TAZ 9.1.1985


Prozeß gegen Axel Simon
Knastblatt unter der Lupe
So quälend wie sich der Zeiger der großen Wanduhr mit minütlichem "Knack" dahinschleppte, zog sich aud der erste Verhandlungstag in Axel Simons Berufungsverfahren dahin.Nachdem knastblatt-Axel sein erstes rechtskräftiges Urteil von 16 Monaten Mitte Januar abgesessen haben wird, geht es jetzt vor dem Landgericht um den zweiten Urteilspacken aus der ersten Instanz: Sieben und neun Monate sowie ein bisher einmaliges Berufsverbot von zwei Jahren als Jounalist und Verleger wegen diverser Beleidigungen, Verunglimpfungen und Verstöße gegen das Pressegesetz.

Die Staatsanwaltschaft enblödete sich nicht, gegen dieses Urteil noch einmal in Berufung zu gehen, nicht genug der Satisfaktion. Axel, der seit September 1983 in Moabit in 23stündigem Einschluß schmort, wolte lieber nach Tegel. Angeblich zu seinem Schutz vor den dortigen Schließern wurde ihm diese Verlegung verwehrt. Axel mutmaßt, der sei hingegen seine zahrreichen Kontakte, die er zu den Knackis in Tegel habe. Seit über Jahr plagen ihn so starke Kopfschmerzen, daß er weder richtig lesen noch schreiben kann. Obwohl ihm eigentlich nach der Verbüßung von sechs Monaten Haft ein Ausgang zugestanden hätte, lie man Axel erst am 2. Januar- am Ende der Haftdauer- für acht Stunden raus. In dieser Zeit war er endlich einmal ohne Kopfschmerzen.
Am 29. Januar hat Axel die 16 Monate sowie zehn Tage Ordnungshaft begesessen. Aber seine lanjährige Knastarbeit wird noch Folgen haben. Die 14tägige Herausgabe des Knastblattes in einer Auflage von 15000 bis 25000 brachte die politische Staatsanwaltschaft immer wieder zu Schäumen. 50 Ermittlungsverfahren wegen Beleidigungen, Verunglimpfungen und Verstößen gegen das Pressegesetz wurden gegen ihn eingeleitet. Axel sagte kürzlich, er wäre natürlich lieber draußen, auf keinen Fall aber werde er sich von seinem Tun stistanzieren. Vor äußerte er sich zunächst noch gar nicht.
Der Staatsanwaltschaft waren die erstinstanzlichen Urteile noch nicht genug, blieben dort diverse Formulierungen wie "Staatsschmutz" und "Schlüsselknecht" ungesühnt, was sie in die Berufung trieb.
Die Staatsanwaltschaft handelt, so Axels Anwalt aus einem eben irrationalen Zwang heraus wie Axel. Dieser ist durch sein nimmermüdes Treiben bei einigen in den Ruf des Märtyrers gelangt und habe es regelrecht darauf angelegt, einzufahren, wie ihm nachgesagt wird.
Ob auch das Landgericht unter dem Vorsitz von richter Hoyer in kleinkarierter, verfolgungssüchtiger Manier die Axel zur Last gelegten Vorwürfe bestätigen und sanktionieren wird, ist der Spekulation überlassen. Vielleicht war das leichte Schmunzeln, welches gestern bei der Verlesung der Texte ab ud zu um Hoyers Mund spielte, ja lediglich eine Sinnestäuschung.
Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht die verschiedenen "Druckerzeugnisse" die gestern in einer endlosen Vorlesestunde zunächst einmal in Augenschein genommen wurden in seinem Urteil, mit dem am kommenden Dienstag zu rechnen ist, werten wird. Hier geht es nicht nur weitere 16 Monate Knast, sondern auch um ein Berufsverbot , das vom Amtsgericht gegen den Journalisten ud Verleger verhängt wurde.


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