während der Haft-über mich

als ich anfang der siebziger jahre den zusammenhang begriff , dass ich in diesem land nur leben kann, weil woanders 8 menschen verhungern (von 8 millarden menschen auf der welt hungern mehr als eine millarde) ,hatte ich für mich definiert:solange ich widerstand leiste habe ich eine berechigung zu leben. die folgen diese entscheidung waren mir sehr wohl klar:ich wußte, dass ich ein kürzeres leben habe, als andere menschen, vielleicht sogar ein ganz kurzes leben.was ich damals nicht richtig eingeschätzt -vielleicht nicht richtig einschätzen konnte- war, dass den artikeln, die über mich erschienen, ich offensichtlich zu verdanken habe, dass ich jetzt 56 jahre alt geworden bin.
die ersten drei artikel sind die aussagekräftigsten, der rest ist eine chronologische dokumentation.


DieTaz vom 4 9..84 zitiert einen seiner Bewacher:"Uff ene Art is det'n Held, ooch wenn er`n Spinner ist, weil der nich uffgibt, bei nüscht." "...er ist ein Michael Kohlhaas, einer, der den Schmerz nicht erträgt, die Welt in einer so ungeheuren Unordnung zu erblicken..." bemerkt Die Zeit im Oktober 1984 "Auf einer Gesamtauflage von mehr als einer Million haben es seine mehr als 60 Knastblätter gebracht, über 100000 Mark hat Ralf-Axel S. für die Knastarbeit ausgegeben. Das war nur möglich, weil er all die Jahre über als Zeitungsausträger des Berliner Tagesspiegel ein Nettoeinkommen von 2500 Mark im Monat erarbeitete und für seine persönlichen Bedürfnisse davon gerade mal den Sozialhilfesatz abzwackte. Er ist ein Unikum in der Szene, der "Knastblattaxel", schreibt die Zeit im März 1986
"Jemand, der durch seine beharrliche politische Arbeit die Staatsgewalt zur wutschnaubenden Raserei provoziert, der zwei Jahre Knast überstanden und sich durch Schach geistig am Leben gehalten hat, verkörpert für mich einen Mythos, wie direkt aus Stefan Zweigs berühmter 'Schachnovelle' entsprungen." Burghard Schröder in seinem Rowolt Taschenbuch "Unter Männern" "Über ihn wurde schon viel geschrieben, geredet und gerichtet." schreibt die Taz im Dezember 1987 "Wurde die Welt um ihn herum zu schlimm, spielte er Schach...Er war alles:König und Läufer, Turm und Bauer , ein "Leibeigener hinter Gittern" dazu.
Der 54-Jährige war ganz unten und weit oben - alles mit den Schachbrettfiguren. " Märkischer Markt im Oktober 2007

leider habe ich nur noch einen Bruchteil der erschienenen Artikel auftreiben können.
Auch, wenn ich mich in den meisten Artikeln nicht wiedergefunden fühlte, hat es mich nie gestört, wenn etwas falsches über mich geschrieben wurde, denn jeder Artikel war eine Aktie in meiner Lebensversicherung!
am deutlichsten wurde mir das im Knast:als Heiligabend 1984 der Knast auf eine absolute Notbeleuchtung zurückgefahren war, hat Dieter Kunzelmann mich besucht. Er war Abgeordneter im Berliner Senat und hatte von daher das Recht Gefangene jederzeit zu besuchen. Auch, wenn sich die Schließer bei mir darüber beklagten, und ich auch wußte, daß mich die Schließer als eine Bedrohung wahrnahmen (ich hatte bei einem Schliesser, der schon öfters Gefangene geschlagen und dann trotz Verletzungen ohne ärztliche Behandlung in den Bunker gesteckt hatte -da sich die Schließerkollegen aus falsch verstandener Kollegensolidarität so decken, daß man juristisch keine Chance hat, weil Gefangenenaussagen vor Gericht anders gewertet werden- ein Flugblatt gemacht mit der Vorfallsschilderung in der Wohngegend verteilt. Das führte dazu, daß der Schießer umziehen musste und seitdem keinen Gefangenen mehr angefaßt hat). Trotz dieses tiefen Hasses hatte ich bei den Schließern einen Respekt und durch die Öffentlichkeit einen Schutz, denn es hat mich keiner in der Zeit des Knastes angefasst, was sonst bei "anonymeren" Gefangenen Alltagsrealität ist.


(C) 2008 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken