Titel des Buches:
Ralf-axel simon
„ich wollte immer sand im getriebe der macht sein“

Untertitel:jetzt bin ich in den augen des staates ein terrorist
in den augen meiner freunde ein narr
umgekehrt wäre es mir manchmal lieber

kapitel 1
als wir während der olympiade 1972 in münchen für nordrhein westfalen die deutsche jugendmannschaftsmeisterschaft im schach holten traf ich mich dort mit meinem vater, der als bundestrainer der leichtatlethen sprung agierte. wir trafen uns ausgerechnet an dem tag des pälästinenser anschlags. Natürlich waren wir unterschiedlicher meinung.
Mein vater lehnte jegliche gewalt ab, seitdem er damals im krieg war. Das tagtäglich menschen getötet werden aus profitinteressen, das war ihm zu abstakt, obwohl er selber mir mal das beispiel erzählt hatte,damals, als er im bergbau sportunterricht gab. Tagtäglich fuhren die hauer in den schacht. Der personenkorb war an den seiten offen-alle viertel jahre guckte ein hauer gedankenversunken mal raus, um zu sehen, wo der korb schon ist, der kopf wurde sauber abgetrennt. Aber ein geschlossener personenkorb wäre zu teuer geworden, man verteufelte stattdessen die toten „die sind aber doof“, als wenn nur die "klugen" ein recht hätten um zu überleben. Ich habe damals in münchen gemeint, daß gewalt und gewalt ein gewaltiger unterschied sei, gewalt kommt von vergewaltigung und leute , die sich in ihrer verzweifelung gegen die vergewaltigung wehren mit allen mitteln, die darf man nicht gewaltbereit nennen – väter und söhne müssen sich in einem bestimmten alter nicht unbedingt verstehen. Trotzdem erinnere ich mich noch sehr gerne an diese heftige diskussion, weil es das letzte mal war,wo wir um existenzielle themen stritten – danach konnten wir uns nur noch über sport unterhalten – immerhin wir hatten noch ein thema.
Nach den olympischen spielen ging ich nach berlin ich studierte religionspädagogig mit dem ziel in den schuldienst zu gehen. Nicht, daß mich das interessierte, ich wußte nicht so richtig, was ich wollte in meinem leben, ich wußte nur, was ich nicht wollte.ein schreckgespenst war für mich immer mein großvater:schule, abitur, beamter. Dazwischen in zwei weltkriegen „guter“ soldat (ist genauso ein unwort, wie „guter“ politker), ist mit allen seinen mitmenschen asozial umgegangen (nach dem krieg, als das essen knapp war, hat er seine kartoffel auf dem teller markiert, damit er mitbekam, wenn er von der toilette kam, ob jemand davon gegessen hatte. Meine urgrossmuter hat ihn trotzdem ausgetrickst und dadurch der tochter meines großvaters, meiner mutter, einem kind von 12 jahren, vielleicht sogar das leben gerettet.) pensoniert, dann hat er sich ins bett gelegt, er meinte, er sei krank, kein arzt konnte es bestätigen-und starb. Abgesehen von der förmlichen trauer hat ihm keiner eine träne nachgeweint.
Eigentlich habe ich es meinem vater zu verdanken, dass ich nicht von der bundeswehr eingezogen wurde. Zwar wollte ich auch nicht die landesgrenzen verteidigen, obwohl ich damals in die sportkompanie gekommen wäre,schach war gerade als sportart anerkannt worden, aber dann hätte ich auch noch für die bundeswehr reklame gemacht -das war schon damals mir zuwider. Mein vater hat mich, als ich noch in osnabrück zur schule ging, einfach in berlin angemeldet. Seine begründung: er hätte damals für mich mitgedient. Das war zu damaliger zeit durchaus ein gefährlicher akt: es wurden geldstrafen von um die tausend dm verhängt, und die hätten wir nicht zahlen können.Trotzdem hat mein vater immer gesagt,das hätte sich auch dann gelohnt.
Im gepäck hatte ich einen kassettenrecorder luxus pur. Meine damals 17jährige schwester hatte letzten weihnachten auf ein grösseres weihnachtsgeschenk verzichtet, damit ich -wie ich erst später erfuhr- in berlin musik hören konnte und ich in der großen stadt nicht so alleine wäre.
ich wohnte im studentenheim in zehlendorf dem seminar für kirchlichen dienst.eigentlich ist studentenheim ein zu hochtrabender name, denn zeitweise lebte ich dort alleine. es kostete 120 dm , dafür gab es noch ein mittagessen. zweihundert dm hatte ich zur verfügung (kindergeld, bafög) . ich habe mich aber oft dem mittagessen veweigert,ich bin lieber zur mensa der tu gefahren, dort tobte das leben,flugblätter, bücherstände etc. durch die vielen diskussionen lernte ich langsam selber zu formulieren, was ich wollte. oder, um es anders auszudrücken:nachts blühte ich auf , tagsüber schleppte ich mich mühsam durch den tag, denn im seminar bestand anwesenheitspflicht. gut,einige sachen interessierten mich schon wie psychologie oder pädagogik, anfangs auch didaktik, bis ich merkte, dass es nur darum geht einen uninteressanten inhalt besser an den schüler zu bringen. mit systematischer theologie lag ich von anfang an im kriegszustand -mich störte der "opium fürs volk charakter" -auch, wenn ich freiwillig ein seminar bei gollwitzer machte, ich hatte grosse erfurcht vor diesem mann, dass er die theologie brauchte als schutzschild , um seine politschen und menschlichen ziele durchzusetzen,sah ich und konnte es akzeptieren, aber ich suchte nach meinem weg.
wenn mich etwas nicht interessierte, arbeitete ich meine anwesenheitspflicht regelrecht ab:ich hatte eine methode erlernt den dozenten interessiert anzusehen, aber gleichzeitig im kopf schach zu analysieren. die dozenten konnten sich das manchmal nicht erklären,wenn ich in der situation angesprochen wurde, daß ich eine weile brauchte, um mich zu orientieren. sie sprachen von mangelnder auffassungsgabe-was ich meinerseits wieder als kompliment ansah.
es war im sommer des jahres 1973. ich wollte mit meiner damaligen freundin, ebenfalls einer lehramtskandidatin von der ph, ihre freunde in ost-berlin besuchen. ich hatte wie üblich meine wildlederjacke an, ich sah nicht so ganz wild aus, wie in den folgenden jahren, denn zu dem zeitpunkt duldete ich noch, dass mir eine freundin meine haare - nicht ganz adrett -aber immerhin wenigstens schnitt. ich frotzelte ein wenig mit den vopos, die mir zugeknöpft schienen - es war wirklich ein schöner sommertag. bis der eine sich auf seinen schlips getreten fühlte:"dann machen sie mal ihre taschen leer". ich wurde puderrot angesichts der unmengen an bonbonpapieren. sie wiederum liefen angesichts eines flugblatts der kpd ml zu den sozialrevisionisten und einer tränengassprühdose zu einer höchstform auf:"kommen sie mal mit!" eine geschlagene stunde wartete ich auf einen vorgesetzten, ich fand die sache eher amüsant, hatte in dem rechtempfinden eines naiven die gewißheit, mir könne nichts passieren. "woher haben sie das flugblatt?" "von der mensa der tu", "haben sie es gelesen?" zur hälfte überflogen, aber ich weiß, was drinsteht!" "kommen sie als freund oder feind","ich bin ein kritischer freund, einige sachen sind hier besser gelöst, das gesundheitssystem, die kinderbetreuung, die emanzipation der frau andere sachen sind verbesserungswürdig", machte ich eine kleine pause und erwartete die diskussion, was denn das sei. stattdessen verschwand er einfach und ich war mir sicher, er holt jetzt die friedenspfeife. stattdessen kam jemand mit einem stern mehr und stellte die gleichen fragen."habe ich doch schon mit ihrem kollegen besprochen, der hat ihnen das doch sicher gesagt", wurde ich etwas ungehalten,weil ich mich nicht ernst genommen fühlte,wobei er gleich wieder verschwand. jetzt wurde mir doch etwas mulmiger, als der dritte erschien,wieder mit einem stern mehr:"sie wollen also in die deutsche demokratische republik einreisen, sind sie mitglied der dkp?" -einen moment stutzte ich, diese frage wurde mir immer von den westdeutschen faschisten gestellt, die mich dann anschließend demonstrativ dazu aufriefen:"gehe doch in den osten,wenn es dir hier nicht gefällt!"- "sehe ich so bürgerlich aus?", gab ich den schwarzen peter wieder zurück. "wir gehen davon aus, daß sie einen aufstand in der deutschen demokratischen republik geplant haben!" mein zeigefinger schnellte an meine stirn:"mit einem flugblatt und einer tränengassprühdose?!" - ich sah das erste mal auch ein lächeln auf seinem gesicht. "sie können in die deutsche demokratische republik einreisen, aber so etwas darf nicht noch einmal passieren!", drohte er mit dem zeigefinger. auf dem weg zu meiner freundin fragte er mich noch, ob ich bei der bundeswehr war -vielleicht war es das erste mal eine echte frage-."nein, ich wußte ja nicht, was ich zu verteidigen hatte!" jetzt war ich plötzlich richtig euphorisch und spielte ein wenig mit der wahrheit:"außerdem bin ich schwul, das mögen sie nicht so recht in ihren männerbunden". ich beobachtete aufmerksam sein gesicht-es versteinerte. offensichtlich ist in jeder armee schwulsein die größte waffe. meine freundin war erleichtert, als sie mich in die arme schloß. machte mir dann später, als wir aus der gefahrenzone heraus waren, bittere vorwürfe:"es gibt autoriäten, da kann man gegen kämpfen und es gibt autoritäten die muss man eben anerkennen!", behauptete sie. es war unser letztes gemeinsames wochenende, nicht, daß wir gram aufeinander waren, unsere lebenswege, das was wir vom leben wollten, trennte sich einfach.
als ich in der erweiterten prüfungsphase von der squola di barbiana in italien hörte, wo ein pfarrer die kinder sammelte, die durch das rost der normalen schule gefallen waren, und erst einmal ein halbes jahr mit den kindern in die natur ging, um die motivation zu legen, etwas lernen zu wollen, hatte ich das erkannt, was mir immer an unserem schulsystem gestört hatte: bei uns wird lernen vom erleben getrennt , um in herschaft einzuüben.von nun an war ich richtig motiviert in den schuldienst zu gehen, weil ich glaubte mit dem fach religion aus dem starren lehrplan ausbrechen zu können, und aufgrund der geringeren klassenfrequenzen und der situation, dass man zu einem drittel vom staat und zu zwei dritteln von der kirche angestellt ist, einen größeren freiraum zu haben.
die prüfung lief in fast allen fächern gut , eben aber nur in fast allen fächern. systematische theologie wurde zum persönlichen fiasko.eigentlich kann man in diesem fach alles behaupten -sogar die gott ist tot theologie ist eine anerkannte theologische richtung. ich ging nicht einmal soweit oder eben weiter:ich behauptete, ob es nun einen gott gibt oder nicht, ist mir gleich. da hat man zweitausend jahre über diese frage kriege geführt und hat das leid der menschen vergrößert, das kann nicht unsere aufgabe sein, wir müssen unsere kraft dazu verwenden, das leben für möglichst viele menschen lebenswert zu machen. da wir unser leben von unseren kindern nur geerbt haben müssen wir unsere zeit nutzen! auch das hätte ich sagen können, wenn ich mir nur die mühe gemacht hätte, das wissenschaftlich zu begründen. da mir diese erkenntnis aber ausreichte, um sie nach außen zu tragen -ohne dabei zu beachten, daß die,die ich eigentlich anklagte ja vor mir saßen, um mich zu bewerten, mußte ich die prüfung ein jahr später noch einmal machen. nun gab es zu der zeit auch einen lehrermangel im fach religion und ich hatte ein excellentes praktikum gemacht (abgesehen von den üblichen diskussionen nach den vorführstunden:"warum singen sie denn mit den kindern, wenn sie nicht singen können?" " ich habe keinen musikunterricht , die freude am singen steht im vordergrund!." "dann singen sie wenigstens leise". "nein , ich möchte den kindern das gemeinschaftserlebnis singen vermitteln, wobei es nicht darauf ankommt, ob ich richtiger oder besser bin , als der nachbar!" "das nächste mal machen sie es eben anders!"), so daß ich als vertretungslehrer im bezirk tempelhof eingestellt wurde - so waren beide seiten zufrieden.
berlin war zu dem zeitpunkt teilweise schon ein heisses pflaster. so haben mir kollegen erzählt,die in neuköln unterrichteten, wo alle zwei jahre der rektorposten neu besetzt wurde, weil der vorgänger ermordet wurde, daß sie stolz waren, wenn sie mit den schülern skat spielen konnten, denn oftmals saßen die schüler in der ersten reihe mit fahradketten und mitten im unterricht stand einer auf und pisste in das waschbecken. ich war eher in einem bürgerlichen bezirk angestellt, aber mit schulfrust der kinder hatte ich auch stark zu kämpfen, schließlich entlädt die angestaute wut über diese institution schule sich am ehesten in "unwichten" fächern und "natürlich" bei den vertretungslehrern (wenn ich jemanden nicht persönlich kenne , kann ich ein feindbild aufbauen).wenn ich sechste stunde religion hatte, wurde ich immer sehr mitleidig von den anderen lehrerkollegen empfangen.aber sie alle hatten ein interesse, dass ich wenigstens formal die stunden ableistete. mit zunehmender zeit wurde ich routinierter. einmal, es war wieder die sechste stunde-eine stunde vorher hatte gerade der rektor , ein scharfer hund, die kinder getriezt- und ich war wieder einmal das erste mal in der klasse - die schüler und ich wußten:wir werden uns nie wieder sehen. "ich kann in dem gleichen stil fortfahren, wie euer rektor und notfalls ihn auch um hilfe bitten und das werde ich auch tuen", schaffte ich mir in dem chaos eine kleine gehörpause "oder wir machen es ganz anders - ihr könnt es wählen". sie hörten sich zumindest meinen vorschlag an! "jeder kann in dieser stunde machen, was er will, er darf nur keinen anderen stören, d.h. es muss alles leise geschehen." ich sah den kritisch prüfenden blick der schüler -sie nahmen mir ab, daß ich bereit war ihnen in dieser stunde sonst die hölle beizubringen und entschieden sich ganz bewußt für meine variante. während ich einer kleinen zugegeben angepassten gruppe die geschichte von dem armen kleinen tier erzählte - das sein zuhause suchte und immer wieder enttäuscht war, weil die giraffen hatten viel längere hälse, die löwen waren viel größer und stärker bis es feststellte: ich bin ich, ich bin auch schön und das ist gut so . von diesen punkt an war das kleine tier nicht mehr alleine!- spielten die anderen karten, machten hausaufgaben oder flegelten sich einfach provozierend quer auf den tisch, aber es war mucksmäuschenstill.in dem moment kam der rektor rein, wurde leichenblass und stammelte "ich habe nur mein kugelschreiberetui vergessen", nahm es sich und verschwand ohne ein freundliches wort. im laufe der stunde wurden wir immer mehr, die über diese geschichte diskutierten: die gruppe der kartenspieler hatten gänzlich ihren spielbetrieb aufgegeben, während die gruppe der hausarbeitenmacher in ruhe ihre arbeit erledigten. als das klingelzeichen uns alle wieder trennte waren wir zufrieden. ich bekam jetzt nur ein ganz mulmiges gefühl in der magengegend, denn ich musste noch ins lehrerzimmer meine sachen abholen. wie ich schon befürchtet hatte wurde ich von dem rektor erwartet:"das war eine tolle leistung ", lobte er mich vor versammelter mannschaft "ich wünsche ihnen lieber kollege viel glück - sie werden ihren weg gehen!" ich war erleichtert als ich den heimweg wieder antrat, war mir aber sehr wohl bewußt, daß ich diesen freiraum nur als vertretungslehrer habe, wäre ich fest an einer schule, würde ich eine bedrohung für die kollegen darstellen:sie als repräsentant dieser institution schule müssen meine systemkritik mit all ihrer kraft und institutionellen niedertracht bekämpfen!
aber ich hatte an diesem tag eine wichtige lektion für meine leben gelernt:wenn die anderen wissen, dass ich in meinen postionen klar bin, akzeptieren sie meine grenzsetzung, und arangieren sich mit der situation. ein weiteres sicher weit dramatisches beispiel dieser lektion habe ich jahre später in dem buch von burghard driest über seine knastzeit gefunden: der anführer einer gruppe von gefangenen, die die herschaft innerhalb der mauern hatten, wollte burghard driest mit gewalt zwingen ihm einen zu blasen. burghard driest analysierte nüchtern die situation :"wenn du mir drohst mich mit deinen freunden zu erwürgen - ihr könnt nicht so schnell zudrücken, wie ich deinen schwanz abgebissen habe!" dieses beispiel zeigte mir auch weiter, dass es kaum eine situation gibt, die so schlimm ist, dass man verzweifeln muss. es nahm mir die angst, wenn ich mir das unrecht in dieser welt als ein grosses wasser vorstelle -früher hatte ich immer das ziel dieses wasser zu beseitigen, was über meine kräfte ging-dann hatte ich jetzt das gefühl in diesem teich schwimmen gelernt zu haben.das beruhigte mich.
nach diesem jahr vertretung kam ich fest an eine schule, die alfred adler grundschule. der name der schule war programm: alle lehrer kannten sich aus der rattner therapiegruppe, eine durchaus fortschrittliche psyhologische richtung nach alfred adler. ich hatte während meines studiums mal reingerochen, es war durchaus interessant,ich hatte nur meine übliche schwierigkeit mit gruppen allgemein:für mich ist eine gruppe immer die fortsetzung, was ich als einzelner will, stattdessen , erlebe ich fast nur,daß der gruppenprozess ein ersatz für das eigene kritische denken wird und, daß die regeln für die zugehörigkeit der gruppe im vordergrund stehen quasi als heimatersatz - deshalb war ich auch hier nicht lange dabei geblieben.nun hatte mich meine vergangenheit nicht nur eingeholt, ich bekam sogar im lehrerzimmer sing und pfeiffverbot, weil die kollegen meinten, die pausen seien zur erholung da, was sie bei meiner zur schau gestellten unmusikalität nicht könnten. alle lehrer begegneten mir mit offener ablehnung des religionsunterrichtes -was ich gut verstehen konnte- aber sie nahmen mich trotzdem als mensch wahr, was ich würdigte.die schüler und eltern waren genau das gegenteil:es waren zum größten teil aussiedler aus der ddr aus dem aussiedlerheim in marienfelde,für die auch religion eine ganz andere bedeutung hatte und die in dieser gesellschaft mehr den angepassteren weg suchten. eine denkbar ungünstige konstellation. zumal ich nicht so recht wußte, was ich selber wollte, deshalb war ein taktieren für mich unmöglich.
ich griff eher spontan das auf, was als impulse von seiten der schüler kam. so sang ich mit den schülern das lied von süverkrüp vom baggerführer willibald, sang mit ihnen das alte arbeiterlied avanti populo oder ich verteidigte die entführer von peter lorenz (dem cdu vorsitzenden - diese aktion wurde im volksmund unter "peterchen`s kellerfahrt bekannt, weil sie ihn mitten in berlin im keller gefangenhielten, während sie in der ganzen republik danach fahndeten) die gefangene freipressten und es nicht aus eigenem profitinteresse machten und, obwohl sie wussten, daß sie über kurz oder lang den modernen foltermethoden im knast ausgesetzt sein werden , es trotzdem tuen.die schüler hatten nämlich das ganze in fernsehen und presse verfolgt und da kamen so einige fragen auf. auch hatten wir ein grosses projekt gemacht über armut und reichtum. wir sind von unserer gerechtigkeit ausgegangen, wo nur der leben darf, der auch leistet. dem hatten wir eine andere gerechtigkeit entgegengestellt, wo jeder nach seinen bedürfnissen leben kann, wo jeder das bekommt, was er braucht -hier habe ich das einzige mal die bibel zur hand genommen , weil das gleichnis von den arbeitern im weinberg eine einzigartige beispielkraft besitzt. dann kam die frage auf warum ist unsere gesellschaft nur an der leistung orientiert. da habe ich einen unterrichtsentwurf aufgegriffen über armut und reichtum, der verfasst an der bremer uni, den kindern in kindverständlicher art und weise die produktionsbedingungen klar machte: die kinder produzierten töpferware, ausgezahlt wurden sie in negerküssen. dadurch, daß sie arbeittsteilig produzierten, schafften sie das doppelte, aber sie gingen mit der gleichen anzahl von negerküssen wieder nach hause, so, daß sie den mehrwert am eigenen körper erleben konnten. in dem maße, wie die anderen lehrer bruchstücke von meinem unterricht mitbekamen, stieg das ansehnen meines religionsunterrichts in ihren augen sichtlich, manche sagten sogar mir ihre unterstützung zu. wir haben öfters zusammen diskutiert, sie sprachen offen davon, daß sie früher auch einmal etwas anderes wollten , sie waren von der montesouri schule begeistert , aber jetzt seien sie feige geworden, sie hätten haus und familie und konnten sich nicht mehr vorstellen ohne diesen lebensstandard zu leben. sie sagten sie würden sich wegen dieser feigheit heute schämen - ich habe sie wegen ihrer offenheit bewundert. und ich habe den wink mit dem zaunpfahl verstanden:erstens hatte ich in der zwischenzeit schon angefangen in einem arbeiterkinderladen (studenten gingen in die bronx den arbeiterkindern zu helfen) zu arbeiten.mir gefiel der lernansatz, denn im vergleich zur schule, wo kinder morgends um 8 uhr hingeprügelt werden und dann noch lernen sollen, hatte hier das lernen das erleben zur voraussetzung und war zudem in stadtteilarbeit eingebunden. zweitens fing ich an mir einen job als zeitungsausträger zu suchen aus 2 gründen:1. ich wollte von meiner hände arbeit leben und damit dieser typischen abhängigkeit von intelektuellen berufen, inhaltiche zugeständnisse zu machen, entgehen. wenn schule für mich den sinn haben sollte heranwachsende anzuleiten sich zu wehren, dann mußte ich auch ihre existenzielle erfahrung teilen. in der zwischenzeit war ich ausgezogen aus dem studenheim und hatte meine erste wohnung in charlottenburg in der sophie charlottenstr. zweiter hinterhof, außenklo, ein früherer pferdestall , etwas dunkel aber nur 35 dm miete. diese doppelbelastung, frühmorgends ab fünf uhr zeitungen auszutragen und anschließend zu unterrichten, machte mir nichts aus, eher im gegenteil, denn das zeitungen austragen machte mir spaß, joggen war bürgerlich, zeitungen austragen war meine körperliche ertüchtigung, zumal eine arbeit, die ich mir selbstbestimmt einteilen konnte.

dann 3 monate später beschwerden der eltern, das hatten sie sich in der ddr nicht im entferntesten von religionsunterricht vorstellen können! es war sowieso die zeit der berufsverbote und die der hysterie im öffentlichen dienst, das machte auch vor der kirche nicht halt -ich bekam berufsverbot als lehrer in berlin. die kirche wollte mich noch im konfirmandenunterricht einsetzen, aber für eine organisation, die sich für mich zu einer der größten verbrecherorganisationen entpuppte-die katholische kirche sicher mehr als die evangelische, wobei es gibt kein maß, wo man das messen kann, denn einen stuhl kann man mit einem tisch nicht vergleichen- jedenfalls wollte ich für solch eine organisation meine lebenszeit nicht vergeuden.
ich weiss noch, wie ich das letzte mal in das lehrerzimmer ging meine sachen zu packen, wie die kollegen mich keines blickes würdigten und sich in ihren arbeiten vertieften, wie messerstiche in mein herz kam mir ihre sprachlosigkeit vor. eine kollegin hat mir das dann später so erklärt:"die sache ist gelaufen, protest hätte nichts mehr gebracht und solidarität hätte nur unnötig unsere situation gefährdet!" das mir aber ihr mitgefühl kraft gegeben hätte, das wollte niemand sehen.
auf jeden fall hatte ich für mein leben eine zweite lektion gelernt:sag auch dem, den du magst die meinung,die er nicht hören möchte und drücke deine solidarität auch dem aus, den du nicht magst. man kann die menschheit eben nicht in zwei gruppen einteilen:da sind die schweine, da sind die genossen.es gibt nur menschen, die haben in der situation recht, und brauchen deshalb unsere volle unterstützung und es gibt menschen, die haben in der situation unrecht und ernten dafür unseren vollen kampf mit all unseren mitteln!

kapitel 2
nun saß ich da wie ein häufchen elend, alle meine ausbildung war umsonst, ich konnte nicht einmal mehr postbote werden! doch in dem maße, wie ich mir selbst klarmachte, daß ich auch nicht so leben wollte,wie ein normalbürger, wich die ohnmacht einer betroffenheit, wo es mir schon wie ein verbrechen erschien lapidar über das wetter zu reden. jetzt hatte ich zwischen dem morgendlichen zeitungsaustragen und dem nachmittäglichen kinderladen etwas zeit , also begann ich bei wolf wagner am otto-suhr institut (bei den politologen) einen kapitalkurs. wir haben im ersten semester nur die ersten drei kapitel bearbeitet, aber das so intensiv, daß wir auch die analyse der ware auf die der menschlichen beziehungen übertragen konnten (menschen beziehen sich über ihren tauschwert und legen ihren eigentlichen wert über ihren gebrauchswert fest). und ich begann mich für das sozialistische patientenkollektiv heidelberg zu interessieren:"der stein, den wir in die kommandozentralen des kapitals werfen und der nierenstein an dem ein anderer krankt sind austauschbar. schützen wir uns vor nierensteinen!" und das buch von bommi baumann:"wie alles anfing" zog mich in seinen bann. mir wurde bewusst, dass, wenn ich 5 jahre älter wäre, ich zur ersten generation der raf mich zugerechnet hätte. jetzt gab es aber bestimmte vorerfahrungen und meine angst konkretisierte sich:irgendwann einmal lebenslänglich knast zu bekommen und in der einzelhaft zu erkennen, dass man es aus einem gruppengefühl gemacht hat, nicht, weil man es selbst wollte, schien mir eine traumatische vorstellung. auf der anderen seite sah ich die zersplitterung der linken, ich sah, wie die kpd ml eine veranstaltung der kpd ao sprengte und die genossen mit eisenstangen krankenhausreif schlugen. da waren mir die raf leute schon viel näher: sie taten wenigstens etwas. auch ich lebte gerne und war bereit für die arbeit an einer menschlicheren gesellschaft mit einem etwas kürzeren leben zu bezahlen.
schach spielte ich kaum noch, nur noch mannschaftskämpfe. wir spielten damals in der neugeschaffenen vierteiligen bundesliga. bei auswärtskämpfen wurde es schwierig, weil ich ja noch morgends zeitungen austragen musste. einen sonntag um 10 uhr hatten wir einen mannschaftskampf in hannover . ich begann meine tour etwas früher, war schon um 7uhr am flieger und konnte um 10 uhr am brett sitzen. im sommer 1975 bekam ich von meinem mannschaftskollegen heiner burger , der als pressesprecher für die spd agierte, eine karte aus portugal, in der er mir dringenst empfahl das schach nicht ganz schleifen zu lassen "neben der politik braucht man ein hobby, sonst wird man zum spielball der politik!" kurze zeit später war heiner im fernsehen und allen anderen medien präsent:er wurde als spion für die ddr verhaftet und wurde später zu sieben jahren haft verurteilt, nach drei oder vier jahren wurde er dann ausgetauscht.ich habe ihn später im knast besucht. ich hatte das gefühl, daß es ihm dort relativ gut ging, und hatte diese dritte lektion sehr wohl auch für mein leben übernommen: mit dem schach kann ich mich überall beschäftigen, nirgends ist mir langweilig,und ich kann mich vorallem immer wieder aus den umklammerungen des lebens befreien:immer, wenn die welt zu schlimm wird, habe ich das schach, kann mich damit in meine eigene welt verziehen, so, daß ich wieder nüchterner die probleme in der normalen welt angehen kann.
es war wieder einer dieser mannschaftskämpfe, vielleicht war es sogar der pokalkampf in solingen, wo ich am ersten brett gegen spasski spielte und ich eine bessere stellung verlor und wir damals den pokalkampf verloren, auf jeden fall hatte mich einige tage vorher der brief von der mutter von karin ereicht. karin hatte ich in berlin kennengelernt, sie war erzieherin und sie hatte mit ihrem ausbildungsjahrgang eine abschlussfahrt nach berlin gemacht. wir hatten schon mindestens ein jahr briefkontakt mäßig, nicht sehr regelmäßig. die mutter schrieb mir, daß ihre tochter zu den kindern gottes gegangen sei. die mutter hatte sich mit der verbrecherischen organisation auseinandergesetzt, und es sei jetzt der letzte verzweifelte versuch, weil sie an die tochter nicht mehr herankam zufälligerweise war ich in der gegend und ich besuchte nach dem mannschaftskampf die eltern im ruhrpott. dort bekam ich die information, dass karin in der nächstgrößeren stadt , ich glaube es war duisburg, in dieser organisation ihre "zelte aufgeschlagen" hatte. ich fuhr hin, suchte die kinder gottes in der einkaufsstrasse und liess mich auf der strasse ansprechen. karin erkannte mich nicht. erst in den diskussionen fiel es ihr wie schuppen von den augen. da es langsam dunkel wurde, wollten auch die kinder gottes ihre agitation abbrechen. ich fragte nach, ob ich in der höhle des löwen übernachten könne und bekam von den verantwortlichen grünes licht. mir wurde in einem sechsmannzimmer ein doppelstockbett zugewiesen. mitten im bettenbeziehen wurde ich zum obersten gerufen. "sie kennen karin?!", warf er mir durchaus in sanftem ton vor und fuhr fort:"wir dulden hier keine beziehungen untereinander, deshalb wollen wir nicht, dass sie hier übernachten!"
mir ging nur durch den kopf, ich muss jetzt sehr klar formulieren,was ich will:"ich gehe gerne wieder, habe kein problem damit, aber ich möchte, dass karin mitkommt!" "karin ist aus freien stücken hier", sagte mir mein gegenüber schon in einem leicht aroganten ton. "dann kann sie ja aus freien stücken auch wieder gehen. sie haben doch auch ein interesse daran, dass es hier kein großes aufsehen gibt, ich wäre bereit ihnen mächtig in die suppe zu spucken!" "gott zwingt keinen, wir holen karin, dann können sie sehen,dass sie freiwillig hier ist!", sagte er ohne zweifel. was er nicht wußte, was ich mit karin aber am spätnachmittag schon beredet hatte, war, daß karin durchaus bereit war nach berlin zu kommen.nur wollten wir die einzelheiten morgen diskutieren. berlin war damals der inbegriff für die leute, die etwas anders leben wollten. durch den mauercharakter sammelten sich damals wehrdienstverweigerer, künstler, all die leute, die der kleinstadtkontrolle entfliehen wollten. in berlin kümmerte sich keiner darum, ob man nun mit blauen oder grünen haaren herumlief, schließlich sah man die leute, selbst, wenn man sie wiedertreffen wollte, manchmal erst zehn jahre später wieder, das war eine freiheit. allerdings lag man auch 3 monate tot in seiner wohnung, ohne,dass das einer merkte. wobei die tatsache als solche wohl auch für einen selber egal ist. karin war an diesem punkt in ihrem leben, wo sie nicht ihren verlobten heiraten wollte und ihren job als erzieher bis zu ihrer rente weitermachen wollte. sie wollte für eine menschlichere gesellschaft arbeiten. in diesem traum trafen wir uns, nur hatten wir damals schon unterschiedliche wege um zu diesem ziel zu kommen. karin wurde geholt. so wurden wir beide unehrenhaft , mit wirklich hasserfüllten blicken, auf die strasse gesetzt. ausser ein paar heimtückischen tritten (und das von den kindern gottes) gab es keine gewaltanwendungen. wir übernachteten bei karins eltern und fuhren am nächsten tag nach berlin.
nun waren wir zu zweit in diesem früheren pferdestall. da die klappcouch etwas zu schmal für zwei menschen war, wurde sie mit fünf schlitten - die ich allesamt bei einer versteigerung zum schnäppchenpreis von zusammen 10 dm ersteigert hatte vergrößert - so bekam auch diese versteigerung nachträglich einen zusätzlichen sinn, aussser eben seinem ursächlichen eben eine versteigerung kennengelernt zu haben. derjenige , der am morgen auf dem schlitten aufwachte (das passierte immer gleichberechtigt also abwechselnd) spürte den vormittag eine kleine behinderung, ansonsten hatten wir eben keinen rücken, wir waren ja noch jung! wir hatten ein gefühl füreinander, liefen manchmal mittags händchenhaltend zur tu mensa, um zu essen, ansonsten war es mehr eine wohngemeinschaft, in der wir schon mal den text von lenin gemeinsam lasen , aber vorallem diskutierten wir über kinderarbeit, zumal karin auch bald eine stellung auf dem abenteuerspielplatz in spandau bekam.wir hätten unsere beziehung eher locker aber intensiv umschrieben, losgelöst von gesellschaftlichen rollenansprüchen , wo jeder innerhalb der beziehung sich frei entwickeln kann, aussenkontakte waren nicht nur erduldet, sondern erwünscht,was "unsere" leitbeziehung nicht in frage gestellt hätte, schließlich hatten wir das cover von joan baes im kopf,wo zwei menschen, deren gesicht sichtbar vom leben gezeichnet war, sich händchenhaltend unter die jungen leute bei einer demo mischten. den staatlichen segen in form einer heirat lehnten wir beide rigoros ab - es war eh schwer gegen alle rollenvorstellungen anzukämpfen, eine heirat hätte das verkompliziert. mit kindern jedoch wollten wir beide leben.während karin sich sogar vorstellte eigene kinder zu bekommen,wollte ich nach dem motto leben:nicht alles, was ich kann muss ich auch ausprobieren. ich war mir sicher , ich möchte nicht das elend auf dieser welt vergrößern und wollte deshalb ein kind adoptieren. das wort kindererziehung wurde für uns zum unwort und zur auseinandersetzung mit der generation unserer eltern:wir wollten kinder wachsen lassen, ihnen schon unsere erfahrungen mitteilend und heftig mit ihnen über ihren weg streitend, aber vorallem sie schützend und wohlwollend begleiten.wir haben es unseren eltern vorgeworfen, dass sie uns auf ihre persönlichen wünsche hin getrimmt haben und deshalb wollten wir jetzt zu denen werden, vor denen uns unsere eltern immer gewarnt hatten! mir war auf jeden fall klar, dass ich allein die hauptverantwortung für ein kind übernehmen wollte, ich wollte nicht, dass es sich einschleicht, dass man die beziehung unbewust nur hält, weil man angst hat die arbeitsbelastung nicht alleine tragen zu können.ein weiteres bild hatten wir noch im kopf:wir stellten uns die menschlichen beziehungen wie billardkugeln vor, die sich magisch anziehen aber sich mit ebensolcher kraft auch wieder abstossen.auf jeden fall fanden wir das besitzanzeigende fürwort, was normalerweise fast jede menschliche beziehung symbolisiert, (meine frau, mein sohn etc.)als völlig fehl am platz.
in dem maße, wie ich mich mehr für den kinderladen engagierte, wollte ich auch in moabit leben. ich bezog eine kleine wohnung in der stephanstr.ohne ganz aus der gemeinsamen wohnung auszuziehen. gegenüber war das sozialistische zentrum und quasi nebenan die wohngemeinschaft,die den kinderladen trug. auch, wenn es mich öfters in diese wohngemeinschaft hinzog, wollte ich da nicht einziehen - mein lebensrhytmus war mit ihrem nicht zu vereinbaren.während sie normalen berufen wie arzt, lehrer etc.nachgingen, begann ich schon nachts um zwei uhr an zu arbeiten. ich schlief im dreierrhytmus:nachts anderthalb stunden, morgends anderthalb stunden und nachmittags anderthalb stunden. tatsächlich hatte ich das gefühl durch diese körperliche anstrengung des zeitungenaustragen weniger schlaf zu brauchen ich hatte es mir immer dadurch erklärt, das ich durch die monotone arbeit viel zeit zum nachdenken hatte und schlaf bedeutet ja auch verarbeitung von erlebnissen - das machte ich eben jetzt tagsüber. ein bischen habe ich mir dabei auch in meine eigene tasche gelogen, denn ich war oft extrem erschöpft. am meisten ist es mir aufgefallen, wenn mich mal eine freundin ins kino mitgenommen hat, das dunkelwerden wurde für mich zum sinnbild:ich habe den tag geschafft. meist wurde ich erst wieder gegen ende des films wach,obwohl ich wirklich gerne den film gesehen hätte. ich arbeitete nachts, um mit dem verdienten geld politische projekte zu unterstützen, wie z.b. waffen für el salvador. zwar hatte ich sehr wohl im kopf lieber projekte zu unterstützen, in denen ich auch mitarbeitete, dann wußte ich wenigstens, was mit dem geld gemacht wird, aber der kinterladen hatte es nicht so nötig. im sommer 1975 hatte sich die sozialistische zeitung radikal (bedeutet an die wurzel zu gehen) gegründet. das politische konzept überzeugte mich:es sollte eine undogmatische zeitung und ein diskussionsorgan aller linken gruppierungen sein, wobei es wichtig war die gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und die unterschiede nicht dazu zu benutzen, um sich zu distanzieren.
hauptverantwortlich für dieses kozept war dirk schneider, der nach der wende als stasi-spitzel enttarnt wurde und kurze zeit später an darmkrebs verstarb. als ich das später erfuhr war ich geschockt, ich würde auch heute noch meine hand dafür ins feuer legen, dass dirk nie in seinem leben für den verfassungsschutz gearbeitet hätte. und dirk war auch nicht jemand, der die ddr verherlicht hätte, quasi ein verkapptes sew mitglied, er war ein aufgeklärter aufrechter undogmatischer linker, der aus der studentenbewegung kam. der aber offensichtlich die tatsache, was die stasi mit den gesammelten informationen innerhalb der linken macht, verdrängte. dirk hat die tatsache für sich geleugnet, dass die stasi die informationen über die undogmatische linke nur deshalb so akribisch sammelte, um sie an den verfassungsschutz im westen zu verkaufen! wenn ich dirk im himmel später mal treffe(ich hoffe noch nicht so bald!) melde ich jetzt schon gesprächsbedarf an!
dirk und ich wir haben öfters in kneipen die radikal verkauft - dirk war sich für keine arbeit zu fein.ich mochte dieses anpackende wesen.
eine größere gruppe unserer zeitung fuhr dann auch zur demo nach brokdorf.noch größer konnten aber unsere unterschiede nicht sein. es war meine erste größere demo. ich hatte mich geweigert einen motoradführerschein zu machen weil ich im hinterkopf hatte:so möchte ich nicht sterben. wenn ich sterbe soll es wenigstens einen sinn machen. ich hatte von einem flieger gehört, der seine maschine auf das anwesen eines herschers abstürzte. das imponierte mir und ich stellte mir vor, der hat vielleicht die diagnose krebs bekommen und hat sich sinnvoll verabschiedet! das wollte ich auch und hoffte nur, dass ich, wenn ich einmal dran bin, dann noch die entschlusskraft habe. bei der demo in brokdorf wurden allerdings gewaltige auseinandersetzungen vorausgesagt. also ging ich in einen laden für arbeitskleidung um mich mit allem auszurüsten, was ich meinte zu brauchen:wasserdichte kleidung , gasmaske, helm etc. nun war ich geschützt, aber ähnlich wie ein ritter zu seiner damaligen zeit, ich hätte nicht mehr wegrennen könnnen. zum glück haben mir die bullen, als sie mit maschinenpistolen vor dem grenzübergang auf uns warteten, alles abgenommen."zum glück haben sie den shit in meiner brieftasche nicht gefunden", sagte unserer fahrer. und ich war sauer ohne es auszusprechen:"nicht einmal bei so einer wichtigen strassenschlacht kann er auf seinen shit verzichten!" keinem von uns ist zum glück etwas passiert, so wurde es für uns zu einer rundum gelungenen angelegenheit.




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