TAZ 15.12.83


Szenen in Moabit
Ralf-Axel Simon, Ex-Knastblatt-Herausgeber und mittlerweil selbst Knacki in Moabit, hat die nachfolgenden Eindrücke vom "Innenleben" der Haftanstalt der taz übersandt. Wir dokumentieren seinen kurzen Bericht.
"samstag abend, kurz bevor der schließer rumgeht, durch den Spion sieht - ob der gefanene auch noch da ist - und in jeder zelle einzel das licht ausschaltet, höre ich, daß ein mitgefangener die fahne (notsignal) geschmissen hat. der übliche gang nimmt seinen lauf:nach einer ganzen weile kommt ein schließer an, bummert an die tür, guckt durch den spion und schreit:"was ist denn los?" der gefangene klagt über kopfschmerzen. ach dafür hat der schließer eine passende antwort:"tablette gibt`s nicht, ne dröhnung kannst du haben!arzt ooch nicht, denn da müßte ich ja telefonieren, der wohnt in rudow und ist gerade auf der mutter drauf!"
kurze zeit später strürmen drei shließer die zelle des gefangenen:"was, kopfschmerzen hast du? mach doch das fenster auf, dann bleibst du auch gesund." der gefangene sagt kein wort mehr, er weiß was für eine stunde geschlagen hat. wenn er jetzt nur ein wort von sich gibt, fühlen sich die schließer angegriffen - wie es dann nachher im dienstbuch heißt - der gefangene würde zusätzlich noch über andere schmerzen klagen müssen und sich obendrein im bunker wiederfinden. nach diesem "erlebnis"wagt der gefangene auch das ganze wochenende nicht mehr auf die fahne zu gehen. montag wird er dann versuchen, sich zum arzt vorzumelden. hinzugefügt m uß noch werden:draussen sin es -4 grad, d.h. ein fenster aufmachen ist garnicht möglich. selbst bei gechlossenem fenster kann man es nur mit einem pullover aushalten, weil es in allen zellen zieht und nicht genug geheizt ewird - vier heiungsrippen für einen raum sind wahrscheinlich viel zu wenig Ralf-Axel Simon!


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