurteilt werden, war ich immer sprachlos,ich hatte erklären wollen,was ich nicht erklären durfte.

ayse und ich sitzten an einem der vielen tische in einem großen raum, der sich bibliothek nennt. gemütlich,selbst die vergitterten fenster sind gestylt, nur für eingeweihte als gitter erkennbar,wirken wie ein kunstwerk.

ich fühle mich hier zu hause, fühle mich ayse noch nie so nah wie hier. ayse ist mehr eine 50ziger jahre -menthalitäts-frau . als sie mir stolz ihren ersten mercedes präsentierte,fühlte ich mich genauso hilflos,wie bei der hochzeit,wo ich mich dagegen wehrte,daß sie mir einen anzug kaufen wollte. Ich konnte ihr auch damals nicht erklären,daß das nichts mit bescheidenheit zu tuen hatte.

"ich habe alles,was ich hatte auf eine kugel gesetzt, und in einem einzigen moment mein ganzes leben verspielt", bilanziert ayse. mir steckt ein kloß im hals, ich erinnere mich an die zahllosen freunde die an der droge zerbrochen sind , zum teil tod, und an das maßlose leid der angehörigen und vor mir sitzt eine täterin, wenn sie wenigstens eine bank aufgemacht hätte...

aber ich bin und ich will nicht ihr richter sein.

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25.mai

kaum haben wir uns hingesetzt erzählt ayse wie ein wasserfall von den haftbedingungen in ungarn:

"um 15 uhr wurde ich verhaftet. ich verstand kein wort ungarisch.nachts um 2 uhr kam der dolmetscher und ich wurde bis morgends um 5 uhr von der polizei verhört.

um fünf uhr morgends wurde mir eine holzpritsche zugewiesen mit einer decke. während des verhörs wurde ich nicht geschlagen.

ich war so müde,daß ich gleich eingeschlafen bin, trotz meiner operationsnaben.

morgends um 7 uhr wurde ich dem arzt vorgeführt und ich bekam eine normale zelle:2m lang ,1m breit ,mit einer holzpritsche aber einer madratze.die toilette war draußen,ich mußte auf die klingel gehen. die madratze war ziemlich dünn, so daß ich wegen der operationsnarben um eine zusätzliche madratze bat und sie haben sie mir gegeben.zwei monate blieb ich hier in der polizeithaft, oben im 6.stock. jeden tag hatte ich eine stunde hofgang, aber das im 6. stock, mit einem vergitterten himmel, manchmal haben sie es willkürlich auf eine halbe stunde gekürzt.

nach diesen zwei monaten wurde ich in die untersuchungshaft verlegt.das heißt ich wurde in einen männerknast verlegt, wo männliche strafgefangene einsitzen und untersuchungsgefangene frauen,die auf ihren prozeß warten.(bei männlichen untersuchungsgefangenen ist das ähnlich, sie werden in einem knast gefangenengehalten, in dem frauen ihre strafhaft absitzen) als ich am fenster redete,schrie der schließer mich an und wirbelte meinen schrank durcheinander. seitdem habe ich nicht mehr geredet, ich hatte angst in den bunker verbracht zu werden.

nach 7 monaten u-haft wurde ich in die strafhaft verlegt,wo ich zwei jahre und 1monate blieb. ich war untergebracht immer mit zwei oder drei frauen. morgends um halb sieben beim ersten aufschluß (das licht wird um fünf uhr angeschaltet) mußte ich strammstehen und rapport geben, ich war die vorsteherin von meiner zelle.

dort habe ich auch am fenster meinen freund sebastian kennengelernt, wir wollten nach der haft zusammenleben.wir haben uns briefe geschrieben .

als die beamten einen brief von ihm,den ich hinter dem schrank versteckt hatte, fanden, bekm ich drei tage bunker. eine mitgefangene hatte das versteck gepetzt.

die bunker sind im keller. die zelle ist 2m lang 1m breit, mit einer holzpritsche, die toilette außerhalb,mit einem kleinen fenster 30x 30 cm mit einer dicken metallplatte,so daß man nicht rausgucken kann. abends um 9 uhr wurde eine decke hereingereicht , die morgends um 9 uhr wieder herausgenommen wurde. morgends um 7 uhr durften wir uns außerhalb der zelle in einer schüssel das gesicht waschen.hofgang hatten wir nicht.(der bunker ist hier in plötzensee übrigens schlimmer. steinbett,kein hofgang, mit papierdecke,papierlaken, papierkleidung - wenn die kleidung zerrissen ist, müssen die frauen nackt herumlaufen- und alles ist videoüberwacht)

wir mußten alle arbeiten. ich wurde in die küche eingeteilt , aber es war eine sehr schwere arbeit und ich hatte meine operationsnarben, aber ich habe mich nicht beschwert.am nächten tag wurde ich zum arzt geholt. der schrieb mich krank. eine gefangene kollegin, eine jugoslawin, ist zum arzt gegangen und hat erzählt,daß ich krank bin. seitdem brauchte ich nicht zu arbeiten. mit der jugoslawin habe ich noch heute kontakt, ich schreibe ihr.

ich habe dann noch einen zweiten versuch zu arbeiten gemacht, akten machen, wie ein unternehmer. aber auch nach ein paar tagen bin ich selber zum arzt gegangen, weil es auch so eine schwere arbeit war, und ich nicht mehr schlafen konnte. der arzt war toll, er sagte:"sie haben mir vor der arbeitsaufnahme nicht zugehört, ich hatte gesagt sie sollen sofort kommen, wenn es zu schwer ist!" und er hat mich wieder krank geschrieben.

der knastdirektor war auch nett. er mochte türken. immer wenn er eine ausländische delegation durch den knast führte, kam er zu mir und stellte mich ihnen vor. bei der gelegenheit gab er mir zweimal den rat ein bestimmtes ungarisches buch über den konflikt zwischen ungarn und der türkei zu lesen, ich habe ihm erklärt,daß ich nicht ungarisch lesen kann. er hat dann eine videokassette besorgt und unsere ganze station konnte sich in seinem büro das video ansehen.

die zellen waren tagsüber offen. knastbesuche fanden in einer nebenzelle statt.

jede zelle hatte einen fernseher ,um 20 uhr wurde das licht ausgeschaltet umd 22 uhr der fernseher.

wir mußten anstaltskleidung tragen, d.h wir hatten:

zwei kleider (dunkel braun früher waren sie mal blau)

1 kleid und eine dicke jacke für den winter und fünf pullover

paar männerstiefel.

wenn ich auf transport ging konnte ich über den arzt, der war sehr menschlich, eine bescheinigung bekommen, daß ich zivilschuhe anziehen durfte.

anrufen durfte ich nicht. einmal habe ich den sozialarbeiter beschimpft, weil ich meine kinder nicht anrufen durfte. ich habe bitterlich geweint auf meiner zelle.

nach einer woche rief mich der sozialarbeiter plötzlich zu ihm - ich war noch sauer, wollte erst nicht hingehen- und er fragte, ob ich eine telefonkarte (wir hatten eine telefonzelle im knast) habe . ich bejahte und er sagte, daß das gericht jetzt entschieden hat,daß ich meine kinder sprechen darf nach berlin.

einmal durfte ich sebastian meinen liebling im anderen knast besuchen, es kostete 3000 forint (circa 50 dm) .ich wurde in den anderen knast verschubt. sebastian gab mir ein paket mit essen mit,die schließer durchsuchten das esssen so, daß nur noch krümel übrigblieben. völlig unsinnig, weil es ja aus einem anderen knast kam und dort schon überprüft war.

bei guter führung wird den gefangenen dort 3-4 monate von einem jahr erlassen ,bei uns bekommen nur 7,9 prozent die hafterleichterung von zwei drittel.

ich wurde am sonntag entlassen aber schon freitag in eine extra zelle gesteckt mit allen meinen sachen aus der hauskammer."

ich hatte vermutet,daß der ungarische knast schlimmer ist als der deutsche, aber weit gefehlt auf die frage angesprochen sagt sie:im deutschen knast gibt es keinen raum ,daß die bewacher sich menschlich verhalten können.

das ist übrigends auch das, was ich von anderen gefangenen gehört habe: knast ist knast, man kann pest nicht mit kolera vergleichen,aber die meisten normalen gefangenen machen lieber im ausland den knast ab.

Ich bin traurig. Ich sehe ihr die erleichterung an,auf der haftbedingungenskala aufgestiegen zu sein,endlich haftbedingungen zu haben, die erträglich sind,in dem euphorischen gefühl,die sieben mageren jahre hinter sich gelassen zu haben,mit der hoffnung "es wird alles wieder gut".

Es tut mir körperlich weh,als ich ihr erklären muß,daß sie ausgewiesen werden wird. "aber die ausländerbehörde hat sich doch noch nicht gemeldet,vielleicht haben sie ein einsehen,weil ich doch 17 jahre in deutschland wohne oder vielleicht haben sie mich nur vergessen", klammert ayse sich an einen strohhalm.

Deutsche behörden arbeiten langsam,aber gründlich. Das wort menschlichkeit haben sie noch nie buchstabieren können.

1.juni

ayse sagt:"du hast recht,es hat keinen sinn den kopf in den sand zu stecken. sie werden mich ausweisen,aber bitte hilf mir dabei,daß ich nicht in die türkei ausgewiesen werde. da werde ich noch einmal bestraft. vielleicht kann ich ja nach holland gehen,oder nach ungarn,da kenne ich schon die sprache.holland wäre deshalb gut,weil ich dann meine kindern und enkelkindern besuchen könnte -ich habe doch nur sie."

15.juni

es fällt mir sehr schwer heute aufzustehen. Der anwalt hat mir erklärt,daß es noch schlechter ausssieht,als ich dachte. Sie hat nicht eimal eine möglichkeit in ein land in europa ausgeliefert zu werden,ja nicht einmal der ostblock nimmt sie. Auch,wenn der vergleich nicht ganz stimmt,es ist wie mit den juden im dritten reich, kein land gewährt lebensraum. "wir haben juristisch null chance",sagte der engagierte anwalt,der auf ausländerrecht spezialisiert ist, "und auch die öffentlichkeit bringt nichts,keiner will sich mit einer drogendealerin die finger schmutzig machen!"

als ich versuche ayse das schonend aber nicht beschönigend beizubringen,nimmt sie das mit erstaunlicher ruhe auf. Einen moment später erklärt sie mir,daß sie sich mit ihrer tochter gestritten hat,sie will nichts mehr mit ihrer mutter zu tuen haben. "meine tocher fatma ist unausgeglichen,weil ihr mann sie verlassen hat. Aber ich kann nicht zusehen, wie sie das kind,was nichts dafür kann, schlägt"

für einen moment habe ich angst um sie,daß sie die momentane ausweglosigkeit zu einem entscheidungskriterium macht.

Erst später begreife ich,daß sie eine starke persönlichkeit ist,die ihr ganzes leben immer wieder der hoffnungslosigkeit getrotzt hat.

27 juli

ayse strahlt wieder,sie hat sich mit ihrer tochter ausgesöhnt.dafür war ayse bei der türkischen botschaft.sie wollte nur eine auskunft. Sofort wurde ihr ausweis einbehalten,weil in der türkei ein haftbefehl existiert.

Ironie des schicksals: der ausweisungsbeschluß der ausländerbehörde wurde ihr zustellt. Und sie wurde aufgefordert ihren ausweis abzugeben.ayse hat die ausländerbehörde an die türkische botschaft verwiesen und zu mir mit einem verschmitzten lächeln gesagt:"die sollen den konflikt unter sich ausmachen und mich da raus lassen!"

was ayse weiß,weil es im ausweisungsbeschluß steht ich aber nicht noch einmal angesprochen habe:

ayse wird nie mehr einreisen dürfen,nicht einmal besuchweise bei ihren kindern,wenn sie abgeschoben wird. Und da sie in haft ist,wird ihr nicht die möglichkeit gegeben selbstständig auszureisen.

3.august

ayse erzählt:"ich wurde gestern zur sozialarbeiterin gerufen. sie hatte auch von dem ausweisungsbeschluß gehört und mir ins gewissen geredet. ich solle doch keine dummheiten machen und nicht durchdrehen.mit dummheiten meinte sie:ich soll nicht untertauchen. ich habe ihr erklärt,daß ich nicht wüßte,wo ich hin sollte und außerdem meine kinder hier sind." da war sie beruhigt.

auf dem nachhauseweg stößt mir die wortwahl der sozialarbeiterin auf,die angst um ihre resozialisierungsstatistik und offensichtlich kein gefühl für die situation eines anderen hat.

solange sie im vollzug vom senator für justiz bezahlt werden bedeutet sozialarbeiter ein etikettenschwindel:jusizarbeiter ist die passendere bezeichnung.

5.august

ich habe heute die anstaltspfarrerin angerufen. eine tolle frau,engagiert und mit gefühl für den menschen.die anstaltsparrerin ist die einzige person,die im vollzug arbeitet und nicht vom senator für justiz angestellt wird..sie war auch hilflos konnte nicht helfen,verwies an pro asyl oder amnesty international.sagte aber etwas ganz wichtiges " bei frauen sind es meist beziehungstaten." ich sehe jetzt ein,daß es einen unterschied gibt zwischen einer frau und einem mann, der rauschgift schmuggelt!

14.august

gestern abend wollte ich mich ablenken und bin zur literaturgruppe gegangen.ein mann,mitte,sagte,als es auf den türkischen dichter nazim hikmet kam:"wußte garnicht,daß die türken etwas anderes hervorgebracht haben, als gastarbeiter!" sie mußten mich mit zwei mann zurückhalten,ich wollte ihn verprügeln. natürlich ist das keine lösung,ich kann nicht alle leute,die faschistische sprüche klopfen -und erst recht nicht,die,die sie ohne nachzudenken weitererzählen- verprügeln. aber ich fühle mich so hilflos diesem neuen faschismus ,der immer weiter raum greift, gegenüber. und wenn ich nicht so einen aufstand gemacht hätte, hätte keiner was gesagt, sie hätten nur höflich gelacht, und insgeheim gedacht:"so toll war der witz ja nun nicht". aber daß das schon offener rassismus ist,haben die beteiligten von sich gewiesen,und mein verhalten als maßlos übertrieben gebrandmarkt.

25.august

heute früh haben sie egon krenz verurteilt.die,die seinerzeit zu feige waren das maul auf zu machen -"man hätte doch nichts machen können" ,tragen sie ihr typisch deutsches argument zur schau- suhlen sich jetzt in ihrer rache. nein, ich mag keine justiz,die straft,um zu rächen, ich will eine justiz,die maßnahmen ergreift,um ein verhalten zu verändern.in dem punkt wurde mir der griechische anarchist panagulis zu meinem leitbild: solange jemand in macht und würden ist, bin ich bereit mit allen mitteln gegen ihn zu kämpfen, wenn jemand aber abgesetzt wurde,keine machtposition mehr innehat, hege ich keinen groll mehr gegen ihn.

zumal dieses krenz-urteil noch einen anderen bitteren beigeschmack hat: man bekommt den eindruck,daß die regierungsverantwortlichen dem volk gerne die verantwortlichen der alten herschaft zum fraß hinwerfen, damit die herrschenden jetzt besser und ungestört ihre geschäfte machen können. denn ein vollgefressenenes volk ist auch ein zufriedenes volk. zumindestens für die phase des fressens.

28.august

durch die medien geistert die verurteilung des frauenarztes, der seine opfer bestialisch ermordete.das gericht nannte ihn einen"psychisch kranken straftäter". er bekam 7 jahre knast und anschließende unterbringung in einer psychatrischen anstalt. die ganze medienwelt und mit ihr auch die menschheit jubelt.

obwohl dies nicht einmal juristisch haltbar ist:selten genug bescheinigt das gericht die krankheit,aber selbst im juristischen sinne ist es nicht möglich eine krankheit zu bestrafen.

das volk hat mal wieder ihren sündenbock, so daß keiner darüber nachdenken muß, woher dieses frauenbild kommt,was in ursächlichem zusammenhang zu der krankheit steht. die pornoindustrie,die zeitschriften sollen ja mit ihrem diskriminierenden frauenbild ihre profite machen ,keiner soll auf die idee kommen daran zu kratzen, und das volk als potentielles kaufpublikum soll angeheizt werden,dann aber sollen auch die auswüchse beschnitten werden,wie die zweige eines strauches.

30.august

sondersendungen im fernsehen,großberichterstattung in der presse,prinzessin diane ist tod. und das ganze land ist betroffen. dieses land erklärt das prügeln von frauen zur mäner-privat-sache, schickt menschen mit der ausweisung wissentlich in den tod und diese bescheuerten menschen heulen ,weil eine prinzessin einen verkehrunfall hatte.

"wer mit den menschen auskommen will,darf nicht so genau hinsehen" hat schon otto flake gesagt, aber ich bin so müde,daß ich nicht einmal weiß,ob ich mit dieser menschheit überhaupt auskommen will!

der letzte besuchstermin

"wir sehen uns heute das letzte mal" sagt ayse mit zittrigem körper und fügt als enschuldigung hinzu "ich bin ein bischen grippig".

"am kommenden freitag geht es los. erleichtert bin ich auch,dieser kampf hat ein ende" sagt ayse mit stoischer ruhe.

ich fühle mich erinnert an einen zellenspruch "ein gefangenes tier hat zwei möglichkeiten:sich entweder zusammenzurollen um zu sterben oder sich das bein abzubeißen ,um sich zu befreien!" für einen moment denke ich an die heroische lösung:ayse taucht unter . aber sie ist nicht der typ für die illegalität.das würde die sache noch schlimmer machen.noch schlimmer? ayse muß entscheiden,welchen weg sie gehen möchte. ayse hat entschieden.

als ich so durch die straßen schlendere,um aus dem ghetto zu kommen, macht die ohnmacht mich traurig. ayse war 17 jahre in deutschland, sie muß das land verlassen. heute ist es ayse,die in eine trostlose zukunft geschickt wird, bald werden es die bosnier sein, die in ein land geschickt werden,aus dem sie flüchten mußten. igendwann wird einmal eine statistik erstellt werden, in dem erfaßt werden wird wieviel menschen daran gestorben sind in ursächlichem zusammenhang mit der ausweisung. ob es 10 prozent,5 prozent oder zwanzig prozent sind,die deutschen werden wieder mit den achseln zucken, sich aber empören, und persönlich angegriffen fühlen,wenn einer dieser bonzen,die diese politik zu verantworten haben,entführt wird,oder noch stärker zur verantwortung gezogen wird.

gestern war ich auf einem geburtstagsfest. eine mir nicht unsymphatische junge frau sagte "wir deutschen haben schon genug geholfen". ich hätte sie am liebsten gerüttelt, weil sie mit diesem faschistischen gedankengut in liberaler ummäntelung den geistigen nährboden dafür bereitet,daß die verantwortlichen nach wirtschaftlichen und nicht nach humanitären gesichtspunkten entscheiden.deutschland als drittgrößter waffenproduzent,der bekannt dafür ist,daß er gerne in krisengebiete exportiert -das ist ja auch eigentlich der sinn der waffenproduktion- behauptet sie hätten genug geholfen - soweit sind wir also wieder. für einen moment überlegte ich die deutsche staatsbürgerschaft zurückzugeben.

"das hat doch keine massenwirksamkeit" ,hatte ich schon selbst die argumentation der ewig untätigen übernommen. wie ich diese argumente hasse.









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