Broschüre 2011

Ralf-Axel Simon

der Kampf gegen den Knast
war mein Kind-
Kinder werden bekanntlich
nie erwachsen











Für die gleichen worte für die sie mich einst
zu 28 monaten einzelhaft verurteilten...
bekam ich 2011 zum fünften mal den ingeborg-drewitz- literaturpreis-
eine komplette dokumentation aller prämierten texte
sind
eine genugtuende kühlung
meiner zum teil schon vernarbten
wunden!

Unkostenbeitrag: 2€
„der stein, den wir in die komandozentralen des kapitals werfen und der nierenstein, an dem ein anderer krankt sind austauschbar. Schützen wir uns vor nierensteinen!“
sozialistisches patentienkollektiv heidelberg

ralf-axel simon - das etwas andere leben
erlernter beruf:lehrer ausgeübter beruf:anarchist
1975 berufsverbot als lehrer - bis 1977arbeit in arbeiterkinderläden und aufbau der zeitung „radikal“ - im deutschen herbst beginn der arbeit gegen den knast,gegen eine justiz, die nur straft um zu rächen statt massnahmen zu ergreifen um verhalten zu ändern - 1978-83 herausgeber verleger und redakteur des „knastblattes“ - 1982 berufsverbot als journalist, verleger redakteur - 1983 achtzehn monate einzelhaft bei einer gesamtstrafe von zwei jahren vier monaten wegen „beleidigung von polizei und justiz“ im zusammenhang mit dem „knastblatt“ und insgesamt 2 monate zusatzknast wegen nichtaufstehens vor gericht - 1984 ablehnung der entlassung nach zwei drittel mit der überwältigenden begründung:ich hätte in der mündlichen verhandlung geäussert, ich wolle weiterhin gefangene betreuen, deshalb sei eine resozialisierung nicht möglich, so die gerichtigkeit - 1986-88 aufbau des vereins. „freiabonnements für gefangene e.v.“ und gleichzeitig eines zentralen büros für knastangelegenheiten - 1989-92 leben als schachprofi - 1990 1. literaturpreis für die gleichen worte für die sie mich einst verurteilten - 1990-2008 betreiben eines schachladens in berlin - 1992 erscheinen meine gedichte in italienischer sprache in einer anthologie über politische gefangene aus verschiedenen ländern (damals reichten meine sprachkenntnisse nicht aus - politische und soziale gefangene dürfen nicht gespalten werden in die sind berechtigt und die unberechtigt im knast) - 1994 erschien im scheunenverlag mein gesamtwerk:„eigentlich ist der knast mein leben!“ - 1995 2. literaturpreis - 1996 heirate ich zum zweiten mal diesmal eine bosnierin.die ehe soll einem menschen den lebensraum ermöglichen,den sie benötigt. Wir hatten zu keinem zeitpunkt eine sexuelle beziehung miteinander, streng genommen hätte das gesetz das auch verboten, denn eine sexuelle beziehung zu abhängigen verbietet das grundgesetz. es war eine gute ehe, denn meine durch den krieg schwer traumatisierte frau hat die chance -die sie nicht hatte- bewunderungswert genutzt um hier zu überleben. Sie ist jetzt deutsche. Die scheidung feiern wir ganz gross (aus mitleid für die menschen, die immer das falsche feiern z.b.die hochzeit) - 1996 erschienen meine gedichte in der anthologie „gittergedichte“ ebenfalls im scheunenverlag - 2000 3. literaturpreis - 2007 sind wir mit der fernschachmannschaft champions league sieger geworden , das ist quasi eine weltmeisterschaft - 2008 4. literaturpreis und seitdem lebe ich hartz IV. mein arbeitsberater stöhnd: „wir müssten noch bis zur rente 9 jahre miteinander auskommen.“ Was er nicht weiss:ich bekomme dann 83€ rente- immerhin im monat nicht im jahr - 2010 habe ich den offenbarungseid geleistet, seitdem fühle ich mich vogel-frei, es ist ein tolles gefühl den gerichtsvollzieher nach seinem verhalten behandeln zu können:wenn er freundlich ist bekommt er einen kaffee, wenn nicht fliegt er in hohem bogen raus -wahrscheinlich hat die politik das schon immer unter dem lebensgefühl „freiheit statt sozialismus“ verstanden - 2011 nun hat die jury meine 21 seitige magna carta der gefangenen (es war nur das gerüst, was ausgebaut werden sollte- aber unter zu lesen ist) abgelehnt und stattdessen ein gedicht prämiert, wo es ausschliesslich um würde nicht um gesellschaftliche veränderung geht.als wolle man einen zahnlosen ins alter gekommenen löwen zum abschied noch einmal streicheln. ich wünsche mir aus tiefstem herzen, dass ihr wenigstens nach meinem tod begreift, welch grosse diskussions-chance ihr verpasst habt...

„wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren.“ bert brecht

Presse über mein Leben:
DieTaz vom 4 9..84 zitiert einen meiner Bewacher:"Uff ene Art is det'n Held, ooch wenn er`n Spinner ist, weil der nich uffgibt, bei nüscht."

"...er ist ein Michael Kohlhaas, einer, der den Schmerz nicht erträgt, die Welt in einer so ungeheuren Unordnung zu erblicken..." bemerkt Die Zeit im Oktober 1984

"Jemand, der durch seine beharrliche politische Arbeit die Staatsgewalt zur wutschnaubenden Raserei provoziert, der zwei Jahre Knast überstanden und sich durch Schach geistig am Leben gehalten hat, verkörpert für mich einen Mythos, wie direkt aus Stefan Zweigs berühmter 'Schachnovelle' entsprungen." Burghard Schröder in seinem Rowolt Taschenbuch "Unter Männern"

"Über ihn wurde schon viel geschrieben, geredet und gerichtet." schreibt die Taz im Dezember 1987

Am 29. 7. 1990 schreibt Der Tagesspiegel: "...während Ralf-Axel Simons Gedichte in ihrer ironischen Kühle und poetischen Prägnanz sowohl an Gedichte Erich Frieds als auch
an einen häufig in Ingeborg Drewitz`Erzählungen anzutreffenden Tenor erinnern."

Wurde die Welt um ihn herum zu schlimm, spielte er Schach
Schach ist für Ralf-Axel Simon kein bloßes Hobby. Schach ist sein Leben - ...Er war alles:König und Läufer, Turm und Bauer , ein "Leibeigener hinter Gittern" dazu.“ schreibt der märkische Markt am 24.Oktober 2007

Als Ralf-Axel Simon in den 80er Jahren ins Gefängnis musste, half ihm das Schachspiel, seine Einzelhaft zu überwinden. Vor 17 Jahren richtete der geborene Berliner einen Schachladen ein und hat heute bundesweit die wohl umfangreichste Sammlung an Schachspielen und -literatur.“ schreibt die MOZ am 30.9.2009
Ich über mich:RALF-AXEL SIMON:"IN DEN AUGEN DES STAATES BIN ICH EIN TERRORIST -
IN DEN AUGEN MEINER FREUNDE EIN NARR
UMGEKEHRT WÄRE ES MIR MANCHMAL LIEBER!"

"in einer Welt, in der die Waren mehr Wert sind, als unser Leben, bewirkt die öffentliche Negation des Bestehenden manchmal mehr, als die Argumente in unseren Texten" aus dem Flugblatt :"für jede Räumung eine passende Antwort: 1 Mio. Sachschaden" von den autonomen Gruppen (gefunden in Kreuzberg im Juni 2011)













































Selbstverlag ralf-axel simon, albrechtstr. 111, 12167 berlin web:knastblattaxel.com
worte
waren in meinem leben
meine steine gegenihre modernen panzer


Inhaltsverzeichnis:
Inhaltsverzeichnis S. 21.Literaturpreis in Hamm 1990 S. 3
2. Literaturpreis in Leipzig 1995 S. 16
3. Literaturpreis in Dortmund 2000 S. 344. Literaturpreis in Dortmund 2008 S. 59
5. Literaturpreis in Bremen 2011 S. 82
Dokumentation der drei wichtigsten Presseartikel über mein Leben:
„Diese Wörter“ von Benny Härlin (aus:Die Tageszeitung vom 4.9.84) S. 109
Burghard Schröder in seinem Buch "Unter Männern- Brüder, Kumpel, Kameraden" Rowohlt Taschenbuch Nr. 1280: „SCHACH DEM STAATSANWALT!“ S. 119
„Ralf-Axel Simon hat einen einzigartigen Schachladen. Ein Leben mit König und Dame-500 Spiele und 5000 Fachbücher stapeln sich in den Regalen“ von Dirk Bunsen S.123

statt eines vorwortes:
in jungen jahren habe ich händeringend nach einem verlag gesucht – weil ich glaubte, dass meine schmerzen dadurch einen sinn bekämen, wenn ich sie anderen menschen mitteilen könnte. Jetzt habe ich einen bestimmten bekannheitsgrad, nicht zuletzt durch die 5 literaturpreise, so dass ich gleich verlagen absagen durfte, weil sie kein taschenbuch machen wollten (eine ähnliche freude empfindet man nur, wenn man lange jahre sich um kredite bemüht und dann zum schluss dem bänker sagen kann:“danke, jetzt ist es zu spät!“). der grund ist, dass ich eigentlich auch für meine freunde schreibe und meine freunde können sich die buchpreise allenfalls nach meinem tod, eben dann antiquarisch, leisten. da ich in meinem leben nie danach gestrebt habe „schöner zu wohnen“, oder durch kleidung meinen wert zu erhöhen, verzichte ich lieber auf eine klebebindung und den glanz auf meinem buch ... meine schriftstellerfreunde rümpfen die nase (die,die, wenn sie mich kennenlernen erst nach meinen verkaufszahlen fragen) aber ich möchte mich nicht bei den schriftstellerkollegen einreihen- ich möchte mich mit der welt nicht abfinden.






Frühjahr 1990 in Hamm:

zum ersten Mal wird der Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene verliehen. Aus 130 Texten werden 25 in der Anthologie:"Risse im Fegefeuer", Reiner Padligur-Verlag 1989,

ISBN 3-922957-22-6,Preis 16,80 DM, veröffentlicht.

Aus dem Vorwort des Schriftstellers Josef Reding (Jurymitglied):"...der Gedichtteil von Ralf-Axel Simon hätte auch in einem "normalen" Literaturwettbewerb unter professionellen Schriftstellern eine Chance auf einen der vorderen Plätze gehabt."


Meine Texte:



HORROR-TRAUM

MANCHMAL

TRÄUME ICH

MIT MEINEM RICHTER

MEINE ROLLE

ZU TAUSCHEN

ERSCHRECKT

WACHE ICH AUF

UND

BIN ERLEICHTERT



ZWEIFEL

WERDE ICH MICH

NACH ZWEI,DREI ODER VIER

JAHREN

ISOLATIONSHAFT

WIEDER

ERKENNEN?



WERDEN MICH

MEINE FREUNDE

DANN NOCH

MÖGEN?



WERDE ICH MICH

DRAUßEN

ZURECHTFINDEN?



BEIM ESSEN FASSEN

SEHE ICH

MEINEN ZELLENNACHBARN

ER HAT

LEBENSLÄNGLICH





BESUCH

VORHER:

ICH RENNE

3M VOR

2M ZUR SEITE

HIN UND HER

HER UND HIN

IMMER UMS KLO HERUM

DRUCK AUF DIE BLASE

ICH KANN NICHT

DABEI:

DER EISBROCKEN

TAUT AUF

ZU LANGSAM

ENDLICH:

DIE STIMMEN SIND SCHÖN

ICH KANN SPRECHEN

UND

"DIE HALBE STUNDE IST VORBEI"

EINE LETZTE UMARMUNG

ICH WILL

DICH

FESTHALTEN

NACHHER:

SCHMERZEN

IN MIR

NEBEN MIR

VOR MIR

UND DOCH:

DER TAG HAT

ZWEI TEILE

BEKOMMEN



TOTEN-SONNTAG

SONNTAG

TROSTLOS

KEINE POST

KEIN ARZT

KEINE CHANCE

MEINE ZELLE

ZU VERLASSEN

ABER

HEUTE

DER RUHETAG

DER SCHLÜSSELMACHT:

SIE SCHREIEN NICHT

AUF DEM GANG

SIE FAHREN NICHT

MIT IHREN SCHLÜSSELN

AUF DER HEIZUNG ENTLANG

SIE FILZEN KEINE ZELLEN



NORMAL-VOLLZUG

23 STUNDEN

ALLEIN

18 MONATE

LANG

KOPFSCHMERZEN

DER SCHLIEßER SCHREIT:

"DAS IST HIER NORMAL"

DER ANSTALTSARZT SAGT:

"DAS IST HIER NORMAL"

DER RICHTER BESTÄTIGT:

"DAS IST HIER NORMAL"



MAN KANN NICHT SAGEN

SIE WÜßTEN NICHT

WAS SIE TUN:

NORMAL-VOLLZUG



SPRACHE

DEN HAFTBEFEHL

NENNEN MEINE BEWACHER

LACHEND

MIETSVERTRAG

DIE ZELLE

ZIMMER IM HILTON-HOTEL

DIE STRAFERKARTE

PERSONALAUSWEIS



UND WERDEN WÜTEND

WENN ICH SIE

ALS SCHLIESSER

BEZEICHNE



PROZEß-TERMIN

WOCHENLANG GEFIEBERT

ENDLICH

AUS DER ISOLATION

AUFGETAUCHT



HINTER DER VERSCHLOSSENEN TÜR

EURE STIMMEN

ICH MÖCHTE EUCH SEHEN

EURE WÄRME SPÜREN



TERMINVERSCHIEBUNG

AUS DER AUFGEBLASENEN HOFFNUNG

STRÖMT DIE LUFT HERAUS



ABER IHR WARD DA

DIESES GEFÜHL

MÖCHTE ICH

NICHT MISSEN



SELBST-MORD

GEFANGENE

VERTEILEN DAS ESSEN

GEFANGENE

BAUEN DIE SCHLÖSSER

GEFANGENE

SCHMIEDEN DIE GITTER

GEFANGENE

MAUERN ZELLE UM ZELLE



PARAGRAPH 3 STRAFVOLLZUGSGESETZ:

DAS LEBEN

SOLL DEN LEBENSVERHÄLTNISSEN

DRAUßEN

SOWEIT WIE MÖGLICH

ANGEPAßT WERDEN



ENDE DER NACHT

Dutta, der Pakistani, zwei Zellen weiter, wimmerte die ganze Nacht vor Schmerzen. Laute, die selbst diese 50 cm dicken Verließmauern durchdrangen und sich wie Messerstiche in Karls Hirn festsetzten, bevor sie ohne Echo verhallten. Aufgepeitscht lief Karl in seiner Zelle hin und her. Gelegentlich sahen die Beamten nach Dutta. "Du lebst ja noch", meckerte einer, und Karl hörte den erbarmungslosen Knall der zuschlagenden Tür. Sie hatten keine Lust, sich in ihrer Skatrunde stören zu lassen. Schon gar nicht von einem Ausländer.

Gegen Morgen verlegten sie Dutta. Trotzdem konnte Karl kein Auge mehr zu tun. Er dachte an Achmede, dessen Akte sie vorgestern geschlossen haben:"nach Nachtverlegung an einer einfachen Blinddarmendzündung verstorben".

Fast erleichtert hört Karl aus der Ferne den stechenden Schritt, der sich, mit dem Klappen des Spions von Zellentür zu Zellentür tastend nähert:5.30 Uhr, der Knast-Tag beginnt. Endlich! Diese einsamen Nächte sind am schlimmsten für ihn. Karl schließt die Augen und wartet, gleich wird der Beamte seine Zelle erreichen.

Das Scheinwerferlicht wird von außen angeschaltet. Das Grelle schmerzt selbst durch die geschlossenen Augen. Karl hört das Klappern des Spions und reagiert nicht. Der Schließer bummert mit voller Kraft an die Tür. Trotz aller Konzentration fährt Karl hoch. Wütend pfeffert er seinen Schlappen gegen diese panzerschrankähnliche, nur 1,75m hohe Tür.

Manchmal weiß er nicht, was ihn mehr ärgert: dieses Gefühl, wieder versagt zu haben, oder die Wut über die Menschen, die in altbewährter Befehlsabhängigkeit ihn in den Käfig sperren. Zurück bleibt nur das Nachklickern des Spions und dieser stechende Schritt, der sich unter Schlüsselklappern wieder entfernt.

Erst jetzt registriert Karl, warum seine Augen so weh tun. Der Schließer hat heute -Versehen oder Schikane?- nicht die vierzig-Watt-Birne angeschaltet, sondern den Scheinwerfer über der Stahltür, das Licht für die Flucht- und Selbstmordgefährdeten. Alle zwei Stunden, in besonders schweren Fällen sogar alle halbe Stunde, werden sie damit geweckt, wie Alfred in der Nachbarzelle, dem der Anstaltsarzt den schwarzen Punkt verschrieb. Das Zeichen für die Schließer, viermal während der Nacht das Scheinwerferlicht aufzublenden und laut an die Zellentür zu schlagen. Seit etwa einem Monat beobachtet Karl, wie Alfred von Tag zu Tag zerfällt. In seinem Gesicht breiten sich Wut, Bitterkeit und Apathie aus.

Karl richtet sich auf, seine Füße berühren den mit dunkelbrauner Farbe angestrichenen Betonfußboden. Er spürt nur eisige Kälte. Die vier zentral geheizten Rippen geben viel zu wenig Wärme ab um selbst diesen kleinen Raum warm zu halten. Zumal das Fenster nicht richtig schließt und im Winter sowieso des öfteren gespart wird. "Kälte und Wärme gleichen sich aus", hatte ihm einmal ein Schließer grinsend erklärt, als er moniert hatte, daß die Heizung im Sommer auf Hochtouren lief. Wenn er nicht tatsächlich so fröre, hätte er über diese Logik vielleicht lachen können.

Karls Augen wandern umher, suchen nach etwas Erfreulichem, wofür das Aufstehen lohnt. Sie bleiben angewiedert an `Bello' hängen, direkt neben der Tür, vom Spion aus gut einsehbar. Er haßt dieses versyphte Klobecken, auf dem nur ein abgegriffener Holzdeckel liegt. Daß eine Klobrille zum unerreichbaren Luxus wird, hätte er sich früher niemals denken können. Das Kacken vollbringt er im gebeugten Stehen, was bei aller Verkrampfung wenigstens eine Gymnastikübung ersetzt.

Oberhalb von `Bello', fest in die Wand eingemauert, befindet sich ein kleiner Knopf, das Notsignal oder im Knastdeutsch `die Fahne'. Darunter hat ein Gefangener geschrieben:"Willst du den Schließer ficken, mußt du diesen Knopf hier drücken". Daneben steht:"Willst du Tabak haben, mußt du den Kellner fragen". Die auf der abgebröckelten Farbe der Wände dokumentierte Wut, Verzweiflung, Freude verleiht Karl manchmal die Kraft, trotz Einzelhaft nicht alleine zu sein, auch, weil er weiß, daß der Gefangene achthundert DM für die Renovierung der Zelle bezahlen muß, bei einem durchschnittlichen Stundenverdienst von einer Dm.

Über dem Bett erblicken Karl`s Augen seinen mit Zahnpasta geschriebenen Lieblingsspruch von Nazim Hikmet:"es geht nicht darum gefangen zu sein, sondern darum, sich nicht zu ergeben!" "Oh,Mann!", schießt es ihm durch den Kopf. Manchmal ist es schwer, die Nackenschläge wegzustecken, dieser so tötenden Eintönigkeit neuen Mut entgegenzusetzen und nicht den in die Wand eingelassenen Spiegel, das kleine Bücherbord, den Stuhl, den Tisch, den Schrank, sein Bett in Einzelteile zu zerlegen.

Karls Augen streifen den blauen Behördenbrief auf seinem Schreibtisch. Eine Rechnung der Justizkasse:917,10 DM soll er dafür zahlen, daß sie ihn zu 16 Monaten Freiheitsentzug verurteilt haben. Gestern, beim Erhalt der Rechnung, stieg noch diese von Tag zu Tag zunehmende Wut in ihm hoch. Heute hat er sich damit abgefunden. Direkt neben dem Brief liegt seine Versicherung, eine Rasierklinge. Sein Vorgänger hat das Fensterkreuz genommen, generalstabsmäßig geplant, denn auch ihn hatten sie nachts alle zwei Stunden auf ein Lebenszeichen hin kontrolliert. Dabei hatte er seinen Abgang mitgeteilt: mit einem Pfeil zum Fensterkreuz schrieb er auf die Wand "zum Henker". Das eingeleitete Ermittlungsverfahren, wegen Sachbeschädigung, war ein Jahr später eingestellt worden, weil es sich, wie das Gericht meinte, "in der Hauptsache erledigt", hätte. "Noch habe ich mich unter Kontrolle, noch habe ich die Hoffnung, einmal entlassen zu werden. Aber wenn ich lebenslänglich hätte...", denkt Karl grimmig.

Karl steigt auf den Stuhl, öffnet das Fenster direkt unter der Decke mit der Dreifachvergitterung und genießt den Ausblick auf den noch dunklen Hof. Bis vor kurzem lag er auf einer dieser `Sicherheitszellen', wo das Fenster zusätzlich mit einem engen Drahtgeflecht und einer dicken Metallplatte mit lauter kleinen Löchern versehen ist. Dreck und Staub verwandeln das ursprünglich durchsichtige Glas in eine Art Milchglas -diese `Erfindung'ist nicht zu putzen- was auch tagsüber künstliche Beleuchtung notwendig macht. Die Scheinwerfer leuchten auf das alte Wärterhäuschen im Hof, der durch fünf Meter hohe Mauern mit zwei Rollen Natodraht darauf eingegrenzt ist. Karl hat sich umgehört, immer wenn ihn in Schüben anfallartig Fluchtgedanken angesprungen haben:Moabit soll eine der sichersten Anstalten in Europa sein. Überall am Rand sieht er Ratten flitzen und er freut sich darüber, daß diese kleinen Biester ihren Lebensraum in dieser `Sicherheit und Ordnung' behaupten.

"Kontaktaufnahme mit anderen Gefangenen ist verboten", hört Karl einen Schließer hochschreien. Sein Zeigefinger schnellt an seine Stirn, bevor er das Fenster schließt. Beim Heruntersteigen sieht er, wie der Schließer , die Nummer die außen unter seinem Fenster steht, durch das Funkgerät spricht. In ihm steigt diese Angst hoch. Er ist schon einmal bei seiner Einlieferung verprügelt worden. Damals hatte er am Fenster geredet, der Schließer hatte sofort Alarm gegeben. Angeblich hatte Karl ihn angegriffen. Nun gilt es, viel Zeit wird ihm nicht bleiben, bis sie kommen. Karl nimmt den Holzdeckel vom Klo ab und setzt sich auf den versyphten Beckenrand. "Einen nackten Mann mit heruntergelassener Hose werden sie doch nicht verprügeln!" versichert er sich monoton. Gleich werden sie mit fünf Schließern - die Nacht über bis zum ersten Aufschluß dürfen sie nie alleine die Zelle betreten- sich vor ihm aufbauen mit ihren Bäuchen, nach Alkohol stinkend, werden ihn provozieren, ihn buffen. Und wenn er verspricht, es nicht noch einmal zu tun, nur seinen Stuhl herausnehmen!


Karl hört, wie der Riegel zurückgeschoben, der Schlüssel ins Schloß gestochen wird. Ein kleiner, schmächtiger Mann in grauer Dienstuniform betritt seine Zelle. Karl hat ihn noch nie gesehen und leicht irritiert glaubt er, in seinen lebhaften Augen Verlegenheit zu spüren. "Der kann noch nicht lange bei Justizia sein Brot verdienen", schießt es ihm durch den Kopf. "Sie haben am Fenster geredet. Verstehe ich ja, aber der Kollege im Hof nimmt es sehr genau. Halten sie sich zurück, sonst kann ich Ihnen meine Kollegen nicht ersparen!". Und bevor Karl seine Verduztheit überwunden hat, verschwindet der Beamte.

Draußen auf dem Gang hört Karl das Öffnen und hastige Schliessen einer Nachbarzelle, dabei ein knappes "Scheiße!", gefolgt von hektischem Rennen auf dem Gang und dem lauten Ruf "Cäsar 2, Hänger!". Nach einer Weile rennen mehrere Schließer zu Mohameds Zelle. Sie öffnen die Tür und von den scharrenden Geräuschen ahnt Karl, daß sie erst jetzt den Gefangenen vom Fensterkreuz abnehmen. Etwas später weiß Karl von dem Aufeinanderschlagen von Eisen auf Eisen, daß die Sanitäter mit der Bahre eingetroffen sind. "Sag dem Popen Bescheid, er soll die Familie benachrichtigen und den Richter anrufen, wegen der Ersatzfreiheitsstrafe!". "Jetzt ist wenigstens Ruhe", hört Karl die Schließer meckern, "der hat mindestens fünfmal die Fahne geschmissen, heut Nacht. Hab`nachher gar nicht mehr gefragt, was er will. Hab` nur die Fahne noch reingedrückt."

Karl hört an den schweren, trampelnden Schritten, wie sie Mohamed auf der Bahre wegschleppen. Er rennt unruhig in seiner kleinen Zelle hin und her. Es war eine entsetzliche Nacht. Eine von vielen. "Hotelvollzug", denkt Karl bitter.






Der zweite Literaturpreis verliehen in Leipzig 1995

meine Rede:
"eigentlich ist heute das gefängnis der einzige aufenthalt für anständige leute!" hat schon denker 1916, anläßlich liebknechts verhaftung, festgestellt.

in der tat werden in ökonomischen krisenzeiten immer mehr haftplätze gebaut. die geschichte hat gezeigt, daß vorhandene haftplätze auch belegt werden. und sei es mit solchen menschen,wie meinem zellennachbarn: er hatte den kaufhauskonzern karstadt um 1,95 dm erleichtert und mußte dafür ein halbes jahr untersuchungshaft absitzen.

in solchen zeiten, in denen die herrschenden die mauern immer höher planen, wächst unsere aufgabe die mauern brüchig zu schreiben. dieses buch ist sicher nicht der tropfen, der das faß zum überlaufen bringen kann, aber hoffentlich einer, der dieses faß mitfüllt.

bei allen meinen texten sollte man/frau berücksichtigen,daß ich ein priviligierter gefangener war:ich hatte viele liebe menschen, die meinen weg begleiteten. andere gefangene werden in diesem hoffnungslosen unterfangen - die seele nicht von den sekündlichen,stündlichen,jahre-langen demütigungen auffressen zu lassen-alleine gelassen.

schreiben war für mich auch im knast ein ventil,ein wahnsinnig wichtiges ventil, bekamen doch schmerzen, indem ich sie mitteilte, einen sinn-und dieser ingeborg-drewitz-literatur-preis ist im nachhinein eine genugtuende kühlung meiner zum teil schon vernarbten wunden.

meine texte gehen in zwei richtungen:

1.ich klage an, weil es keine rechtfertigung gibt menschen, wegen welchen deliktes auch immer, in käfige zu sperren, um sie als zeitbomben zu entlassen. ich kämpfe für eine justiz, die maßnahmen ergreift, um verhalten zu verändern, nicht hinrichtet um zu rächen. und ich kämpfe für gesetze, die nicht den armen mann hängen, damit der reiche im weißen hemd besser seine geschäfte machen kann.

2. ich möchte euch, denen ich die erfahrung knast voraus habe, vermitteln, daß es ein leben mit dieser alltäglichen folter knast gibt. und ich möchte euch beweisen, daß es leichter ist gegen die gitter in der zelle anzugehen, als die tief verankerten gitter in uns drin zu entwurzeln. also:lieber knast riskieren, als alles in sich hineinfressen und sich mit einer krankheit begnügen.

"diese gesetze haben der menschheit keinen deut gerechtigkeit gebracht", lebensweisheiten von dem schriftsteller karl krauss, die heute ihre gültigkeit nicht verloren haben, deshalb zeigt zivilcourage: brecht diese gesetze wo ihr sie trefft - gesetzlose aller länder vereinigt euch!

Meine beitrag:

szenen einer einzelhaft

„die eigene pflicht tut man nicht, damit einem jemand dankbar ist – man tut sie aus prinzip, für sich selbst, für die eigene würde.“ alecros panagulis

für Horst Rackow, der sich nach 2 Jahren einzelhaft erhängte

dienstag 4.OKTOBER

die weichen sind gestellt:an meiner zellentür steht einzel-hofgang und von hand zu hand - ich werde keinen gefangenen mehr sehen, nicht im warteraum des arztes, nicht in der besucher-zelle -nirgendwo. auch der liebe gott ist für mich nicht mehr zu sprechen (ausgleichende gerechtigkeit:er hat mich schon lange nicht mehr erreichen können).

der grund:bei der eingangsuntersuchung wollte ich mich nicht der strahlenbelastung einer lungen-röntgung unterziehen, sondern bestand auf den von der weltgesundheitsorganisation empfohlenen tuberkulintest.

ob es sich lohnt? wäre es nicht klüger, sich solange am ufer festzuhalten, bis der strom nachläßt?? ich muß dieser anstaltsordnung etwas entgegen-setzen!!



mittwoch 5.oktober

wenn der haß nur einer der schließer überquillt, nachts, wenn ich schlafe, ob sie anschließend rausbekommen wer es war?

ich habe mit mir einen vertrag geschlossen:wenn alles zu schlimm wird (diese freiheit möchte ich haben!) werde ich mir die pulsadern aufschneiden (ein mitgefangener hat mir erzählt,
daß so eine entspannte müdigkeit entsteht, wenn das blut herausläuft!). aber zwischen entschluß und ausführung müssen mindestens zwei wochen liegen - versprochen!



donnerstag 6. oktober

die ratten in grau zerwühlen während meiner freistunde meine zelle. das bett steht mitten im raum, das laken abgezogen, die matratze aufgewühlt, die sachen von meinem tisch verstreut und alles aus dem schrank heraus-gewühlt. sogar mein selbstgebautes schachspiel liegt auf dem boden. das papier , auf dem ich mir das brett aufgemalt habe, ist von fußabdrücken übersät. die schwarzen figuren (aus der rinde des brotes) und die weißen figuren (aus dem weichbrot) liegen im ganzen raum zerstreut.



freitag 7. oktober

ich rede mit meinem neuen nachbarn fast zwei stunden am fenster - es tut gut menschen zu treffen. als alter knasthase kann er mir viele tricks verraten.



montag 10. oktober

die gesamte post wird vom sicherheitsbüro geöffnet und mit einer extra verschlußmarke verklebt. ich bekomme die briefe bis zu zwei wochen verspätet - manche auch gar nicht!



dienstag 11. oktober

der hofarbeiter, mit dem ich vorgestern während der freistunde nur kurz redete, wurde anschließend vom vollzugsdienstleiter
verwarnt. wenn er noch einmal mit mir spricht, wird er seinen job los, dann hängt er wieder 23 stunden auf der zelle. (hat mir micha, mein zellenachbar,erzählt) zum glück ist das hier noch ein alter knast - in den neuen haben sie sägezahnfassaden eingebaut, da ist das sprechen am fenster unmöglich.



mittwoch 12. oktober

morgens beim aufschluß beantrage ich gallekost mit dem anstaltseigenen formular, vormelder genannt. "sie müssen ein arztformular nehmen!", gibt er mir den vormelder zurück. den kann ich nun frühestens morgen rausgeben, für heute ist der abgabetermin verstrichen.

samstag 15. oktober

beim abendbrot-fassen (abendbrot gibt es immer um 15 uhr) sage ich "guten abend". eine halbe minute später höre ich: "oh, entschuldigung, ich war in gedanken". es ist das erste mal, daß sich ein schließer bei mir entschuldigt.



sonntag 16. oktober

seit einer woche werde ich mit anderen gefangenen heraus-geführt. reden darf ich nicht, dann wird die freistunde abgebrochen-die versuchung ist groß! aber in dem moment, wo ich merke, daß diese gemeinheit eine verordnete ist, bestärkt sie mich in meiner grundhaltung!



dienstag 18. oktober

am nachmittag reiten sie zu viert bei mir ein, wegen unerlaubter kontaktaufnahme. sie fassen mich aber nicht an,nehmen nur meinen stuhl mit, damit ich nicht mehr an das zellenfenster komme. andere gefangene in der gleichen situation wären sicher in den bunker abgegangen. bei mir scheuen sie die öffentlickeit - ich hätte vorher nicht gedacht, daß das, in dieser zentrale der willkür, eine macht ist!

absurd- ich entdecke überall bei den schließern neben dem tiefen haß doch eine nicht ausgesprochene akzeptanz.

habe jetzt eine neue variante der gefangenenkommunikation entdeckt:wenn ich das wasser aus dem kloknie mit dem aufwischlappen sauge, kann ich mich über die kanalisation mit einem kollegen unter oder über mir unterhalten. es ist so deutlich wie ein haustelefon. nur das quieken der ratten stört.



freitag 28. oktober

die gemeinsame freistunde, das entspannte lachen, die freude den ärger zu teilen , das vermisse ich.

ich habe beschlossen mir einen tagesrythmus zu geben-ich muß dieser fremdbestimmung meine eigene ordnung entgegensetzen- keinen regiden aber einen disziplinierten:

5.30 das licht wird von außen angeschaltet

6.15 erster aufschluß, mülleimer leeren + vormelder (die anstalts-eigenen formulare) abgeben

6.30 frühstück fassen

7.00 schachtraining

1 stunde hofgang, davon 30min dauerlauf

12.00 mittagessen

14.30 autogenes training

15.00 abendbrot

15.30 nachteinschluß

16.00 beschwerden und vormelder schreiben

wenn ich meinen tagesplan schaffe, belohne ich mich mit einem brief. alle briefe werden nicht gleich gelesen, sondern gesammelt.



montag 7. november

seit gestern ist mein zellenachbar nicht mehr ansprechbar:die staatsanwaltschaft hat 14 jahre gefordert



sonntag 13.november

sonntag: akustische notbeleuchtung auf den gängen aber dafür keine angst vor zellenfilzungen.

manchmal fühle ich mich richtig wohl. wenn ich im normalvollzug geblieben wäre, hätte ich dieses gefühl -die haftbedingungen zu unterlaufen, dieses sichere gefühl nie wirklich ohnmächtig zu sein- nicht erlebt. auch dieses beschäftigen mit dem schach, der welt auf den 64 feldern, die die reale welt oft tage vergessen macht, gibt mir eine unabhängigkeit, die ich nicht mehr missen möchte.



dienstag 6. dezember

mitten in mein autogenes training sticht der schlüssel und der sani ruft:"krankenhaus". ich bin ärgerlich -ich hatte keinen vormelder geschrieben- und ich lasse mich ungern mitten in meinem strandbild mit den dünen stören.





"tuberkulintest" erklärt der sani. er redet so vor sich hin, als er uns vorbei an der zentrale über den b-flügel ins haftkrankenhaus schließt:"weiß gar nicht, was sie gegen die röntgenuntersuchung haben, die strahlenbelastung ist weniger als, wenn sie auf einem achttausender stehen!" "ja,ja, ich gebe dir recht. ich weiß auch nicht, was manche menschen so haben gegen die beamten, sie tuen doch nichts!"

ich muß kaum warten, bevor ein junger symphathischer arzt eine große spritze in meinen unterarm reinjagt - sein theorethisches examen bezweifele ich nicht - dieses siegesgefühl, schon bald aus der isolationshaft herauszukommen, verdeckt den kurzen schmerz. "muß noch zweimal gemacht werden", beendet der arzt unser unverhofftes rendezvous.




mittwoch 7. dezember

der zahnarzt hat mir gestern zwei zähne gezogen. als ich heute abend noch blute, gehe ich auf das notsignal. nach einer halben stunde belehrt mich ein schließer durch den spion:"du hast sieben liter blut - die behandlung hat noch morgen früh zeit, wenn mein kollege dienst hat!"



donnerstag 8. dezember

tuberkulintest zweiter teil. dieser arzt heute versteht sein handwerk - warum ist der bloß in den knast gegangen?

bisher alles o.k.



freitag 9. Dezember

schließerschikane:der wachhabende verbietet mir zu laufen. ich laufe trotzdem. es wird alarm gegeben und eskortiert von der sicherheitstruppe werde ich zurück in meine zelle verfrachtet.



montag 12. dezember

tuberklintest dritter teil:wieder der nette arzt, als er sich unbeobachtet fühlt sagt er:"ich persönlich ziehe den tuberkulintest auch vor!"



mittwoch 13. dezember

der gleiche schließer wie am freitag- aber diesmal passiert nichts. zwar ist die dienstaufsichtsbeschwerde, die ich eingeleitet habe (mich kostet sie 10 minuten arbeitszeit, der anstalt zusammengerechnet mindestens 2 stunden!) wie juristen sagen: formlos, fristlos, fruchtlos, aber sie erzielt trotzalledem eine wirkung, denn, er muß antworten, schriftlich und wenn er an schriftsätze gewöhnt wäre, hätte er nicht schließer werden müssen.



freitag 16. dezember

der tuberkulintest ist negativ. wenn jetzt auch das blutbild o.k. ist, verspricht die anstalt mich aus der isolation zu entlassen.

der nette arzt zwinkert mir zu "wenn wir bei allen gefangenen einen tuberkulintest durchführen müßten, bräche der ganze betrieb hier zusammen!"



mittwoch 21. dezember

beim runden laufen sehe ich oben auf der station ein kinder-gesicht, es wird kaum älter als 14 jahre sein, ab 14 wird man straffähig.

ich habe ihn die letzten tage gesehen, mal füttert er die tauben, mal redet er mit den mitgefangenen, die meiste zeit aber steht er nur vor seinem fenster, die hände durch das gitter gesteckt, dahinter gefaltet und stiert mit traurigem blick in den hof. wenn sie mich mit vierzehn weihnachten in den knast gesteckt hätten, dann hätte ich mir anschließend das genommen, was mir fehlt ohne rücksicht auf die bankangestellten - die den großen helden spielen wollen und das verteidigen, was ihnen nicht einmal gehört!



donnerstag 22. dezember

der schließer legt einen kleinen verkrüppelten fichtenzweig auf den holzdeckel meines klos und befiehlt:"damit schmücken sie ihre zelle aus!" mein erstauntes gesicht beantwortet er mit:"das bekommt jeder gefangene!"



samstag 24. dezember

weihnachten bedeutet:keine freistunde, ruhe auf dem gang, keine angst vor einer zellen-filzung und licht bis tief in die nacht. die statistische selbstmordstimmung der gefangenen beantworten die schließer damit, daß sie heute viel netter sind.



donnerstag 29.dezember

heute habe ich prozeß - die öde des alltags wird durchbrochen.
um halb acht uhr wollen sie mich schon zum gericht holen. das machen sie immer so:selbst, wenn du erst nachmittags termin hast, sperren sie dich bis zu deiner aburteilung in 1-quadratmeter große wartezellen.

mir geht es gut und ich möchte einmal ausprobieren, was passiert, wenn die dummen kälber nicht pünktlich zu ihrer schlachtung kommen.

"ich hatte noch keine freistunde" versuche ich dem schließer zu erklären.


nach zwei stunden erscheint tommi, mein anwalt. er hätte noch eine gnadenfrist vor der zwangsvorführung herausgeholt, um mich zur vernunft zu bringen. mittelweile aber habe ich kein problem mehr, die freistunde hatte ich gerade abgehalten.

es vergeht einige zeit, bevor ich ins gericht geführt werde. nur für fünf minuten, denn die verhandlung wird danach vertagt.

es war heute ein spannender und erlebnisreicher tag. schließlich kann ich noch 10 minuten im gerichtssaal mit meinen eltern und meiner schwester reden, die eigens zum prozeß angereist sind.



freitag 30. 12

urteilsverkündigung. (ich werde diesmal nicht in die 1 quadratmeter großen wartezellen verfrachtet, sondern gleich der richterin vorgeführt). die richterin verhängt weitere 10 monate haft: zwar leidet der angeklagte sichtlich unter der haft, doch hat sich seine haltung zur justiz nicht verändert, deshalb ohne bewährung.

als ich mitten in der urteilsbegründung aufstehe, mir den schwachsinn nicht weiter anhören und nach hause auf meine zelle geschlossen werden möchte, erhalte ich noch einmal 10 tage ordnungshaft wegen "menschlicher unreife" - die richterin hätte sich soviel mühe gegeben bei der urteilsbegründung.

eigentlich hatte ich bei diesem indizien-prozeß mit einem freispruch gerechnet. das genick gebrochen hat mir das hauptindiz:in der prozeßerklärung hatte ich "garnicht" zusammen geschrieben, genauso, wie auf dem flugblatt gegen den neubau der auf sicherheitsniveau gebauten haftplätze, mit einem fahndungsplakat inclusive wohnadressen, der für diesen bau verantwortlichen.

daß ich diese 100000 flugblätter mit freunden von dem baugerüst der gedächtniskirche geworfen hatte, haben sie mir nicht nachweisen können - die bullen waren zu langsam. und die passanten sprachen von einem mann mit bart und langen haaren - aber das war auch die e
i

literaturpreis verliehen 2008 in dortmund
meine rede:
aus:Anne Alex-Dietrich Kalkan (HG.) "ausgesteuert-ausgegrenzt ...angeblich asozial"
AG Spag 1. Auflage 2009 ISBN 978-3-930830-56-5

Ich wollte immer Sand im Getriebe der Macht sein ... (Rede von Ralf-Axel Simon zur Preisverleihung in Dortmund am 8.6.2008.Volländiger Titel:ich wollte immer Sand im Getriebe der Macht sein ...jetzt bin ich in den Augen des Staates ein Terrorist , in den Augen meiner Freunde ein Narr - umgekehrt wäre es mir manchmal lieber!)

Mit 22 Jahren trennte ich mich von diesem Staat einvernehmlich: die Behörde beantwortete meine Zweifel an der Lernfabrik Schule -die Lernen vom Erleben trennt, um in Herschaft einzuüben-mit Berufsverbot. wir waren damals viele,die leben wollten! mit 29 Jahren verhängte die Strafjustiz gegen mich Berufsverbot als Journalist - ich drehte mich um, denn ein Journalist beschreibt die Welt- ich wollte sie verändern. Meinen 30. Geburtstag feierte ich in strenger Einzelhaft. -28 Monate Knast für Worte war mein Triumph über diese Schein-Demokratie und mein Entlassungsschein mein Diplom für mein ganz persönliches Examen. Mit 37 Jahren bekam ich für die gleichen Worte, zu denen mich Justizia -im Namen des Volkes- zu 18 Monaten Einzelhaft verdonnert hatte, diesmal -im Namen des Literaturvolkes- den Ingeborg Drewitz Literaturpreis für Gefangene. Ich musste meinem Freund P.P. Zahl zustimmen: das sollen die Völker unter sich ausmachen, und mich da rauslassen! mit 41 Jahren, beim zweiten Literaturpreis, erhielten meine Schmerzen, dadurch, daß ich sie einer größeren Öffentlichkeit mitteilen konnte nachträglich einen Sinn. mit 47 jahren, beim dritten mal - ich war gerade auf dem weg zum zug zur preisverleihung- da bettelt jemand an der u-bahn ?haste mal ne`Mark oder nen Euroscheck?? er sah meine kaputten hosen und sagte mitleidig:?ich geb´dir nen Bier aus!? Ich kam spät aber nicht zu spät zur Preisverleihung, aber dieses Bier lang war für mich eine wichtige Auszeit: abgesehen davon , dass ich mich angenommen fühlte, ohne dass ich gleich die scheere im kopf hatte:vor welchen karren will er mich spannen,welchen karren will ich ziehen, so wurde plötzlich die Erinnerung aus der Einzelhaft präsent. Damals hatte ich ein gedicht in die hände bekommen:ich möchte so gern ein narr sein, dann könnte ich der welt sagen, was ich von ihr halte, keiner würde sich an seine eigene nase fassen, jeder würde nur sagen ein narr ein narr, welch ein vergnügen, und so würden sie sich selbst belügen?. damals, wo jedes wort gegen die herschenden mit zusatzknast bestraft wurde (ich bekam allein wegen nichtaufstehens vor gericht 2 monate Haft) damals war dieses gedicht für mich ein traum. Heute, wo die Faschisten wieder aus ihren löchern herauskriechen und jugendlichen Emigranten , die ihr Trauma aus den Kriegsgebieten mitbringen, die Zigarette aus dem maul schlagen , in dem wiedererstarkten selbstbewustsein für die Einhaltung der neuen weltordnung zu sorgen, heute , wo eine öffentliche Diskussion um eine Justiz, die nicht straft um zu rächen, sondern maßnahmen ergreift, um verhalten zu verändern, nicht mehr möglich ist, heute habe ich doch wenigstens eins erreicht:ich bin ein narr! Das macht mich zufrieden - nicht glücklich. der dritte Literaturpreis wurde eine genugtuende Kühlung meiner zum teil schon vernarbten Wunden. Heute mit 55 Jahren beim vierten Literaturpreis, erinnere ich mich an den gutgemeinten Rat meiner Freunde : ?du mußt deinen Kummer ertränken!? Rieten sie mir vor meiner Haft. Seit meiner Haft habe ich nur noch ein Problem:wie bekomme ich die Verantwortlichen ins Wasser ! und wenn mich heutzutage zeitungen politiker oder auch knastdirektoren beglückwünschen , dann beruhige ich mich damit, daß alle welt nur höflich sein will, und sie ganz sicher nicht mich als person meinen. mit dem gefühl, wenn ich von den herschenden gelobt werde, sofort daran zu denken:was hast du wieder falsch gemacht, damit lerne ich zu leben. zumal literatur für mich so eine art menschliche oase in einer welt war wo eigentlich der mensch nur die funktion hat träger der gewinnmaximierung zu sein. mein selbstverständnis kam arg ins wanken, als mein ehemaliger mithäftling peter jürgen boock, der mit seinem roman der abgang in sensibler und beeindruckender art und weise die hintergründe des bewaffneten kampfes beschrieb. als dieser mensch, mit den wölfen heulte und seine ehemaligen weggenossen aufs schwerste belastete. wenn jemand im knast ist, also in einer absolut erpressbaren situation , habe ich ein gewisses verständnis, aber wenn jemand schon entlassen ist und die aussagen macht, um noch etwas judasgeld abzustauben , kann ich nur mit brechts worten antworten:was ist das für eine zeit, wo man zum literaten benannt sich schämend abwenden muß, weil diese gesellschaft nur die leistung würdigt, wie sich jemand verhält ist zweitrangig und wird immer wieder durch die leistung entschuldigt.ich hatte schon in jungen jahren aufgegeben, nach einer gerechtigkeit zu suchen, weil der gerechtigtkeitsbegriff zufällige erfahrungen als voraussetzung hat und die interessen verschleiert, so daß sich jeder mensch hinter diesem begriff verstecken kann. schon karl kraus hatte festgestellt:diese gesetze haben keinen deut gerechtigkeit gebracht!.ein kleiner seitenhieb an den schrimherrn und unseren lieblingsstrafrechtler prof. müller-dietz:ich habe sicher großen respekt vor ihrem lebenswerk, aber sie müssen sich dem vorwurf stellen, daß sie generationen von juristen das alibi gegeben haben in diesem staat zu funktionieren. allein das wort humaner strafvollzug, ist der etikettenschwindel des jahrhunderts. Denn mit strafvollzug meint jeder freiheitsentzug , und freiheitsentzug ist nur ein anderes wort für die traumatisierung von menschen, mit dem ziel die identität zu brechen, durch das wort human soll folter den anschein einer legalisierung bekommen, damit soll folter schwerer angreifbar gemacht werden. Heute wird den gefangenen menschen nicht mehr das ohr abgeschnitten oder das auge ausgestochen, es wird ihnen aber die möglichkeit genommen mit den augen etwas zu sehen oder mit den ohren etwas zu hören, so daß diese organe gezielt verkümmern. Amnesty international hat dies als weisse folter gebrandmarkt. knast bleibt in allen ländern der welt ein traumatisches erlebnis, die folterinstrumente wurden sauberer und damit unangreifbarer. Ich habe oft mit zukünftigen richtern , staatsanwälten, anwälten an der uni über die tatsache diskutiert , daß alle jurtisten zu aller zeit - perverserweise immer im namen des volkes - ihre verbrechen an der menschheit verübt haben, es wurde mir als letztes argument ihr kommentar zum strafvollzugsgestz entgegengeschleudert. Daß das strafvollzugsgesetz eigentlich kein gesetz, sondern nur eine auf papier gebrachte wunschvorstellung ist, machen die äußerungen der strafvollzugsrichter deutlich:die gesetzlich vorgeschiebene aussetzung meiner haftstrafe nach verbüßung von zwei dritteln wurde vom gericht abgelehnt mit der überwältigenden begründung:ich hätte in der mündlichen verhandlung geäußert, ich wolle weiterhin gefangene betreuen, deshalb sei eine resozialisierung nicht möglich ! Daß der strafvollzugsrichter dies sogar schriftlich so formulierte, zeigt, welche unangreifbare positon er hat. Zu einem kollegen von mir hat er gesagt:?sie wollen also entlassen werden? sie sehen doch schon aus, wie ein verbrecher!?obwohl dies eine große tageszeitung zitiert hat, und dem nicht öffentlich widersprochen wurde, hatte es für den strafvollzugsrichter keinerlei konsequenzen. ich habe vor ihrem engagement im strafvollzug herr müller dietz sicher eine menschliche hochachtung, ich wäre auch jederzeit bereit mit ihnen oder jedem anderen dafür zu kämpfen die hölle etwas erträglicher zu machen, und ich bin auch willens für die zeit jedes aktionsbündnisses mich auf die gemeinsamkeiten zu konzentrieren und nicht die unterschiede zu diskutieren. aber jeder, der betroffen ist, wird nicht das lebensziel haben, in der hölle kleine asbestwände zu ziehen. Das ist übrigends auch der grund warum die knastbewegung seit jahrzehnten fordert, daß menschen, die über tod und leben entscheiden, wie die strafrichter wenigstens ein jahr knasterfahrung vorzuweisen hätten, vielleicht würden dann die strafrichter ein gefühl für ihr handeln entwickeln und sähen einen fall nicht nur als eine intellektuelle herausforderung..dann wäre es für mich auch ein zumindest anerkannter beruf. ich muss sogar noch weiter gehen als karl kraus: diese gesetze dienen als gesamtpaket dazu die armen immer ärmer und die reichen immer reicher zu machen (der vergewaltiger wird langsam gehängt damit die pornoindustrie in ruhe seine geschäfte machen kann). Über die tatsache, dass bei den juristen und bei den theologen an den unibibliotheken am meisten geklaut wird, gibt es genug statistiken es zeigt zumindest, daß die theologen und juristen die eigentlichen kriminellen sind,nur schade, daß sie sich nicht dazu bekennen, und stattdessen wie die wahnwitzigen gegen schwarzfahrer und mundräuber wettern, aber gleichzeitig die koffer voller geld nach lichtenstein bringen . Da halte ich mich doch lieber an meinen alten freund hans, der gelernter bankräuber ist. ich freue mich jedes mal , wenn ihm ein coup gelingt und das geld auf mehrere schultern verteilt wird , denn der erfolgsweg einer jeden bank ist mit leichen gepflastert , jede bank ist ein mörderisches unternehmen. auch wenn die zwanzig jahre knast, die mein freund mittlerweile nur dafür abgemacht hat, für mich ein zu hoher preis wäre -hans hat es für sein leben akzeptiert.trotz meiner staatsverachtenden gesinnung bin ich immerhin 55 jahre geworden- es gibt kaum ein land, was mich nicht hingerichtet hätte. da ich im vorfeld bereit war diesen preis zu zahlen, genieße ich jetzt meine kür , ich vergesse aber auch nicht in solch einem staat zu leben, der etliche meiner freunde und weggenossen bei der festnahme einfach abgeschossen, oder im knast begraben hat. Schon denker hatte 1919 bei liebknechts verhaftung festgestellt, was auch heute noch seine uneingeschränkte gültigkeit besitzt:?eigentlich ist das gefängnis der einzige aufenthalt für anständige leute?.aber hier mache ich durchaus einen unterschied zum faschismus, obwohl tucholski richtig festgestellt hat, daß demokratie und faschismus zwei seiten einer medailie sind:der faschismus vernichtet andersdenkende, die demokratie ( was ja streng genommen bei uns keine demokratie ist,denn wir entscheiden ja nicht von unten nach oben, sondern wir haben nur die wahl unsere schlächter selber zu wählen-mit dem süßlichen nebengeschmack, daß, wenn das volk richtig wählen würde, diese herschaftsform durch eine andere ersetzt werden würde) die demokratie versucht mit aller gewalt die andersdenkenden, die die profitmaximierung hemmen, zu brechen und nimmt dabei billigend in kauf die menschen zu töten. erst, wenn die andersdenkenden sich nicht einmal in ihre staatstragende rolle als abschreckendes beispiel einfügen, werden sie vom system zum abschuss freigegen, wie am beispiel ulrike meinhoffs und der raf deutlich wird.wenn ich heute eine leseung mache (da hat sich viel im vergleich zu früher verändert.- früher gab es öfters diese anfragen sich mit knast auseinanderzusetzen), sind es meist gruppen, die einer minderheit angehören und die angst haben, selbst betroffen zu sein. dementsprechend wollen sie nur moralische unterstützung, daß sie nicht in den knast gehören, aber für die anderen wird knast gefordert. ich fühle mich sehr an ein gedicht von martin niemöller erinnert:als die herschenden die drogenkranken holten,habe ich geschwiegen ich war ja nicht drogenabhängig , als sie die ladendiebe holten, habe ich geschweigen, ich hatte ja nur die steuer betrogen, und das war nicht einmal herausgekommenals sie mich holten, gab es keinen mehr, der dagegen noch hätte protestieren können!und es zeigt mir, das sich in deutschland nicht so viel verändert hat, auch heute würde die bevölkerung einen faschismus tragen der einzige unterschied.es gibt keine wirtschafliche notwendigkeit einen faschismus von oben zu installieren, so ernüchternd die erste erkenntnis ist, desto mehr beruhigt die zweite.trotzalledem freue ich mich heute hier zu sein. im letzten jahr bin ich nach fünjähriger arbeit mit meiner mannschaft im fernschach champions league sieger geworden, das ist quasi eine weltmeisterschaft. das hat mich befriedigt, weil eine lange arbeit abgeschlossen war. heute hier zu sein ist mir dagegen ein ehre.schließlich sind wir alle mal vor vierzig jahren ausgezogen unter dem motto:es gibt keinen sinn menschen in schließfächer zu sperren, um sie als zeitbomben zu entlassen. dieses schiff war ungeheuren orkanen ausgesetzt, manche mitglieder der besatzung sind einfach über bord gegangen, andere haben sich an land absetzen lassen, weil sie diesen stress nicht mehr ausgehalten haben. aber heute sind alle ,die dieses schiff noch fahrtüchtig halten, hier, obwohl das motto unserer fahne so verblichen ist, daß es nirgendwo mehr diskutiert werden kann, nicht einmal bei den grünen. ich möchte das ein wenig konkreter machen: ich bewundere regina merkel von der gefangeneninitiatve dortmund, sie hat mit ihrer organisation etwas erreicht, was ich damals nicht für möglich gehalten hätte. ich bewundere prof. johannes feest vom strafvollzugsarchiv in bremen, der uns allen immer wieder über diese jahrzehnte mit seinen rechtlichen hinweisen ganz viel mut und seiner menschlichen art ganz viel kraft gegeben hat. und ich bewundere prof. helmut koch und nicola keßler, die mit ihrer sammelstelle für gefangenenliteratur, den geschundenen dieser kultur ein sprachrohr verschafft haben. etwas privates möchte ich noch hinzuzufügen:ich freue mich daß meine mutter und meine schwester, mich nicht nur im knast mit ganzer kraft unterstützten, sondern auch heute hier sind,neu ergänzt durch meinen adoptivsohn .es ist schön, daß es euch alle gibt!euch alle hier zu sehen ist wie meine eigene beerdigung zu feiern , an der ich selbst teilnehmen darf , wo nicht über mich geredet wird, sondern mit mir über mein leben diskutiert wird - was besseres kann mir nicht mehr passieren!! denn es wird unser lachen sein, was die herrschenden begräbt.(rede von ralf-axel simon zur preisverleihung in dortmund am 8.6.2008)

zuerst abgedruckt Dezember 2008 in der Sonderausgabe vom telegraph Heft 116/117





mein beitrag:
ralf-axel simon:moral ist der arglistige versuch der herschenden...
...den ohnmächtigen einzureden,wir säßen alle in einem boot – eine völlig unmoralische zusammenfassung von einem jahr leben in haft.

hafttagdas fahrzeug fährt in den hof des polizeigefängnisses. Gerd kennt diesen ort. Die einschneidenden schmerzen der handschellen begleiten das sichere geühl: nichts geht mehr. Vorhin hatte er die beiden bullen, die ihn verhafteten, gebeten die handschellen zu lockern. Der bulle hatte das nochmalige anziehen der handschellen damit kommentiert:“wir sind hier nicht im mädchenpensionat!“ halb gezogen, halb von seinen eigenen beinen getragen huscht ein zufriedenes lächeln über sein gesicht. „diese dellen am äußeren des fahrzeugs stammen aus den hochzeiten der hausbesetzungen, wo die order für polizeiwagen – kreuzberg zu meiden – über den bullenfunk kam. Leider dauerte es nur ein paar stunden.“ es war zu dem zeitpunkt, als auf darauf folgende 1. mai-demonstationen zuerst kaisers, dann aldi „sozialisiert“ wurden, wie es in der fachsprache der sprache hieß. Auf den wänden der ruine von kaisers war noch jahre das ergebnis zu lesen: aldi gegen kaisers 1:1. „vielleicht habe ich sogar einige der dellen selbst verursacht“, stellt gerd beruhigt fest.
Gerd wird in den ersten stock zu erkennungsdienstlichen behandlung einem dicken väterlichen typ übergeben, den er nicht unsymphatisch findet, gerd lächelt in die kamera. Freundlich erscheinende fahndungsfotos sind bei einer erneuten verhaftung ein wichtiger beitrag für seine lebensversicherung.
Als gerd nicht einsieht, warum er unterschreiben soll, wird der freundliche bulle persönlich: “ich werde nicht befördert, wenn du nicht unterschreibst.“ - „das tut mir aber leid“, kontert gerd, „aber ich besorge dir gerne einen vernünftigen job!“
gerds rechter daumen wird zuerst auf ein stempelkissen und dann auf ein stück papier gedrückt. Beim druck auf das papier zuckt gerd ein wenig. „v erwackelte fingerabdrücke sind wertlos“, weiß gerd. „wir machen solange weiter, bis es klappt“, stellt der ein bisschen mürrisch gewordene bulle seine geduld zur schau. Etwa beim hundersten ungültigen abdruck verschwindet er fuchsteufelswild und verspricht:“wir holen uns die fingerabdrücke mit der knebelkette!“ gerd denkt, dass er den ersten bullen geschafft hat. Diese übermächtige macht mit seiner eigenen kraft durcheinandergewirbelt zu haben wie einen wildgewordenen hühnerhaufen, setzt neue kräfte in ihm frei.
Als sich zwei junge bullen für gerd zuständig erklären, weiß er, dass er in professionellen händen ist. Er kennt diese methode aus dem ddr-knast: einem brutalen bullen wird ein sensibler zur seite gestellt. Während der brutaleihm die knebelkette (eine eisenkette mit jeweils einem knebel an den enden) um das handgelenk legt und durch drehen der knebel den druck auf das handgelenk erhöht, lässt er dem sensiblen noch ein paar momente, um auf seine art zum ziel zu kommen: „das ist doch völlig unsinng, wir zerquetschen dir das handgelenk, hier, wo die ganzen nerven sich sammeln, und am ende kriegen wir doch, was wir wollen.“ gerd fühlt sich stark und trotzug. „wir brauchen schließlich diese fingerabdrücke“, gibt der sensible den spielball zurück an den brutalen. Die muster der kette bohren sich in gerds handgelenk:zerquetsch ihm die knochen“, hört er den sensiblen bullen rufen, bevor er ohnmächtig zusammensinkt.
„wir haben uns schon sehr zurückgehalten“, sind die ersten worte des sensiblen, die wieder in gerds bewusstsein dringen. „bei einem verbrecher hätten wir voll durchgedrückt!“ und flüsternd fügt er hinzu:“war doch nicht nötig, wir tun doch auch nur unsere pflicht.“
die nächste halbe stunde darf gerd auf der bahre seinen kreislauf zurückholen, bevor er das geschwollene handgelenk unter wasser kühlt.
Als er in sein anderes gebäude zur aufnahme geschickt wird, fühlt er sich gut. Er spürt, dass er sich bei seinen feinden respekt verschafft hat.
Sie nehmen ihm alles ab:gürtel, schnürsenkel, armbanduhr, einfach alles. Er muss sich entkleiden und es wird ihm ausgiebig in den arsch geguckt. Für einen moment bereut er nicht auf kommando einen ziehen lassen zu können, einen von dieser kräftigen sorte, die ihm sonst so peinlich sind. Ohne schnürsenkel schieben sie ihn für die nacht in die 3qm große zelle. Sie besteht aus einem an der wand hochklappbaren bett. In heruntergeklappten zustand stößt die mit kot verzierte schaumgummimadratze an ihrem unteren ende an die stahltür. Am oberen ende, direkt unter der decke, befindet sich eine kleine öffnung - fenster wäre geprahlt – totalvergittert. Gerd geht auf den kleinen knopf neben der sicherheitstür:die fahne . Nach zehn minuten kommt ein bulle angeschlichen und führt ihn in die gegenüberliegende toilette.
An schlaf ist nicht zu denken. Die vergangenheit hat ihn überholt. Auch, wenn gerd als hafterfahren gilt – er geht , wenn er den ddr-knast mitrechnet, schon in sein 9. haftjahr – die einlieferung ist immer die schmerzlichste erfahrung, vor zehn jahren haben sie ihn nach einem fluchtversuch das erste mal in den knast gesteckt. Die verhörmethoden waren sicher brutaler, aber die eigentlichen haftbedingungen empfand er – und nicht nur er – als angenehmer, weil die gefangenen untereinander eine gemeinschaft bildeten.
Als er dann endlich ausreisen durfte – freigekauft vom westen – wurde er im ka-de-we ohnmächtig. Sicher hatte es mit dem überangebot zu tun. Er war in großem mangel aufgewachsen und hatte ihn überlebt, und jetzt dieses warenangebot...aber er war auch vor allem enttäuscht, enttäuscht über seine eigene dummheit, dass er dafür sein leben aufs spiel gesetzt hatte. Obendrein hatte er das gefühl die liebgewonnenen menschen zu hause, die sich wenigstens noch um andere kümmerten, verraten zu haben, weil das umfeld in der neuen gesellschaft kalt und berechnend war. „Wer a sagt, muss auch b sagen“, verdrängte er seine gefühle, und mit brecht unter dem arm („was ist ein banküberfall gegen die gründung einer bank?“), mit einer spielzeugpistole und mit einem kumpel zusammen nahm er sein schicksal selbst in die hand. Gerd hoffte nur, dass er es nicht mit verrückten zu tun bekommen würde:er hat diese menschen, die einem bankräuber hinterherlaufen, ihr eigenes leben riskieren für fremdes geld (geld, welches sie, wenn sie mal richtig überlegen würden, viel lieber in der hand des bankräubers als in der hand des bankdirektors sehen müssten!), nie verstanden, er ist fest der überzeugung, wenn eine therapie irgendwelchen nutzen hätte, dann bei diesen menschen.
Ende zwanzigjährigen fehlt es an der nötigen sorgfalt: als fluchtfahrzeug benutzten sie ihre eigene schrottmühle mit geklauten kennzeichen. Dummerweise hielt das neue kennzeichen hinten nicht, so dass sie vorne mit dem geklauten und hinten mit ihrem eigenen kennzeichen durch berlin fuhren. Da es vor der bank auch noch parkplatzprobleme gab und sie sich sowieso nicht lange aufhalten wollten, stellten sie den wagen auf dem notparkplatz ab. Just in dem moment, als sie in der bank um geld bettelten, ärgerte sich der notarzt darüber, dass sein parkplatz belegt war und registirerte die unterschiedlichen kennzeichen.
Gerd wurde von den bullen schon zu hause erwartet. sieben jahre knast, davon sechs jahre abgemacht und das restliche jahr auf vier jahre bewährung.
Wieder in freiheit, kaufte er sich einen alten wagen und wollte das nachholen, was ihm vorenthalten worden war. Allerdings reichte die sozialhilfe nicht, um die sehnsucht nach der ferne zu stillen. Gerd wurde erwischt, als er von einem lkw diesel abfüllte für seine schrottmühle. Bewährungswiderruf. Und das ist der jetzige stand:für ein jahr ist die zelle sein zu hause.
Das licht wird ausgemacht. Gerd geht auf die fahne und erhascht bei dem anschließenden toilettengang einen blick auf die uhr:21 uhr

2.hafttag kurz nach fünf wird das licht angeschaltet und der etagenkellner schreit:“aufstehen, betten abziehen!“ gerd klappt das bett hoch und setzt sich auf einen 20 cm breiten und 30 cm langen pint, bevor er die bettwäsche eintauschen kann gegen zwei mit pflanzenfett geschmierte klappstullen, mit einer tasse muckefuckkaffee und einem töpfchen marmelade versüßt.
Nach dem mittagessen – leberzirrhose mit kartoffelpüree – kommt freude auf:verschubung in den richtigen knast nach „mauerbit“.
Als gerd mit der minna durch etliche tore in moabit einzeit, fühlt er sich heimisch: den ersten schock der verhaftung hat er überwunden, hier sind die schließer zuvorkommender und gerd hat eine perspektive, er wird schon das beste daraus machen. Frisch geduscht, verbringt er eine nacht auf der zugangszelle, auch seuche oder arrestzelle genannt:völlig gekachelt, das scheinwerferlicht über der stahltür leuchtet den raum aus. Das klo ist in einen betonsockel eingelassen



hafttagmit genüsslich frühstücken ist nichts. Gerd wird angeschrieen, sein bettzeug abzuliefern. „privatsachen zusammenpacken, es geht auf transit!“ den sprachgebrauch bestimmen immer die herrschenden.
Fünf gefangene menschen versammeln sich vorne an der zentrale, bevor sie von einer nach pisse stinkenden wartezelle zur nächsten getrieben werden. Dazwischen das eingangsröntgen im haftkrankenhaus. Zurück in dem haus mit den vielen schließfächern, wird gerd zum nächsten raum getrieben. Über dem eingang hängt ein schild „durchleuchtungsraum“, darunter der handschriftliche hinweis „arschmeisterei“. Ein schließer durchleuchtet mit einem gerät gerds klamotten, während ein anderer in alter handwerklicher art jede öffnung an gerds nacktem körper ausgiebig untersucht. „dazu muss man auch geboren sein“, denkt gerd. Ein dritter schließer begutachtet alles, trägt die verantwortung, warum soll es hier drinnen im käfig auch anders sein als draußen? Vielleicht ist es alles nur internsiver und klarer, vielleicht ist der knast das mikroskopische bild der gesellschaft, die schule der nation, oder wie tucholsky sagte:“wer seinen staat kennenlernen will, muss in seinen gefängnissen gesessen haben.“ und wenn gerd nachdenkt fällt ihm auf, dass sich die ost- und westknäste so doll nicht unterscheiden. Schließlich gibt es drüben schon lange keinen sozialismus mehr.
Gerd kommt die durchsucherei wie ein schmierentheater vor. Alle beteiligten wissen, das das rauschgift über den wäsche- oder lebensmitteltransport eingeschleust wird oder über die schließer selber, die von der knastmafia erpresst werden. Die verantwortlichen demonstrieren aktivität im kampf gegen das rauschgift, ohne den rauschgifthandel zu gefährden, denn schließlich sind auch zugedrückte gefangene ruhige gefangene.
Zurück in der elenden wartezelle wird gerd der eingangsuntersuchung zugeführt. Ein junger arzt fragt, ob gerd krank sei, der arzt wird vom senator für justiz bezahlt – er untersteht nicht dem senator für gesundheit - ansonsten hätte er vielleicht nach seiner gesundheit gefragt. „er wäre sicherlich nicht anstaltsarzt geworden, wenn er etwas von medizin verstünde“, brubbelt gerd vor sich hin.
Der vormittag ist vorbei, als letztes geht es zur hauskammer in den keller. Drei decken ergeben sein bündel:1 paar socken, 1 hemd. 1 unterhemd, 1 unterhose, 1 jacke, 2 taschentücher, 2 geschirtücher, 2 frotteehandtücher, 1 zahnbecher, 1 zahnbürste, 1 zahnpasta, 1 tasse, 1 schüssel, 1 frühstücksbrett, 1 teller, 1 löffel (groß und klein), eine gabel. Gerd soll alles quittieren.
Schwer atmend trägt gerd sein bündel an der zentrale vorbei, von der fünf flügel sternförmig abgehen, und hoch in die dritte etage, zelle b332.
Um 15 uhr gibt es abendbrot, um 16 uhr dann nachteinschluss, letzter kontakt zu einem, der aussieht wie ein mensch, aber sich nicht so benimmt. Und gerd nimmt die einzige gelegenheit wahr, sich papier und bleistift zu besorgen. Nun beginnt eine der vielen langen nächte. In seiner schönsten schrift schreibt er aus dem gedächtnis sein lieblingsgedicht ab:...trotz aller isolierung, ketten, urteile
folterer
musst du wissen
meine zelle ist schwanger
folterer
ich habe deine zelle befruchtet
folterer
gestern nacht und
deine zelle wird gebären
folterer
eine hoffnung
von dem maler riveros gomez
der am 7. Juli 1981 von der geheimpolizei
in chile gefoltert und ermordet wurde

gerd klebt das gedicht mit zahnpasta direkt neben das vergitterte fenster, nun ist diese versyffte zelle seine heimat.

hafttagendlich ist er zur ruhe gekommen. Das ist sein zu hause im nächsten jahr, das sind die spielregeln, mit denen muss er klarkommen, mit denen will er spielen. „ich will diese zeit nutzen, nicht nur absitzen!“, schwört er sich.

10.hafttag
an die 23 stunden allein auf der zelle hat gerd sich gewöhnt. Er macht den lautsprecher aus und redet mit sich selbst. Plötzlich hält er inne und schämt sich:“ich bin doch nicht verrückt!“ doch nach kurzem nachdenken fragt er:“warum eigentlich nicht?“ er erinnert sich an die karikatur eines auf dem turm sitzenden wärters. Bildunterschrift:“seitdem ich schizophren bin, geht es mir gut!“ gerd beschließt sich einen menschen zu schaffen, mit dem er über die haft reden kann.
Weiblich soll das wesen schon sein, nicht wegen des geschlechts, sondern wegen der sozialisation. Diese ganze welt wurde von männern aufgebaut – auch der knast ist potenzierte männliche logik. Gerd braucht eine moralisch zweifelnde instanz. „gute nacht patrizia“, sagt er in die stille der nacht, ein bisschen stolz auf seinen genialen einfall. Schließlich passiert es nicht oft, dass man sich wie gott fühlt. Dann dreht er sich zum einschlafen um.

hafttaggerd hört einen pfiff, dazu einen lauten ruf „cäsar 3“, denkt er. Nach hektischem türenschlagen kommt die trampelnde herde immer näher. Jetzt scheinen auch die letzten schließer vor seiner zelle angekommen zu sein. Er kann ihren atem hören. Ein kurzes sammeln, bevor der schlüssel ins schloss gestoßen wird. Kurze zeit später schmerzensschreie, die an das winseln eines hundes erinnern. Dazwischen wütende rufe:“dafür, dass du die braut noch einmal überfahren hast, als sie schon tot war!“ - „schrei ruhig, bei dir hört keiner zu!“ „den kopf runterdrücken, runterdrücken!“
die nach hilfe rufenden schreie entfernen sich, bevor sie ohne echo verhallen. Für einen moment ist gerd erleichert, dass der kelch an ihm vorübergegangen ist, bevor er ohnmächtig gegen die tür schlägt und unruhig in seinem käfig hin und her läuft.
Pünktlich um 15 uhr, als wäre nichts geschehen, schreit der kalfaktor:“cäsar 3, abendbrot.“ - „dem kinderficker haben sie richtig eingeschenkt“, schwärmt der kalfaktor, den sie wegen seiner bulligen statur „zuhälter“ nennen. „im bunker ging es erst richig los! So jemand, der `ne gute braut einfach sinnlos ausgeknipst hat, der gehört einen kopf kürzer gemacht, ohne verhandlung.“ - „wenn jemand wählen könnte, würde er sich sicher nicht so ein schicksal aussuchen“, sagt patrizia, während gerd drei scheiben brot auf seinen teller geschmissen bekommt, suchen seine augen neugierig den blick des schließers. „was war los?“ - „der hatte eine große schnauze, da mussten wir ihn verlegen.“ gerd möchte ungern streit bekommen, denn der schließer scheint mit seinen tätowierten armen baugleich mit dem „zuhälter“
„hättest dir auch nicht vorstellen können, dass du mit dem ungeheuer auf einer seite sein wirst“, sagt patrizia, als sie wieder alleine sind. Gerd fühlt sich unwohl, aber auf der seite der zuhälter kann er doch nicht stehen, und solange die täter opfer sind, muss er sie verteidigen und täter, die krank sind, sind eigentlich auch keine täter. So hat er wenigstens für heute den gordischen knoten gelöst.
Das ungeheuer wird jetzt im keller mit seinen blutergüssen und blauen flecken liegen ,sich nach einem lieben wort sehnen, wie sich jeder mensch, wenn er schmerzen hat und krank ist, danach sehnt umsorgt zu werden, vielleicht ist dass auch der sinn der krankheit.
Stattdessen wird er in diesem bunker aus beton und stahl, wo man jegliche selbstständigkeit schon im vorraum abgeben muss, sogar die klospülung wird von außen und nur nach lust und laune der schließer geregelt, verwahrt in einem raum, der von plus 60 grad bis minus 30 grad willkürlich beheizbar ist, kein guter ort für kranke menschen. Schließlich geht es nicht um schuld, sondern darum, wie was verhindert werden kann. Aber eine justiz, die maßnahmen verhängt um verhalten zu verändern, muss erst geboren werden, setzt eine menschlichere gesellschaft voraus, eine gesellschaft, in der der mensch, nicht der profit im vordergrund steht.

19.hafttag
es ist gerade 18 uhr. Pünktlich macht der schließer seine runde, sieht durch den spion einer jeden zelle. Ihn interessiert, ob der gefangene noch lebt, nicht , wie es ihm geht. Gerd weiß, das ist das letzte mal an diesem tag. Von jetzt ab fühlt er sich nicht gerade unbewacht, aber doch unbeobachtet. Ein rhythmisches klopfen an der wand erregt seine aufmerksamkeit. Er ist hellwach. Er hat das gefühl nur für diese wenigen momente zu leben:ob der schließer sich in seine zelle bewegt, ob die filzer ihm etwas anhängen wollen. Er muss immer topfit sein, die nächste gelegenheit, sein anliegen einzubringen, hat er erst tage, manchmal wochen später. Das klopfen kann gerd nicht orten. Jedes geräusch klingt wie neben ihm und doch so weit entfernt. Gerd rast zum fenster unter der decke mit der dreifachvergitterung. Er zieht sich an den gittern hoch, der hof scheint ziemlich ruhig zu sein. Seit drei tagen hat ein schließer dienst, der jedes sprechen am fenster meldet. Dann reiten sie bei dir mit vier mann ein, buffen dich, provozieren dich und wenn du viel glück hast, nehmen sie nur deinen stuhl mit, denn sprechen am fenster ist verboten und wird teilweise mit bunker bestraft. Nein, es ist unwahrscheinlich, dass ihn am fenster jemand verlangt. Bleibt die einzige möglichkeit über die kanalisation. Gerd schnappt sich den aufwischlappen und saugt damit das wasser aus dem kloknie. Er hat das noch nie gemacht, kennt es nur von kollegenschilderungen und wundert sich darüber, dass es ganz einfach geht. Kurze zeit später hört er eine stimme, nicht unsympathisch, ein bischen hektisch:“spielst du schach?“ gerd ist erstaunt, in dieser atmosphäre einen gleichgesinnten zu treffen. In seiner jugend in der ddr galt er als supertalent. Auch, wenn er sich schon bald aus der schachszene verabschiedet hatte, so behielt das schachspiel für ihn eine ganz eigenständige bedeutung:es ging nicht ums spielen - das gewinnen im spiel war für ihn nur das salz in der suppe, das schachspiel galt ihm als wissenschaft, in der er nach neuen eröffnungswegen suchen, neue zugfolgen austüfteln konnte, ohne dass er angst haben musste, seine forschungsergebnisse könnten für irgendwelche kapitalistischen oder gar kriegsinteressen missbraucht werden. Dass schachspielen eine brotlose kunst ist, damit hatte er sich abgefunden. Aber es gab ihm in jeder situation die sicherheit:er konnte sich – selbst hier im knast – so beschäftigen, dass ihm nie langweilig wurde, oder sich sogar aus dieser welt herausziehen, bis er die reale welt für eine zeit nicht mehr wahrnahm.

hafttagder tag hat plötzlich für gerd einen rhythmus bekommen. Er freut sich auf den abend, an dem er seinen leidensgenossen an der kloschüssel trifft und wo sie, wenn sie sonst nichts zu reden haben, ein paar schachzüge austauschen. Als um 18 uhr der schließer für heute voraussichtlich das vorletzte mal die lebendkontrolle durch den spion macht, ist es diesmal gerd, der an die decke klopft. Alf erzählt bereitwillig:“ich habe in der ersten instanz zwei jahre und neun monate bekommen, als ersttäter. Ich kam von einer zechtour, sah in meinen kühlschrank und bin mit meiner fünfzig jahre alten pistole zur nächsten nachttankstelle getorkelt, wollte etwas gegen meine arbeitslosigkeit tun. Der tankwart hielt es für einen scherz, griff in meine pistole, worauf ein stück abbrach und ich wieder nach hause dackelte.
Irgendwie kommt gerd die geschichte bekannt vor, er glaubt diesen fall schon einmal gehört zu haben. „selbst wenn er nicht seinen eigenen fall erzählt“, sagt patrizia, „dann ist dieser fall trotzdem eine riesige sauerei“, und zerstört damit gerds misstrauen.

hafttag„ich lese gerade ein tolles buch von oriana falaci:ein mann“, sagt alf durch die kloschüssel. „es schildert den kampf eines gefangenen, der wegen eines misslungenen attentats auf den monarchen anfangs zum tode verurteilt, dann aber zu lebenslänglich begnadigt wurde. Der gefangene entwickelt selbst in der dunkelhaft noch möglichkeiten sich zu wehren. Jede nacht schreit er, dass der anstaltsleiter schwul ist, solange, bis dieser es leid ist und ihn wieder in den normalvollzug verlegt. Du bekommst das gefühl, es gibt keine situation, die so trostlos ist, dass man keine perspektive entwickeln kann. Aber dieses selbstbewusstsein kann man nur haben, wenn man keine schwierigkeiten mit seiner tat hat.“ gerd ist begeistert, nicht nur einen leidensgenossen, sondern einen gesinnungsgenossen gefunden zu haben. Sie verabreden sich in zwei tagen, denn dann hat alf das buch ausgelesen und wird es an gerd weitergeben.

hafttagzwei tage vorfreude steigern die spannung ins unerträglich. Endlich nach dem nachteinschluss, das klopfen und alfs stimme:“ich kann dir heute das buch nicht runtergeben, es ist zu gefährlich. Aber ich habe erfahren, dass nächste woche der gutmütige schließer trumdienst hat. Du weißt schon, der dicke, der immer besoffen ist!“ gerd ist im ersten moment maßlos enttäuscht, lässt sich aber nichts anmerken. Er möchte das buch jetzt haben und würde auch ein großes risiko eingehen...aber als er sich das ganze in ruhe überlegt, freut er sich über alfs besonnenheit. Alf ist ein zuverlässiger partner geworden und einen freund kann man in jeder situation gebrauchen.

hafttag„hast du vorhin gehört, was alf so nebenbei berichet hat?“. Fragt patrizia empört, „alf wird jetzt schon sechs monate in jeder nacht alle zwei stunden mit dem scheinwerfer geweckt und darf erst dann weiterschlafen, wenn er sich bewegt hat. Er hat an seiner tür den roten punkt (selbstmordgefährdet). Er kann seit sechs monaten kein einziges mal durchschlafen, vielleicht macht er auch deshalb so einen lethargischen eindruck!“ gerd hat das sehr wohl mitbekommen und sich auch gleich an seinen ddr-knast erinnert. Damals hatte amnesty international dieses vorgehen als schlaffolter geächtet - heute hat selbst amnesty nichts dagegen zu sagen. Es passiert ja alles zum schutz des gefangenen. Er soll sich nicht umbringen, aber das leben wird ihm auch genommen. Heuchelei!

hafftagauf diesen tag hat gerd über eine woche hingearbeitet. Abends nach der lebendkontrolle, im halbdunkel, klopft es dreimal. Gerd öffnet das fenster unter der decke und stellt sich auf den stuhl, seinen handfeger in der hand. Kurze zeit später wird ein seil heruntergelassen (oder genauer:ein bettlaken, zerrisen in streifen, zusammengeknotet), an dessen ende baumelt ein kleines paket. Gerd steckt den handfeger aus dem fenster, so dass sich das seil um den handfeger wickelt und er das paket reinholen und abknoten kann. dreimal ziehen bedeutet, alf kann das seil wieder hochziehen. Sie warten eine halbe stunde - nichts passiert - bevor sie sich wieder an der kloschüssel treffen.
Gerd verschlingt das buch förmlich. Selbst als um 22 uhr das licht ausgeschaltet wird, lässt er sich nicht den Rhythmus disktieren.aus der anstaltsmargarine und einem docht macht er sich eine kerze und liest noch weit über mitternacht hinaus.

hafftagdie nacht war kurz, dafür der folgende tag länger. Es gibt phasen, da spürt man die müdigkeit nicht – es gibt phasen, da lebt man. erst am abend, als er das buch ausgelesen hat, fällt gerd ein spruch ein, den er in einer der wartezellen gefunden hat:“widerstand ist der docht in der kerze unseres lebens.“ den ritzt er in die wand seiner zelle ein. Er wird ihn immer an das buch erinnern. Einen zweiten spruch aus dem buch ritzt er dazu:“die eigene pflicht tut man nicht, damit einem jemand dankbar ist, man tut sich für sich selber, für die eigene würde.“ das buch wird gerd nicht mehr weggeben – vielleicht mal ausleihen – aber eine bibel gibt man nicht weg!

hafttagabends an der kloschüssel sind sich gerd und alf einig:“knast bedeutet in jedem land der welt: menschen zu brechen. Regional sind diese methoden unterschiedlich, trotzdem darf man nicht den fehler machen haftbedingungen miteinander zu vergleichen, weil – ähnlich wie bei einem tisch und einem stuhl - es kein einheitliches maß gibt. die einzelnen gefangenen haben innerhalb der gesellschaft nur von draußen unterschiedliche unterstützung, deshalb geht man auch unterschiedlich vorsichtig mit ihnen um. Aber es gibt keine haftbedingungen, die so schlimm sind, dass sie nicht auszuhalten sind, aber sobald der mensch innerlich gebrochen ist, können die haftbedingungen noch so soft sein, sie werden immer unerträglich bleiben. 90% der gefangenen sitzen wegen aussagen von mitgefangenen, sie werden für das versprechen, eine kleine hafterleichterung zu bekommen, zum verräter und machen sich dadurch den knast erst richtig zur hölle. Aber warum sollen die gefangenen menschen nicht genauso dumm sein wie die menschen draußen im erweiterten hofgang.

hafftagmitten in der nacht beschleicht gerd ein ungeheurer verdacht. Plötzlich ist er hellwach. Zwei stunden lang wälzt er sich noch im bett hin und her, bevor er die schlaflosigkeit akzeptiert. „schließlich musst du ja morgen nicht arbeiten“, sagt patrizia, und gerd kann der neuen freiheit etwas positives abgewinnen. Er nimmt wahr, wie die zunehmende helligkeit das quieken der ratten durch das singen der vögel ersetzt, gepaart mit dem schlagen von eisen auf eisen, dem schlüsselklappern und dem dumpfen geräusch einer hohlen halle. Um halb sechs uhr dann der blick durch den spion, scheinwerferlicht, die lebendkontrolle. während er sich sonst immer durch diese unsensible art gestört fühlt, kommt diesmal ein siegesgefühl auf: ihr habt mich diese nacht wieder nicht geschafft! Dann endlich um 6 uhr frühstückfassen. Bewusst unbeteiligt, so nebenbei, fragt gerd den kalfaktor: „wo liegt eigentlich das ungeheuer?“ - „na über dir“, sagt der „zuhälter“. Für einen moment glaubt gerd, die zwei schritte zurück in seine zelle nicht zu schaffen, als hätte jemand ihm die beine weggeschlagen. Patrizia fasst sich als erste:“es geht nicht darum, die geschundenen dieser kultur in klassen einzuteilen: die sind berechtigt im knast und die unberechtigt eingesperrt. Knast bedeutet immer traumatische erfahrungen und kein mensch wird von seinen traumatischen erfahrungen mit neuen traumatischen erfahrungen geheilt.“- „trotzdem“, sagt gerd, „ich bin es müde, dass ausgerechnet die menchen, die gewalt am eigenen körper erlebt haben, in der opfersituation solidarisch handeln, in dem moment aber, wo sie in machtpositionen stehen, verhalten sie sich wie schweine. Klar kann ich mir das über den kopf erklären. Ich bin einfach nur müde“. Gerd nimmt sich das schachbrett vor und analysiert die letzte partie mit alf, er verweigert den hofgang, möchte nicht mit patrizia reden. Erst stunden später kriecht er wieder aus seiner geistigen oase hervor und stellt sich patrizias worten;“ist alf wirklich soviel schlimmer als filbinger, der im dritten reich die todesurteile verhängte? Ist es vielleicht nicht so, dass jemand, dessen eigene traumatischen erfahrungen zu unkontrollierten gewaltausbrüchen führen, krank ist? Und liegt die schuld nicht eher bei den menschen, die immer ein strategisches ziel haben und deshalb so gut funktionieren? Es ist wie beim schachspiel: das bauernopfer wird nicht hinterfragt, wenn damit der könig gesichert ist.“ - „du hast ja recht“, lenkt gerd genervt ein. „nimm dir die folterer“, fährt patrizia dozierend fort, „die Geschichte hat gezeigt, das die brutalsten folterer gleichzeitig die liebsten familienväter waren. Wir müssen davon weg, immer alles zu bewerten oder gar zu richten. Wir müssen uns verhalten!“

hafttagdie diskussion in der tageszeitung wird durch das gnadenbesuch von christian klar bestimmt, nach 24 jahren haft. Der mob, der keine ahnung hat, wovon er redet, der immer betont, dass er keinen tag darin aushalten könnte, ist empört darüber, dass jemand nach 24 jahren haft endlich freigelassen werden möchte – alle ns-täter hat man früher entlassen!
Wenn sie die mächtigen zusammenschließen (und seien es nur die zeitungsmacher) und sich gegenseitig so decken, nur mit dem ziel die ohnmächtigen ohnmächtig zu halten, dann nenne ich das eine terroristishe vereinigung. Wie abgefahren doch diese sprache der herrschenden ist: sie nennen die, die sich in ihrer völligen verzweifelung gegen die gewalt aus ihrer ohnmacht befreien, terroristen, aber wir dürfen uns doch diese diskussion nicht aufdrücken lassen: wir dürfen diesen menschen nicht die moralische berechtigung entziehen, sich zu artikulieren. Aber wir sollten auch darüber heftig diskutieren, wie wir den widerstand aus der ohnmacht am besten organisieren.

hafttaggerd vermisst die gespräche an der kloschüssel. Heute abend muss er mit alf reden.“hallo rainer“, sagt gerd und lässt alf zeit zu antworten. Schweigen.
„ich hatte gedacht, wenn ich sage, wer ich bin, brichst du den kontakt ab“, fängt rainer an. „ich wollte dich nicht anlügen, aber es war so schön als person wahrgenommen zu werden, ohne meine Geschichte. Das, was ihr alles über mich als bestie sagt, ist ja richtig. Ich stehe immer davor und kann mir die taten auch nicht zuordnen.“
„gut“, nimmt gerd den ball auf, „lass uns bitte neu beginnen, ich möchte nicht angelogen werden, das ist mir wichtig. Und ich verspreche dir, dass ich dich als person nicht auf grund deiner taten bewerte. Deine taten gehören zu deinem leben, aber sie machen dich nicht als person aus, und ich will ganz normal darüber reden! Aber ich werde mich nie wegen deiner geschichte von dir distanzieren!“ - „ich verspeche dir das auch“, sagt rainer sichtlich erleichtert, „eigentlich fühle ich mich verhaftet und doch befreit und erleichert!“

hafttagrainer erzählt, dass er seit zwei wochen nicht mehr zum hofgang geht:“ich werde immer als bestie angepöbelt und von den gefangenen geschlagen, die schließer stehen dabei und machen nichts. Manchmal hauen sie auch einfach so mal zu. Da bleibe ich lieber auf meiner zelle.“ gerd fällt der ausspruch von marianne herzog ein:“wenn wir auch ohne freistunde überleben könnten, bekämen wir keine!“

hafttagdie sorge um rainer bestimmt den tag. „wenn rainer sich vom acker macht“, sagt patrizia, „dann hat die gesellschaft das erreicht, was sie wollte.“

hafftagan der abendlichen kloschüssel:“patrizia und ich haben angst um dich,“ gerd macht eine kleine pause. „natürlich ist es das recht eines jeden sich, wenn er die welt nicht erträgt, aus ihr zu verabschieden. Wir alle haben mal erkämpft, dass die todesstrafe abgeschafft wird. Ich weiß, du kannst uns nicht sehen, aber denke daran: wir sind da!“
„weißt du eigentlich, wie schwer das ist, wenn man überall nur angegiftet wird?“, fragt rainer. Gerd überlegt eine weile und sagt dann entschlossen:“ja, ich weiß es. Damals im ddr-knast war es für mich ähnlich. Aber irgendwann einmal habe ich das system dahinter begriffen: sie meinten nicht wirklich mich, sie wollten mich aber zum handeln zwingen. Seitdem haben mir demütigungen nichts mehr aufgemacht. Ich habe meine seele nicht mehr bewerten lassen.“

hafttages klopft schon frühmorgens. Gerd weiß, es, muss etwas wichtiges sein, wenn rainer ihn sprechen will:“ sie haben es wieder nicht geschafft, mich heute nacht in den tod zu treiben!“, sagt rainer stolz und fügt ganz leise, aber bestimmt hinzu:“danke!“

hafttaggerd und rainer schließen ein abkomen: wenn rainer an selbsttötung denkt, soll zwischen dem entschluss und der ausführung ein monat liegen. Dafür wird gerd ihn nicht überreden hier zu bleiben.

hafttag
der schlüssel sticht ins schloss. Die schwere eisentür wird kurz aufgemacht und mit voller kraft wieder zugeschlagen. „cäsar 4, hänger!“, schreit mit monotoner stimme ein schließer. Gerd weiß sofort, dass es um rainer geht. Es vergehen einige minuten, bevor die sanitäter mit der eisenbahre eintreffen und den leichnam abschneiden.

hafttagein kassiber wird unter der zellentür durchgeschoben. „von der bestie“, sagt der kalfaktor. Mit zittrigen händen öffnet gerd den zusammengefalteten zettel:
„lieber gerd!
Verzeih mir bitte, ich hatte keine kraft mehr. Die ganze zeit bin ich wie ein aufgeschrecktes huhn herumgelaufen. Jetzt habe ich meine ruhe gefunden. Die vergangenen zwei monate, vor allem die gespräche um 18 uhr am ausgepumpten klo, waren meine schönste zeit. Ich hatte das gefühl, es hört mir zum ersten mal in meinem leben jemand zu. Auf diese halbe stunde habe ich mich gefreut. Für diese halbe stunde habe ich gerne die schläge der schließer eingesteckt. Schläge können nicht so weh tuen wie einsamkeit. Ich habe mitgefühl mit dir, dass du auf dieser erde bleiben musst. Und ich bitte dich zu bleiben. Du kannst etwas ändern! Aber ich habe meine ruhe gefunden auch durch dich. Ich danke dir, wir sehen uns wieder!
Gerd fühlt sich an ein gedicht von ulrike meinhof erinnert.es gibt mehrere arten, menschen zu töten ... nur weniges ist in diesem land verboten!

hafttag
„wenn das so weitergeht, erhebe ich postgebühren“, der kalfaktor schiebt einen kassiber durch die eisentür, mit einer tafel schokolade. Erstaunlich, selbst die passt durch die schwere eisentür, wenn man sie an einer bestimmten stelle drückt. „kommt von richard vom d-flügel. Der will nichts von dir zurückhaben, hatte nur gehört, dass du dich um die bestie gekümmert hast.“ als der kalfaktor wieder verschwunden ist, hat gerd das gefühl, aus seinen worten etwas anerkennung gehört zu haben. Auf dem kassiber steht:"den zweiten teil, meine erinnerungen ,an das leben hinter zuchthausmauern, widme ich nicht nur allen politischen gefangenen,sondern auch den dieben,den meineidigen,den mördern und schwindlern,allen,die für jahre oder jahrzehnte lebendig begraben sind.

ob die schuld des einen auf veranlagung ,die des anderen auf das soziale milieu,in dem er lebte,zurückzuführen sind, gilt mit gleich: :ich liebe sie alle.

bei allem häßlichen und abstoßenden,das ich an kriminellen gefangenen wahrnahm, stehen sie mir näher als mancher selbstherrliche mensch,der mir nach meiner rückkehr in die freiheit als angeblicher freund die hand drückte.

Die selbstsucht und verlogenheit,der neid,die mißgunst und roheit der von der bürgerlichen gesellschaft ausgestoßenen sind wahr und echt. sie tragen wenigstens keine maske.

Die wunden und geschwüre,die häßlichen narben,die ihren körper und ihre seelen verunstalten,hat ihnen das leben geschlagen,das leben aber sind wir alle. also sind wir mitverantwortlich und haben keinen anlaß zur überheblichkeit.

Auch die klassenlose gesellschaft wird sich-wenn nötig-gegen schädlinge sichern. bestrafen aber -ob zur vergeltung oder besserung- ist eine anmaßung des bürgerlichen klassenstaates." Max Hölz

in "vom weißen kreuz zur roten fahne"

mein 5.Literaturpreis verliehen 2011 im November in Bremen:

meine Rede:
ich möchte nicht berühmt werden, sondern breüchtigt bleiben oder
literaten und arbeiter gegen den knast - die sich unter dem dach der menschlichkeit treffen - unterscheiden sich:

zahme vögel singen von freiheit , wilde vögel fliegen!
von einem staat, indem ein ehemaliger verteidigungsminister als lügenbaron bekannt wurde,... indem ein ehemaliger innenminister old schwurhand genannt wird, weil er nicht nur einen meineid geschworen hat,... indem ein ehemaliger aussenminister vom gericht als korrumpel bezeichnet wird -von solch einem staat ausschliesslich wegen beleidigung der herschenden zu zwei jahren und vier monaten einzelhaft verdonnert zu werden, muss ich als eine menschliche auszeichnung empfinden!

Worte waren meine steine gegen ihre modernen panzer...
und für die gleichen worte erhielt ich
1990 in hamm zum ersten mal den literaturpreis:wir sassen noch bis tief in die nacht mit fast allen preisträgern -zusammengerechnet soviele jahre knast hatte diese räumlichkeit noch nie gesehen- wir feierten und diskutierten mit den menschen, wie peter, der mit seiner ganovenkariere als berater zur fernsehsendung “tatort” ging oder wie jack, der kurze zeit später das leben nicht mehr aushielt, oder mir, der es zu seiner lebensaufgabe gemacht hat gegen eine justiz zu kämpfen, die nur straft um zu rächen, statt massnahmen zu ergreifen, um verhalten zu verändern. wir waren eine grosse familie.und wir konnten darüber lachen, über den hilflosen versuch der stadt-offiziellen uns zu spalten, als sie uns den rathaussaal für die preisverleihung nicht geben wollten, weil unter den preisträgern auch "terroristen" seien.
meinen zweiten literaturpreis bekam ich 1995 in leipzig in den gleichen heiligen räumlichkeiten von denen die montagsdemonstrationen ausgingen. jeder pups an kritik der vergangenheit wurde mit offenen armen aufgenommen, eine kritik an den verhältnissen der gegenwart wurde aber immerhin geduldet.
meinen dritten literaturpreis erhielt ich 1999 in dortmund in einer spürbar engagierten kirchlichen einrichtung unter schirmherschaft von martin walser, einer der wenigen promis, die sogar inhaltliches interesse zeigten.
meinen vierten literaturpreis bekam ich ebenfalls in dortmund 2008. nach einer langweiligen rede des leiters der kirchlichen einrichtung, die unverhohlen dem ziel diente neue schäfchen zu rekrutieren wurde mein textbeitrag zu einem theaterstück umgeschrieben - ohne es mit mir abzusprechen waren für mich wichtige passagen einfach dem rotstift zum opfer gefallen - damit hätte ich mich arangiert, ich hätte trotzdem meine zustimmung gegeben, aber ich bin nicht einmal gefragt worden!- . aber als die veranstaltung über die gefangenen nun schon über zwei stunden ging und meine nur 2seitige rede respektlos abgebrochen wurde, habe ich mir damals geschworen nie mehr an diesen feierlichkeiten teilzunehmen. denn ich kämpfe nicht gegen menschen mit denen ich in einem boot sitze.(aber ich säge durchaus gerne an dem ast, auf dem ich gerade sitze!)
2011 nun hat die jury meine 21 seitige magna carta der gefangenen-es war nur das gerüst, was ausgebaut werden sollte- aber unter zu lesen ist - abgelehnt und stattdessen ein gedicht prämiert, wo es nur um würde nicht um gesellschaftliche veränderung geht.als wolle man einen zahnlosen ins alter gekommenen löwen zum abschied noch einmal streicheln. ich wünsche mir aus tiefsten herzen, dass ihr wenigstens nach meinem tod begreift, welch grosse chance ihr verpasst habt...
wenn wir als kind fussball gespielt haben hiess es immer drei ecken sind ein elfmeter. Wenn drei ingeborg-drewitz-literaturpreise gegen einen nobelpreis getauscht werden könnten...zumindest wäre ich dann meine finanziellen sorgen los. kommando zurück:was ist schon das leben eines alfred nobel gegen das leben einer ingeborg drewitz! Umgekehrt wird ein schuh daraus:drei nobelpreise sind soviel wert wie ein drewitz preis- sei es wie es ist, ich möchte keinen preis wieder hergeben.es geht dabei nicht um persönliche eitelkeiten. Es dreht sich mir immer der magen um, wenn menschen stolz auf ihre leistung sind. abgesehen davon, dass man, wenn man in deutschland auf etwas stolz ist , naiv oder eben böswillig sein muss, aber wie kann man bei so etwas zufälligen wie einer leistung das gefühl entwickeln man sei mehr wert als ein anderer mensch. Wir sind in dieser 1.welt alle korrupt, der eine mehr, der andere etwas weniger, wir nennen es nur anders: taktisch geschickt, clever, strategisch richtig, integer,dabei steht nur immer unser persönliches weiterkommen im vordergrund aber wir argumemtieren gechickt mit dem “allgemeinwohl”. Übrigends ist da auch kein unterschied zur damaligen ddr dort wurde der schwammige begriff des “allgemeinwohles” nur durch die lehren des marxismus leninismus ersetzt-was objektiv nicht einmal falscher ist. auf jeden fall stehe ich einmal -und wahrscheinlich ziemlich bald- vor der himmelspforte (nicht dass der eindruck entsteht, dass ich glaube ein besonders guter mensch gewesen zu sein, aber soviel habe ich schon in meinem theologie-pädagogik-studium begriffen: eine hölle gibt es nicht!) also, wenn ich davor stehe und petrus (den es ja streng genommen auch nicht gibt, nehmt es mal als literarische methapher)und petrus also mich streng ansieht, warum hast du nur so selten nein gesagt, und ich stotternd um fassung ringe, weil mir kein argument einfällt, was meine schuld mildert.

Eine alte weisheit der indianer heisst:“Wenn militant sein heißt,
dass ich alle Möglichkeiten nutze,
dass ich jeden möglichen Schritt tue und alle nur möglichen Aktionen,
um ein für allemal
die natürliche Lebensweise der Menschen wieder einzuführen,
wenn das militant ist,
bitte ich meinen Vater, die Sonne, und meine Mutter die Erde,
dass sie mir Leben und Kraft geben,
um von allen der militanteste zu werden.”in diesem sinne möchte ich diesen literaturpreis nutzen, auch, wenn ich weiss, dass die jury nur ein gedicht von mir prämiert hat, was unbestreitbar eine absage und eine beleidigung an mein gesamtkonzept einer magna carta für gefangene ist, freue ich mich über diesen preis und in dem bewußtsein, dass wir die zeit auf dieser erde von unseren kindern nur gepachtet haben, verspreche ich euch, dass ich mich bemühe noch radikaler zu werden.
p.s. Ein paar persönliche worte liegen mir an meinem offenen herzen:ich freue mich, dass mein schon vor 11 jahren verstorbener vater hier anwesend ist, der in meiner knastzeit am gitter rüttelte und schrie :”ich will zu meinem sohn!”, ich freue mich, dass meine nun schon 77 jahre alte mutter, die in mühevoller nachtarbeit meine notizen, die ich aus dem knast geschmuggelt hatte, abtippte und die immer meinte sie müsse mich im gerichtssaal beruhigen -auch heute noch meint sie müsse mich in dieser situation hier beruhigen, ich freue mich dass meine an krebs erkrankte schwester, die mir in der einzelhaft wöchentlich einen brief schickte auch heute an meiner seite ist, ich freue mich, dass mein adoptivsohn, der auch an krebs erkrankt ist und in dem ich mich in weiten teilen wiedererkenne-muss wohl an der blutsverwandschaft liegen- nur damals vor 20 jahren, sich die auszeit aus seinem leben nimmt und mich hier unterstützt, ich freue mich, dass meine durch die kriegserlebnisse schwer traumatisierte frau in gedanken bei uns ist. Und ihr wisst ja, wir lassen uns demnächst scheiden und machen ein grosses fest (zur scheidung oder zu meiner beerdigung), dazu seid ihr alle eingeladen zu kommen-denn es wird unser lachen sein, was sie begräbt!!
zum abschluss ein paar worte zur gechichte des ingeborg-drewitz preises:
seit 22 jahren kenne ich euch. Und heute möchte ich euch meine freundschaft kündigen. Es war ein einzigatiges projekt mit einer phantastischen idee: die, die das schreiben von der pieke gelernt hatten, sollten den betroffenen aus dem knast als wektzeug dienen, um den geschundenen dieser kultur zu einem sprachrohr zu verhelfen.
Die letzten male – ich beobachte das seit zwei kadenzen- kippt diese idee, plötzlich realisiert die jury eingene staatstragende interessen, mit dem ergebnis literaten heranzuzüchten, die kritik an den herschenden verhältnissen nur soweit äussern, wie es als vehikel dient, um in der hierarchie aufzusteigen. Ich bin gewohnt mit vielfalt zu leben – vielleicht bin ich auch ein gebrandmarktes kind: als ich nach berlin kam, wurde gerade die veranstaltung der kpd ao von der kpd ml mit eisenstangen krankehaus geschlagen. Ich habe mir damals geschworen, soweit darf es nie kommen, dass die, die ähnliches wollten sich so malträtieren. Aber eine jury, die ihre macht ausnutzt und eindeutig zensiert , das ist für mich nicht tragbar. Ich habe es immer abgelehnt für private interessen zu kämpfen -wenn jemand mir sagt er kämpft für seine beziehung, dann hatte ich immer das gefühl ich bin auf dem falschen schiff. Und ich kämpfe uach nicht gegen menschen, mit denen ich in einem boot sitze, aber ich verweigere mich, weil wir offensichtlich unterschiedliche interessen leben!



mein beitrag, aber diesmal der orginalbeitrag, den ich eingeriht hatte:
Worte sind meine steine gegen ihre modernen panzer...





aus bequemlichkeit suchen die menschen nur nach den schuldigen .

es reicht aber nicht aus, die welt zu beschreiben - sie muss verändert werden!
5 thesen - tragt diese thesen in die welt, diskutiert und verändert sie,vielleicht entsteht am ende eine magna carta der gefangenen! was vor fast 500 jahren möglich gewesen ist-bei einem vergleichsweise unwichtigen thema wie der reformation der kirche - sollte euch ansporn sein , schliesslich geht es um die reformation der menschlichkeit, nein, noch mehr,um die glaubwürdigkeit der menschheit!

untermalt durch eigene gedichte
von ralf-axel simon



These 1
eine justiz, die mit dem irrwitzigen anspruch menschen positiv zu verändern , indem sie menschen jahrelange demütigungen zufügt -also straft um zu rächen, statt massnahmen zu ergreifen, um verhalten zu verändern- muss unsere vollste verachtung spüren!
wer wissentlich zulässt, dass menschen in schliessfächer gesperrt werden, um sie als zeitbomben zu entlassen, wird sich von seinen eigenen kindern fragen lassen müssen :"warum habt ihr dagegen nichts getan!"
p.s. in der kaiserzeit -in der weimarer republik - in der nazizeit und jetzt immer noch, richten die juristen "im namen des volkes". wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über diesen penetranten etikettenschwindel nur noch lachen.der autor dieser zeilen hat vorallem wegen nichtaufstehens vor gericht über 2 monate zusatzknast bekommen, weil er in anlehnung an wilhelm tell sagte "diesen hut auf der stange grüsse ich nicht!"
juristen wollen immer als menschen behandelt werden, nur vergessen sie sich als menschen zu verhalten!



STELL DIR EINMAL VOR:
SIE SPERREN DICH
IN DAS KLO EINES ABRIßHAUSES
DRITTER HINTERHOF
STELL DIR EINMAL VOR:
DER,DER DICH VERACHTET
BRINGT DIR ESSEN
ZUM ÜBERLEBEN
LEBEN
WIRD DIR VERBOTEN
STELL DIR EINMAL VOR:
EIN JAHR
KEIN LIEBES WORT
STELL DIR EINMAL VOR:
ZEHN JAHRE
ANGESCHRIEEN ZU WERDEN
ICH WILL DIR DEN TAG
NICHT VERDERBEN
DU WIRST ES DIR
NICHT VORSTELLEN
KÖNNEN
ABER
60 000 GEFANGENE MENSCHEN
ALLEIN IN DIESEM LAND
MÜSSEN
SO LEBEN!

GEFANGEN
AN MEINER ZELLENTÜR STEHT:
DIE GEFANGENENNUMMER
AN MEINER ZELLENTÜR STEHT:
EINZEL-HOF-GANG
AN MEINER ZELLENTÜR STEHT:
AUSSCHLUß VON ALLEM
AN MEINER ZELLENTÜR STEHT:
KEIN NAME


FEIERABEND
15 UHR
JEDEN TAG:
ABENDBROT
DER BEAMTE SCHLIEßT
ZWEIMAL
SCHIEBT DEN RIEGEL VOR
UND SCHREIT:
"SCHÖNEN FEIERABEND"
ERSCHRECKT
DREHE ICH MICH UM
ZUM FENSTERKREUZ


BESUCH IM ZOO
EINE ÖFFNUNG NACH DRAUSSEN
VERGITTERT UNTER DER DECKE
UND EINE STAHLTTÜR
BEGRENZEN 8 QM
HIER WERDEN RAUBTIERE GEHALTEN
ARTGERECHT, BEHAUPTET DIE ÖFFENTLICHKEIT
WÄRTER BRINGEN ESSEN
FÜR STREICHELEINHEITEN
WERDEN SIE NICHT BEZAHLT
BEI TIEREN KÄME KEINER
AUF DIE IDEE
SICH DARÜBER ZU BESCHWEREN,
DASS SIE ZU GUT BEHANDELT WERDEN
IN DER ZEITUNG SCHWÄTZEN
SIE VON HOTELVOLLZUG:
FÜR SIEBEN MONATE FREIHEITSENTZUG
WEGEN KONSEQUENTEM
SCHWARZFAHREN


ZEIT OHNE MENSCHEN
KÜNSTLICHES LICHT
ENTSCHLOSSENE AUGEN
GESCHALTET
VERWALTET
GEREGELT
TAGE-LANG
WOCHEN-LANG
JAHRE
GESTERN?
HEUTE?
MORGEN?
NEIN,VORGESTERN!
ANGST
VOR DEM NICHTS
AUS DEM NICHTS
IN DEN HUNGER
OHNE ERINNERUNG WONACH
SCHWANKUNGEN
NACH JAHREN
IN SEKUNDENSCHNELLE
DIE ZELLE
MEIN SCHNECKENHAUS
ENTLASSEN
MEIN GLASKÄFIG
HINDERT MICH
EUCH ZU BERÜHREN
BEGRÄBT EWIG
MEIN VERTRAUEN
DOCH DIESES SICHERE GEFÜHL
STÄRKT


ALL-TAG
EIN AUGE
IN DER ZELLE
EIN OHR
AUF DEM GANG
KOMMEN SIE?
WAS DÜRFEN SIE FINDEN?
WIE EINE KATZE
VOR DEM SPRUNG
TAG UND NACHT
MICH FALLEN ZU LASSEN
VERGAß ICH
UM NICHT ZU VERLIEREN


FROHE WEIHNACHTEN
WIR FEIERN WEIHNACHTEN
HÖREN WEG;
WENN DER MÄCHTIGE ÜBER DEN OHNMÄCHTIGEN LACHT:
"SIE WOLLEN ENTLASSEN WERDEN?
SIE SEHEN DOCH SCHON AUS WIE EIN VERBRECHER!"
WIR FEIERN WEIHNACHTEN
SEHEN WEG
WENN DER SCHLIESSER
DEN KRANKEN SEXUALSTRAFTÄTER
MIT BEIDEN FÄUSTEN ERZIEHT
WEIL DER GEFANGENE VON WILLKÜR REDETE
ALS SEIN WEIHNACHTSPAKET
NACH DER SICHERHEITSÜBERPRÜFUNG
NUR NOCH KUCHENKRÜMEL ENTHIELT

WIR FEIERN WEIHNACHTEN
WIR SPRECHEN NICHT DARÜBER
WENN DER VATER SEINE 10 JÄHRIGE TOCHTER
GEGEN IHR SICHTBARES UNBEHAGEN
AUF SEINEN SCHOSS ZIEHT
UND ER BETONT
DASS ER SEINE KLEINE
ABGÖTTISCH LIEBT

DASS MÄNNER SICH FÜR GOTT HALTEN
IST GESELLSCHAFTLICHE REALITÄT
ABER
MUSS ICH DAS AUCH NOCH FEIERN!?


EIN FLUCHTVERSUCH
IST IN DEUTSCHLAND
NICHT STRAFBAR
RÜHMEN SICH DIE RICHTER

ABER
DER GEFANGENE ERHÄLT
VIER MONATE NACHSCHLAG
WEIL ER ZWEI GITTERSTÄBE
DURCHGESÄGT HATTE
UND FÜNF MONATE
WEIL ER NICHT WUßTE
DAß ER DIE FLUCHTKLEIDUNG
INNNERHALB VON 48 STUNDEN
ZURÜCKSCHICKEN MUß

DIES VERSCHWEIGEN WISSENTLICH
DIEJENIGEN, DIE
AN DIESER "DEMOKRATIE"
SO GUT VERDIENEN


HOTEL-VOLLZUG

5,30 UHR
GRELLES LICHT
DURCH GESCHLOSSENE AUGEN
LAUTES BUMMERN
ICH BEWEGE MICH
NOCH
7,00 UHR
BROT FASSEN
MIT MARMELADE VERSÜßT
12,00 UHR
DER ESSENSETAT
EINES POLIZEIHUNDES
HÖHER
15,00 UHR
ABEND-BROT
UND ZWEIMAL SCHLIEßEN
PLUS RIEGEL
SCHREIEN-SCHREIBEN-SCHREIEN
AM FENSTER
AM AUSGEPUMTEN KLO
ANGST VERDRÄNGT EKEL
22,00 UHR
IHRE LETZTE PEEP-SHOW
DAS NACHKLICKERN DES SPIONS
ERLÖSEND
WARUM WERDEN DIE SCHLIEßER
NICHT SCHALTER GENANNT?
IN DER DUNKELHEIT
DREI SCHEIBEN BROT
STILLEN NICHT
"DIE GESELLSCHAFT GAB
DEM VERURTEILTEN
18 MONATE DIE CHANCE
SICH AUF DAS LEBEN
DRAUßEN
VORZUBEREITEN"
BEI GELEGENHEIT
BEDANKE ICH MICH


ÜBERLEBENS-TRÄUME
ICH SAH
DEN ANSTALTSLEITER
LAUFEN
IMMER IM KREIS
SEIN SCHWARZER ANZUG
DURCHTRÄNKT
VON KALTEM SCHWEIß
AUS SEINER WEIßEN WESTE
WAR GEWORDEN
EINE WEIßE FAHNE


these 2

die justiz züchtet verbrecher, weil sie ein bestimmtes potential als abschreckendes beispiel braucht, aber vorallem, damit die mächtigen in ruhe ihre geschäfte machen könnnen.
einige beispiele:
während die cdu millionen nach lichtenstein bringt, fordern sie massiv haftstrafen für schwarzfahrer und kleinkriminelle.
damit die hardcore pornoindustrie weiter ihre geschäfte machen kann, wo ein menschenverachtendes verhalten eingeübt wird, werden die vergewaltiger plakativ verurteilt
deutschland ist drittgrösster waffenproduzent in der welt. selbst unter rot-grün wurden waffen in krisengebiete verkauft (wohin denn sonst!). um davon abzulenken klagt man unverhältnismässig denjenigen an, der die waffen gebraucht.
"protest ist, wenn ich sage das und das passt mir nicht - widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt nicht länger geschieht!" ulrike meinhof


MORAL
"KAVALIERSDELIKT"
HATTEN SEINE STRAF-RICHTERKOLLEGEN
IHM
AUF DIE SCHULTER GEKLOPFT
SEINEN FÜHRERSCHEIN GAB IHM
SEIN STUDIENKOLLEGE
SOFORT ZURÜCK
UND AN DIE TOTE FRAU
ERINNERTE
ER
SICH SCHON LANGE NICHT MEHR
"SIE SIND
NOCH NICHT
FÄHIG
EIN LEBEN IN FREIHEIT
ZU FÜHREN"
SPRACH DER GLEICHE STRAF-RICHTER
"ICH KANN IM KNAST
NICHT LEBEN
LERNEN"
SCHRIE DER EINBRECHER
DER VERURTEILTE
WURDE ABGEFÜHRT
DER STRAF-RICHTER
VERSCHWAND
SIE EMPFANDEN ES
BEIDE
UNTER IHRER WÜRDE
ZU DISKUTIEREN
MIT VERBRECHERN


BETTELN
MIT PISTOLE

DER ARBEITSLOSE
HETZTE
MIT SPIELZEUGPISTOLE
IN DEN SCHALTERRAUM

DER BANKANGESTELLTE
RISKIERTE
SEIN LEBEN

DAS GERICHT
VERURTEILTE
WEGEN "GROBEN UNFUGS"
AUS "NIEDEREN BEWEGGRÜNDEN"
ZU 10 JAHREN THERAPIE:
DEN BANKANGESTELLTEN


WOHN-HAFT
MIT 18
IHR ERSTER KONTAKT
DAUERTE 12 JAHRE
MIT FREIHEIT
KONNTE SIE NICHT UMGEHEN
DANN IM URLAUB:
LEBENSLÄNGLICH
KLUGE BÜCHER
ÜBER EHE UND FAMILIE
ALS GITTER
3 KINDER
ALS UNÜBERWINDLICHE MAUER
KONTORVERSEN
MIT IHREM MANN
KANNTE SIE NICHT
ALS ER AUSBRECHEN WOLLTE
PLÖTZLICH
TAUSCHTE SIE
DIE GITTER IM KOPF
MIT DENEN AM FENSTER
DAS LEBENSLÄNGLICH BLIEB
NUR DIE PERSPEKTIVE EINE ANDERE:
SIE KANN JETZT
NACH 15 JAHREN
GEGNADIGT WERDEN


GESCHICHTE
EIN GEZIELTER SCHUSS
BUBI SCHOLZ
BEERBTE
SEINE FRAU:3 JAHRE KNAST

ICH BELEIDIGTE
DIE JUSTIZ:
28 MONATE KNAST

JETZT IM ALTER
ERINNERE ICH MICH AN DEN GUT MEINTEN RAT
MEINER FREUNDE
"DU BIST ZU TOLERANT!"
VIELLEICHT HABEN SIE RECHT
ZUMINDEST
BEI DER WAHL MEINER WAFFFEN!
ENDLICH:
NEUEN JAHRTAUSEND...
SOLL DIE RICHTERAUSBILDUNG
UM DEN PRAXISTEIL
EINER LÄNGEREN HAFTSTRAFE
ERWEITERT WERDEN
SEITDEM
GILT DAS RICHTERAMT
ALS ANERKANNTER BERUF


these 3

früher hiessen alle, die für den knast arbeiteten, knechte der herschenden.
heute nennen sie sich nach ihren vorkenntnissen :sozialarbeiter, ärzte, psychologen, trotzdem hat sich in ihrer funktion nichts verändert: sie alle werden vom senator für justiz (nicht etwa vom senator für gesundheit oder soziales) angestellt, d.h.sie sind zur grenzenlosen loyalität ihrem arbeitgeber verpflichtet-oberstes gebot ist die sicherheit und ordnung der anstalt - damit wird im alltag jede menschliche würde erschlagen.
anfang der achtziger jahre haben die sozialarbeiter in bärlin kollektiv gekündigt, weil sie einsahen, dass eine sozialarbeit innerhalb des knastes nicht möglich ist. die justiz schulte damals in einem crashkurs "bewährte" schliesser um und nannte sie sozialarbeiter, bis eine weitere generation von karierrebewussten und geschichtslosen sozialabeitern sich der justiz andiente.
nach wie vor beruhigen sie alle ihr gewissen mit dem zauberwort "resozialisierung" (als wenn es eine einzige re-sozialisierung gäbe!) - die grösste lüge dieses jahrhunderts. denn das wort wurde nur geschaffen, um die dort arbeitenden "moralisch" zu entlasten und den haftbedingungen den nerv der angreifbarkeit zu ziehen.

p.s. die einzigen, die im knast arbeiten und nicht vom senator für justiz bezahlt werden, sind die "himmelskomiker", wie die gefangenen ihre pfarrer vertrauensvoll anerkennend nennen.



DER ROTE PUNKT
"SELBSTMORDGEFÄHRDET"
ORDNET DIE ANSTALTSÄRZTIN AN
"FÜRSORGEPFLICHT"
DIKTIERT DER ANSTALTSLEITER
DIE BEAMTEN
NACHTS
SCHALTEN DAS GRELLE LICHT AN
BUMMERN DURCH DEN SPION
ALLE ZWEI STUNDEN
SEIT DREI MONATEN
JEDE NACHT
DEINE TRÄNEN
IHR LACHEN
VERHALLEN
LETZTE NACHT SCHLIEFST DU DURCH
KEINER
VERMIßT DICH


ALARM
(die schließer nennen es untereinander:"sicherheitsjoggen")
EIN VERTRAUTER PFIFF
ALLE SCHLIEßER RENNEN
IN DEINE ZELLE
DEINE SCHREIE
-DAZWISCHEN:
"DEN KOPF RUNTERDRÜCKEN
RUNTERDRÜCKEN!"
SIE ZIEHEN DEINEN ARM
ÜBER DEINEN RÜCKEN-
VERSTUMMEN
IM KELLER
PRÜGELORGIEN
OHNE PUBLIKUM
"DU KANNST DICH JA BESCHWEREN"
LACHEN SIE
NUR EINER
SCHREIBT DIE MELDUNG
UND SCHÄMT SICH SEINER
RECHTSCHREIBKENNTNISSE


MÄNNER
"ZELLE 39
HAT SEINER FRAU
2 MAL
IN DEN KOPF GESCHOSSEN"
ERKLÄRTE DER WÄRTER
DEM AUSZUBILDENDEN

NICHT GANZ OHNE BEWUNDERUNG
"EINMAL HÄTTE DOCH AUCH GEREICHT"

BEAMTEN-MENTHALITÄT
"NUR ZWEI MINUTEN
MEINE FRAU
SIE VERSTEHEN!"
"WARUM
BITTET ER
MICH
UM VERSTÄNDNIS"
DENKT DER GEFANGENE
"NICHT SEINEN VORGESETZTEN?"



MORD
FÜNF JAHRE NOCH
ISOLIERT UND AIDS
DEIN BLUT LETZTE NACHT
BRACH
DIE EINTÖNIGKEIT
"DER HÄTTE DOCH
WARTEN KÖNNEN"
KLAGTE DER BEAMTE
"DIE STUNDE
BIS ZUM SCHICHTWECHSEL!"


NÄCHSTENLIEBE
DER SCHLIESSER
SCHRIE
DER SOZIALARBEITER
LEHNTE AB
DER ANSTALTSLEITER
ORDNETE AN
ER
ZERSCHLUG SEINE ZELLE
SIE
ZERSCHLUGEN IHN



KOMMUNIKATION IST,

WENN EINER DEN ANDEREN

NICHT EINMAL VERSTEHEN WILL!

„DU BIST DOCH SELBST SCHULD“,

SCHRIE DER SCHLIESSER
„STIMMT ,
ICH HABE MEIN LEBEN
SELBST GEWÄHLT“
ERWIDERTE DER GEFANGENE
KLEINLAUT
„DEINEN JOB
HÄTTE ICH NIE GEMACHT!“



EIN GRAB-MAL
FÜR PETER

DU HAST GETÖTET
NACH EINEM JAHR
EINZELHAFT
SCHNITTEN DIR MIT-GEFANGENE
DIE HAARE:
IN WESSEN ZELLE
DEIN ZOPF HING
DEM MUßTEST DU DIENEN
NACH FÜNF MONATEN
ERWIRKTE DER PFARRER
DEINE VERLEGUNG
VOR ZWEI TAGEN
ORDENTEN SIE AN:
ZURÜCKVERLEGUNG
AM SELBEN ABEND
NAHMEN SIE DICH VOM
FENSTERKREUZ
HEUTE LEHNTE SICH
DER ANSTALTSLEITER ZURÜCK
SCHREIBTISCH-HÄNDE LIEßEN
DIE HOSENTRÄGER
ÜBER DEN BAUCH SCHNAPPEN:
"DAMIT KANN
ICH
LEBEN!"


HAFT-TRÄUME
"ICH BIN KEIN MÖRDER"
BRÜLLT DER RICHTER
"ICH HABE DAVON
NICHTS GEWUßT"
PFLICHTET IHM
SEIN ZELLEGENOSSE BEI
"IST DOCH NUR
DAS EINE JAHR
PROBE-NACH-SITZEN"
BETONT DER JUSTIZSENATOR
AUS DER ZELLE GEGENÜBER
DAS SCHRILLE SCHLÜSSELGERÄUSCH
LIEß MICH HOCHFAHREN:
"SCHUTZBEHAUPTUNGEN
ALLES SCHUTZBEHAUPTUNGEN"
MURMELTE ICH
MIT VERZERRTEM GESICHT


LEBENS-LÄNGLICH
MIT 30:
DAS STÄNDIGE SCHLAGEN
VON EISEN AUF EISEN
DAS SADISTISCHE LACHEN
AUF DEN NIRGENDWOGÄNGEN
DIESER TON
UNTER MÄNNERN
HIER LEBEN?
NIEMALS!

MIT 40:
ER LERNT SIE
IN DEM GEBRAUCH
IHRES SCHLÜSSELS
ZU UNTERSCHEIDEN
ER SUCHT NACH MENSCHEN
VERZWEIFELT

MIT 50:
AUS MITGEFÜHL WIRD HAß
SADISTISCHE FREUDE
GEWALT-PORNOS
SEIN AUSGLEICHSSPORT
ER IST ZUFRIEDEN

MIT 60:
WIRD ER PENSIONIERT
"EIN LEBEN
FÜR DEN STRAFVOLLZUG"
DANKTE
DER MINISTERPRÄSIDENT
MONOTON HÖFLICH

HOFFNUNG
ÄLTE
NAHMEN MIR
DEN GLAUBEN
RICHTER
DAS VERTRAUEN
SCHLIESSER
DEN VERSTAND
SOZIALARBEITER
DIE TRÄUME
DOCH ICH TRAF NOCH
MENSCHEN
SONST WÄRE ICH
RESOZIALISIERT


these 4

knast ist in jedem land der welt eine traumatische erfahrung, denn das ziel von knast ist menschen zu brechen.deshalb der rat von einem ex-knacki an einen jetzt-knacki:suche deinen eigenen rhytmus! keine haftbedingungen sind so unerträglich, dass man nicht auch seine möglichkeiten finden kann. demgegenüber gibt es keine noch so soften haftbedingungen, die erträglich sind, wenn man selbst gebrochen ist und so zum spielball der mächtigen wird.
"knast heisst nicht tod zu sein,sondern leben auf einer anderen ebene!" Nazim Hikmet

ES GIBT MEHRERE WEGE ZU WIDERSTEHEN
FÜR JÜRGEN , DER BALD SEINEN 33ZIGSTEN SONNTAG
(TYPISCHER KNASTAUSDRUCK:EIN SONNTAG = EIN JAHR KNAST,
NÄMLICH VON EINEM TOTENSONNTAG ZU DEM NÄCHSTEN) ERLEBT

DEINE ALTEN FREUNDE
HABEN DICH
NIE
BESUCHT
UND DEINE VERWANDTSCHAFT
GLAUBTE BESUCH
SEI EINE SOLIDARISIERUNG
MIT DEINER TAT
DIE SCHLIESSER
BENUTZTEN DICH
ALS ABLASSVENTIL
FÜR IHRE AUFGESTAUTE UNGEBREMSTE GEWALT
IN DER GEWISSHEIT
DU HAST KEINEN
DEM DU ERZÄHLEN KÖNNTEST
OBENDREIN BETONSPRITZEN
DAMIT DU
KEINEN KLAREN GEDANKEN
FORMULIEREN KANNST

EIN WUNDER
DU HAST ÜBERLEBT
UND SIE BRACHEN NUR
DEINE KNOCHEN
WEIL DU PLÖTZLICH
DAS SCHUTZSCHILD DES CHRISTENTUMS
PLAKATIV UND PENETRANT
VOR DICH HERTRUGST
SEITDEM WENDEN SICH AUCH
DEINE NEUEN FREUNDE
VON DIR AB

BEI DEINEN FEINDEN BIST DU AUFGESTIEGEN
-SIE HABEN EINEN ANDEREN AUSGEGUCKT-
DU HAST DIR DEN
MINIMALSTEN MENSCHLICHEN SCHUTZ
HART ERKÄMPFT
DEN RESPEKT ALS
CHRISTLICHEN IDIOTEN



Für jarek
EIN GEFANGENES TIER HAT ZWEI MÖGLICHKEITEN:SICH ENTWEDER DAS BEIN ABZUBEISSEN, AN DEM DIE SCHLINGE BEFESTIGT IST ODER SICH UMZUDREHEN, UM ZU STERBEN.
"ZU HAUSE LÄGE ER VIER WOCHEN
IN SEINER WOHNUNG"
SAGTE DER SCHLIESSER
BEIM ABTRANSPORT DER LEICHE
"HIER HABEN WIR IHN WENIGSTENS
NACHTS ALLE 2 STUNDEN GEWECKT
UM ZU SEHEN
OB ER NOCH LEBT."
JAREK WAR SENSIBEL
LITT UNTER DER UNWÜRDIGEN BEHANDLUNG
"EINE SCHLECHTE BEHANDLUNG IST
DAS NOTWENDIGE FUTTER
UM DIR DEINE WÜRDE ZU VERDIENEN,
DENN DER WIDERSTAND IST DER
DOCHT IN DER KERZE
UNSERES LEBENS"
HATTEN WIR IHM VERZWEIFELT ENTGEGENGESCHRIEN:
ER LIESS WEITER
SEINE SEELE BEWERTEN
UND "WÄHLTE" EINEN
WÜRDEVOLLEN "AUSWEG":
KEIN ANKLAGENDER ABSCHIEDSBRIEF;
KEINE SPEKTAKULÄRE TODESART
AUF DEM TOTENSCHEIN STAND:
UNGEKLÄRTE TODESURSACHE (TÜTE ÜBER KOPF)
DER BRUDER SPRACH GEGENÜBER DER MUTTER
"AN EINER KRANKHEIT VERSTORBEN",
DIE MUTTER FRAGTE NICHT NACH
BEKLAGTE IN SICHBARER TRAUER,
SO BEKAMEN ALLE IHREN
TRÜGERISCHEN FRIEDEN!



ZELLENFILZUNG
2 MAL DIE WOCHE
MANCHMAL
2 MAL AM TAG
ROUTINE:
ZERRISSENE BRIEFE
PHOTOS MIT FUßABDRÜCKEN
AUS KUCHEN WERDEN KRÜMEL
DOCH SIE HABEN
ES WIEDER
NICHT GEFUNDEN

GEDANKEN BEIM HOFGANG
BEIM RUNDEN LAUFEN
ÜBERFÄLLT MICH
WAHNSINNSLUST
MEINEN KOPF ZU RAMMEN
GEGEN DIESEN SCHLIEßER
DIE BUNKERSTRAFE
UND DIE SCHLÄGE IM KELLER
WÄREN DER PREIS
DEN ICH ZAHLEN WOLLTE
FÜR DIE GENUGTUUNG
DIESER GRAUEN RATTE
MIT SCHLÜSSELGEWALT
MEINEN DICKKOPF
SPÜREN ZU LASSEN
IM LETZTEN MOMENT
WEICHE ICH AUS:
ICH BIN IM ERSTEN MONAT
DER ISOLATIONSHAFT
HEBE MIR DIE FREUDE AUF
FÜR DEN SECHSTEN MONAT
WEGEN DER VORFREUDE!



REGEL-VOLLZUG
SPRECHEN AM FENSTER
KAHLSCHLAG
SIE
NEHMEN
ALLES PERSÖNLICHE
AUS DEINER ZELLE
REDEN DURCH`s KLO
PRÜGEL
NUR DEIN GRINSEN
NACH 20 JAHREN HAFT
KÖNNEN SIE
NICHT
REGELN


SEHNSUCHT
IHR
WARD SCHON LANGE
EIN PAAR
DU
MIT DEINEN DREIEINHALB JAHREN
ER
LEBENSLÄNGLICH
DEINE ZEIT WAR UM
OHNE WOHNUNG
OHNE ARBEIT
VOLLER SEHNSUCHT
NACH ALLEM
WEIHNACHTEN
FEIERTEST DU
ALLEINE
IN EINER VILLA
AßT, TRANKST
VOM FEINSTEN
DIE ALARMIERUNG DER BULLEN
KONNTEST DU NICHT ÜBERHÖREN
DOCH ES GAB NOCH
SEKT IM KÜHLSCHRANK
"WARUM NUR?"
SCHÜTTELTE DER STAATSANWALT
DEN KOPF
DU SAHST IHN AN
UND WARST FROH
ALS ER
ZUR TAGESORDNUNG
ÜBERGING


MEIN EIGENER RHYTHMUS
MONTAGS WIE FREITAGS:
VOLLZUGS-ALLTAG
EINEN TAG BESTIMME
ICH
LANGE VORHER:
AUFGESPARTE BRIEFE
DER BESUCH BEIM ARZT
PFARRER
GÖNNT ERHOLUNG
VON DER KURZSICHTIGKEIT
DER ZELLE
DIE VORFREUDE
MEINE SICHERHEIT
WIEVIEL MONATE ICH NOCH
SITZEN`MUß?
ICH WEIß
WIEVIEL TAGE ICH
GEFEIERT HABE


DER STETE MENSCHENTROPFEN GEGEN DEN VERSTAND
10 JAHRE HEIM
20 JAHRE KNAST
WOLFGANG WOLLTE KEIN MITLEID
KASSIERTE
AM ENTLASSUNGSTAG
DIE ANZAHLUNG DES PREISES
DEN DIE MENSCHHEIT
IHM
SCHULDIG GEBLIEBEN IST


these 5

wir gefangenen lassen uns nicht spalten, in die sind berechtigt im knast und die unberechtigt. wir sind gefangene einer justiz, die als gesamtfunktion die reichen immer reicher und damit die armen immer ärmer macht.
die diskussion politisch oder kriminelle gefangene ist eine von aussen an uns herangetragene und symbolisiert nur die mangelnde zivilcourage der uns unterstützenden menschen: sie wollen schwimmen aber nicht dabei nass werden-sie reden von fehlern des systems ohne sich eingestehen zu wollen, dass das system der fehler ist!
RESÜME EINES LEBENS
EINIGE MEINER FREUNDE
ARBEITETEN FÜR DEN VERFASSUNGSSCHMUTZ
ICH HATTE VIEL MIT IHNEN ERLEBT
DESHALB BLIEBEN SIE DOCH MEINE FREUNDE
NUR WOLLTE ICH SIE NICHT MEHR SPRECHEN

EINIGE MEINER FREUNDE
ARBEITETEN FÜR DIE STASI
ICH HATTE VIEL MIT IHNEN ERLEBT
DESHALB BLIEBEN SIE DOCH MEINE FREUNDE
NUR WOLLTE ICH SIE NICHT MEHR HÖREN

EINIGE MEINER FREUNDE
VERGASSEN NEIN ZU SAGEN
AUS ANGST ES KÖNNTE
IHRER KARIERE SCHADEN
ICH HATTE VIEL MIT IHNEN ERLEBT
DESHALB BLIEBEN SIE DOCH MEINE FREUNDE
NUR WOLLTE ICH SIE NICHT MEHR SEHEN

MANCHMAL SEHNE ICH MICH
IN DEN KNAST ZURÜCK
MEINE KOLLEGEN KONNTEN
SOLIDARITÄT NICHT BUCHSTABIEREN
ABER ICH KONNTE MICH
AUF IHRE SOLIDARITÄT
OFT VERLASSEN



VOR MEINER HAFT

RIETEN MIR MEINE FREUNDE:

"DU MUSST DEINEN KUMMER

ERTRÄNKEN!"

NACH MEINER HAFT

HABE ICH NUR NOCH

EIN PROBLEM:

WIE

BEKOMME ICH

DIE VERANTWORTLICHEN

INS WASSER!??








Dokumentation der drei wichtigsten presseartikel über mein leben:
Diese Wörter
von Benny Härlin (aus:Die Tageszeitung vom 4.9.84)


"Es geht nicht darum, gefangen zu sein, sondern darum, sich nicht zu ergeben." Ralf-Axel Simon nach Nazim Hikmet in "Knastblatt 72"
Zusammen zwei Jahre und acht Monate soll Ralf-Axel Simon, in der Berliner Szene besser bekannt als "Knastblatt-Axel", hinter den Mauern verbringen, gegen die er seit Jahren anrennt. Das Verbrechen? Fortgesetzte Beleidigung der Berliner Justiz und Polizei. Zudem verhängte ein Schöffengericht wegen seiner "staatsverachtenden" Gesinnung ein zweijähriges Berufsverbot als Verleger und Journalist gegen diesen "Überzeugungstäter", de facto ein Verbot, überhaupt noch öffentlich seine Meinung kundzutun. Dieses bisher einzigartige Berufsverbot wäre, wenn es von der Berufungsinstanz bestätigt wird, ein neues Glanzstück in dem ohnehin schon gut bestückten Kabinett politischer Anmaßungen der Berliner Strafjustiz: die Verwirkung von Grundrechten zur Disposition Moabiter Amtsrichter! "Von solch einem Staat mit einem Berufsverbot als Journalist bedacht zu werden und sich wegen Beleidigung der Leute, die die Macht der Herrschenden durchsetzen, Knaststrafen einzufangen, kann ich nur als eine menschliche Auszeichnung begreifen", schrieb Axel einmal in seinem Knastblatt - was prompt zu seiner nächsten Verurteilung beitrug. Dieser von beiden Seiten mit erbarmungsloser Sturheit ausgetragene Kampf um Worte und Werte ist Posse und Tragödie, Staatszirkus und Märtyrerlegende zugleich, ein unverträglich deutsches Stück Kultur-, Justiz und linker Geschichte. Während ich die Alu- und Panzerglasschleusen der Moabiter U-Haft passiere, muß ich an die kleine muffige Zelle denken, in der die Gefangenen vor und nach ihrer Besuchszeit zwischengelagert werden. Der Boden ist von Kippen übersät, an den pißgelben Wänden findet man kaum noch Platz für seinen Spruch. Hier kommt jeder vorbei. Der richtige Platz also, um Grüße an Kumpels zu hinterlassen oder ihnen ewige Rache anzukündigen, wenn sie gesungen haben. Dem unvermeidlichen Innensenator Lummer wird dort von Besetzers die Schlachtung angedroht und zwischen arabischen Hieroglyphen steht:"Einen Finger kann man brechen - fünf Finger sind eine Faust!" und darunter:"Dann schlag`damit doch mal gegen diese Wand, du Idiot!" In diesem Kabuff sitzt er jetzt und wartet, starrt vielleicht durch Gitter und Stacheldraht des Oberlichts in den Himmel oder auf den festgetrockneten Rotz an der Wand. Ein mieser Ort für Sehnsucht. Hier bricht sich der Knastalltag am Gefühl. Gleich wirst Du sie sehen, für eine kostbare, schmerzhafte halbe Stunde, die Liebe, wie einen Kloß im Hals. Und danach sitzen traurige Familienväter, todunglückliche Geliebte und verlorene Söhne da mit ihrem Tabak und der Schokolade aus dem Automaten, in Gedanken noch mit ihnen auf dem Weg nach Hause, bis der Schließer sie zurück in ihre Zelle führt. Man könnte heulen, aber doch nicht hier. Axel sieht blaß und ungesund aus in seinem Anstaltsdrillich. Nur seine Augen strahlen wie immer. Draußen hätten wir uns nicht umarmt. Hier könnte ich ihn einfach im Arm behalten und am liebsten gar nix reden statt die knappe Zeit mit Worten zu verschwenden. Draußen hat er manchmal darüber geredet, wie es im Knast wohl sein wird. "Du willst ja auch regelrecht einfahren!" habe ich ihm vorgeworfen und er hat gelacht. Jetzt hat er Kopfweh, seit einem halben Jahr, fast ununterbrochen. Lesen, Schreiben, alles tut weh. Sie haben ihm zwei Tabletten gebracht am Tag, die soll er sich einteilen. Aber mit sowas fängt er erst gar nicht an. 23 Stunden am Tag allein, mit pochendem Kopf, das ist Folter, Wahnsinn! "Ich habe glernt, damit umzugehen", sagt Axel und lächelt. Dieser liebe, etwas schmächtige Mensch mit seinen braunen Jesus-Locken un dem Vollbart, der mir da gegenübersitzt, verfügt über eine Leidensfähigkeit, die mir einfach unfaßlich ist. "Leiden gibt Kraft, weil du merkst, daß sie dich damit nicht brechen können", hat er mir geschrieben. Ich fürchte, daß er Leiden braucht um zu wissen, daß er kämpft. Aber das hält er für ein Klischee. Ralf-Axel Simon, soviel steht fest, ist ein extremer Typ. Sein erstes Berufsverbot bekam er vor fast zehn Jahren als Religionslehrer. "Avanti Populo" und der "Baggerführer Willibald" erregten schon Aufsehen. Als er mit den Kindern in der Religionsstunde über die Motive der Entführer von Peter Lorenz diskutierte, flog er raus. "Als ich entlassen wurde, das werde ich nie vergessen, und das letzte Mal im Lehrerzimmer saß, haben mich meine Kollegen, auch die, die mich zuvor unterstützt und geduzt hatten, nicht einmal mehr gegrüßt, weil sie Angst hatten. So weit soll es mit mir nie kommen!" meint er. Er spielte Schach in der Deutschen Schach-Bundesliga und arbeitete in einer Dritte-Welt-Initiative als wir uns kennenlernten. Mit dem alternativen Lebensstil der Zeitungsredaktion, in der wir uns begegneten, hatte er große Schwierigkeiten. Er konnte einfach nicht verstehen, daß wir so wenig Konsequenz und Verbindlichkeit aufbrachten, soviel redeten und so wenig taten. Axel war für mich der vollkommene Vertreter des kategorischen "DA-muß-man-doch-was-tun!" und gerade dieser gewisse offene Blick, seine unbeirrbare Freundlichkeit mobilisierten in mir sofort sämtliche Abwehrsysteme gegen dieses ewige schlechte Gewissen, das besonders gute Menschen bei einem durchschnittlichen Sünder unweigerlich auslösen. Da es der Sünder allzuviele gibt und der Starke bekanntlich allein am stärksten ist, stieg er bald aus und machte als Einzelkämpfer Knastarbeit. Fast täglich besuchte er Gefangene in Tegel und Moabit, bis er dort Hausverbot bekam, vermittelte Briefkontakte, und seine Paketaktionen zu Weihnachten und Ostern machten ihn in allen Berliner Knästen berühmt. Im grünene Parka mit seinem Moped nachts von einer Kneipe zur nächsten unterwegs, um -zur Finanzierung seines Ein-Mann-Komitees- die Stadtillustrierte `Zitty`zu verkaufen und sein `Knastblatt`zu verteilen, so war er der Berliner Scene als eines ihrer Orginale bekannt. Beim `Tagesspielgel`kannte man ihn als zuverlässigen Zeitungsausträger im Morgengrauen. Dem Staatsschutz, der sich bald für seine Arbeit, v.v. das `Knastblatt`zu interessieren begann, war nur er allein als Betreiber, Finanzier und Akteur bekannt, obwohl man in wochenlangen Observationen nach Hintermännern und Hilfstruppen gesucht hatte. "Soviel kann einer allein gar nicht schaffen - dachten die", erzählt er stolz. Den Trick verriet er mir schon vor Jahren mit dem Gestus einer naturwissenschaftlichen Entdeckung:"Der Mensch braucht eigentlich nur vier Stunden Schlaf am Tag", er hat es jahrelang bewiesen. Über seine Arbeit schrieb Axel nach seiner Inhaftierung fogendes:
Gerichtsurteil
Name: Ralf-Axel Simon
Geboren: im heißen Herbst 1977
von da an begann ich politisch zu denken!
doch lebe ich schon viel länger
seitdem es Widerstand, seitdem es Befreiungskämpfe gibt!
Beruf: Aufständischer, Sandkorn im Getriebe der Macht
i ch bekenne mich schuldig:
sechs Jahre gegen die Einknastung von Menschen gearbeitet zu haben
ich bekenne mich schuldig
in dieser Zeit mehr als 100 000- DM
durch nächtliches Zeitungsaustragen und verkaufen
für die Knastarbeit erarbeitet zu haben
ich bekenne mich schuldig
ein Knastblatt herausgegeben zu haben
alle 14 Tage in einer Gesamtauflage von 15-20000 Exemplaren
mit einer Gesamtauflage von einer Million
ich bekenne mich schuldig
dieses Knastblatt aus der inhaltlichen und
sprachlichen Sicht der Betroffenen geschrieben zu haben
ich bekenne mich schuldig
Weihnachten 1982 und Ostern 1983
für die Gefangenen eine Paketaktion organisiert zu haben,
d.h. es wurden insgesamt 1000 Pakete an Gefangene geschickt,
die sonst kein Paket bekommen hätten
ich bekenne mich schuldig
einen Schließer daran gehindert zu haben
wehrlose Gefangene zu quälen
indem ich in der Wohngegend dieses Schließers
ein Flugblatt mit der Vorfallsschilderung verteilt habe
der Schließer ist dann den peinlichen Fragen seiner Nachbarn ausgewichen
indem er umzog und seitdem keinen Gefangnenen angefaßt hat
ich versichere eidesstattlich,
diese meine Arbeit weiterzumachen und zu vollenden,
sobald ich meine Strafe dafür, die zwei Jahre Knast,
abgesessen habe!
Das `Knastblatt`, als dessen alleinverantwortlicher Redakteur, Herausgeber, Finanzier, Hersteller und Vertreiber Ralf-Axel Simon verantwortlich zeichnete, ist zunächst einmal ein überwältigendes Beispiel dafür, wieviel Text man auf der Vorder- und Rückseite eines einzigen DIN-A Blattes zusammenquetschen kann. Duch konsequente Kleinschreibung spart er beim Zeilenabstand, kam er mit dem Platz dennoch nicht hin, reduzierte er kurzerhand die Schriftgröße. Inhaltlich sollte es "einen Überblick geben über das, was in den Bereichen Knast, politische Prozesse und Bullenterror in den letzten zwei Wochen öffentlich gemacht wurde". Es handelte sich also genaugenommen um eine Art Pressespiegel. In Drei-bis Zehnzeilern refereierte er auf seine ganz spezielle Art Artikel aller Berliner und überregionalen Tageszeitungen: "terrorurteil des bundes`sozial`gerichtes"..."terrorurteil in coburg"...terrorurteil in frankfurt"..."terrorurteil in itzehoe" ... "die unglaubliche terrorbilanz der bärliner bullen-justiz-mafia"...so beginnen die zu vermeldenden politischen Verurteilungen:"jubel in..." siganlisiert einen Freispruch für Freunde, "eine krähe hackt der anderen kein auge aus" dagegen einen Freispruch für "bullen" oder andere staatsdiener. Zwischen den Nachrichten lockern fettgedruckte Sinnsprüche und Parolen das Bild auf. Zitate von Brecht, Borchert, Ulrike Meinhof oder Ingeborg Drewitz, Hauptsache knapp und stark tönend, kämpferisch oder anklagend, dazwischen "Reim-dich-oder-ich-freß-dich" wie "sabotage ist unsere list gegen dieses system, was uns zerfrißt!!!" Kaum ein Satz, an dessen Ende nicht mindestens ein, meistens drei Ausrufungszeichen stehen. Vom Kampf ist viel die Rede und auch vom "Siegen oder Sterben". Neben so originellen Weisheiten wie "es gibt idioten, noch größere idioten und richter!!!" transportieren diese kurzen Aufschreie zwischen den vermeldeten "riesensauereien" eine beängstigende Ideologie:"wozu gibt es eigentlich gesetze, wenn die repräsentanten dieser gesetze diese mißachten?" - "wir haben keine angst, weil wir im recht sind" - "es gibt kein größeres verbrechen, als diesem staat zu dienen" - "steckt lummer und sein mörderpack in den knast!" -"unsere rache kommt bestimmt und wird furchtbar sein" -"niemand der gefangene unterdrückt bleibt unbestraft!!!" Doch die vernichtende oder befreiende Kraft der Worte hängt davon ab, was sie an Bewußtsein über die Realität transportieren. Die Macht, auch begrifflich Fakten zu schaffen und die Furcht vor der Wahrheit bestimmen den Herrschaftscharakter der Sprache. Daß die Sprache, die Axel der herrschenden entgegensetzte, auf diese fixiert blieb, ist ein besonders hinterhältiger Beleg seiner These. Denn der Ohnmächtige verändert nicht die Begriffe, sondern wirft mit Wörtern, die doch nur die Macht widerspiegeln. Und doch erscheint die sprichwörtliche ohnmächtige Wut, die seine Wortwahl ausdrückt, die Bekennerpose, die die Lächerlichkeit nicht scheut und die ihr Ziel schon dadurch erreicht, daß sie verfolgt wird, ist Ralf-Axel Simons Kampf der Berliner Justiz so gefährlich, daß sie ihrerseits weder Lächerlichkeit noch Kosten und Mühe, nicht einmal die Überschreitung selbst gesetzter Grenzen scheut, um diesen modernen Kohlhaas unschädlich zu machen. Bekenntnis springt den Leser aus jedem Satz an. Die gewollte Übertreibung, die schon sprachlich unzweideutige, platte Diskriminierung von Freund und Feind, der ungeschminkte Appell an Vorurteilsbereitschaft wirkt so unglaubwürdig, künstlich und monoton wie jede Propagandasprache Recht und Gegenrecht, Terror undGegenterror, Verachtung und Gegenverachtung, , Lüge und Gegenlüge, Aug' um Aug', Zahn im Zahn? Worte sind Waffen Er habe eben wenig Platz gehabt, sagt Axel, das zwinge zu Vereinfachung. Er halte keineswegs jeden Schließer für ein Schwein, und auch nicht jeden Gefangenen für einen Engel.Schon gar nicht, seit er den Knast aus der Perspektive des Betroffenen mitbekommt. "Ich wollte eben eine andere Sprache sprechen, die der Betroffenen, eine, die unsere Wut und unsere Inhalte rüberbringt." Er wollte der Sprache der Herrschenden etwas entgegensetzen. "Es gibt keine neutrale Sprache", sagt er, Begriffe drücken nicht nur Machtverhältnisse aus, sie sind selbst Unterdrückungsinstrumente. Zum Beispiel der Begriff "Terrorismus", der ursprünglich eine bestimmte Form staatlicher Herrschaft bezeichnet, hierzulande aber verdreht wurde, um Gegner dieses Staates zu denunzieren. Jedes"terrorurteil", jede "ratte in grau", jeder' "staatsverbrecher" also ein Schlag ins Gesicht der Herrschenden? "als wolle man 'nem partisanen verbieten, eine waffe zu tragen", kommentierte Axel mal im 'Knastblatt' das gegen ihn beantragte Berufsverbot. Gewiß, Worte sind Waffen. Deshalb gibt es Zensur, gibt es Sprachregelungen, gibt es ein "Wörterbuch des Unmenschen", fühlen Politiker sich von "Ratten und Schmeißfliegen" zurecht bedroht. Deshalb hat der Mann, der es fertigbrachte, den Pazifismus für Auschwitz verantwortlich zu machen, die Parole der "Begriffsbesetzung' ausgegeben, deshalb waren die Erfinder von Auschwitz auch die Erfinder eines Propagandaministeriums und deshalb ist es schließlich so entsetzlich, daß es keine Worte gibt, um das zu erfassen, was dort geschah. Staatssch (m) utz Die politische Polizei und Staatsanwaltschaft gehörten jedenfalls zu Axels treuesten Lesern. Wie Sommerschlußverkauf mußte ihnen wohl vorkommen,was sie sich alle 14 Tage über Mittelsmänner beschaffen ließen, eine Fundgrube, ein wahrer Wühltisch strafbarer Inhalte
bot sich dem geschulten Auge dar: Beleidigungen im Dutzend, Verungfimpfungen des Staates und seiner Organe - alles voran des "staatsschmutz" selbst, wie Axel sie nannte - auch als Bedrohung, gar Aufruf zu strafbaren Handlungen, konnte man mit nur durchschnittlich schutziger Phantasie manches interpretieren. Und dann natürlich noch der unvermeidliche Verstoß gegen das Berliner Pressegesetz, den herauszufinden den Beamten der P-Abteilung wohl ein ähnlich sportliches Vergnügen sein mußte - wie ihren Verkehrskollegen der Freak, der eine halbe Minute zu lange im Parkverbot stand. Dabei bekannte sich Axel in jeder Ausgabe in der ihm eigenen Art mit Namen, Adresse und sogar Telefonnummer zu seinen Taten, ein angenehmer Kunde. Dies half weitgehend jene Peinlichkeit vermeiden, zu der der Berliner Staatsschutz sonst oft neigt: Vor lauter Empörung über die Tat und den Angeklagten scheint man es dort zuweilen für überflüssig zu halten, letzterem erste überhaupt nachzuweisen und verlegt sich dann hilfsweise aufs Zutrauen: dem Opfer die Tat und dem Gericht die gerechte Gesinnung. Meistens klappt es ja auch so. Auch eine zweite Peinlichkeit blieb diesmal ausgeschlossen, mit der die Herren Staatsschützer schon öfter zu kämpfen hatten. So bleiben beispielsweise die von ihnen über mehr als vier Wochen gesammelten, als Transparente oft unter Gefahr für Leib und Leben sichergestellten tatsächlichen oder vermeintlichen Beleidigungen, die die Berliner Szene sich für Herrn Reagan ausgedacht hatten, sämtlich ungesühnt, da der Präsident und seine Adniinistration sich nicht bereitfanden, einen Strafantrag zu stellen. Bei "django-hübner und sein bullenpack' konnte solch eine Panne nicht passieren. es gibt eben so'ne und solche Präsidenten. Überhaupt kann, wer beleidigen und den Staat verunglimpfen will, sich kaum ein dankbareres Objekt als Justiz- und Polizeibehörden vornehmen:"L`ètat c`est moi"- je subalterner der Beamte, desto mehr. Und nirgends reagiert man auf das für , Kenner" von Jugend und Szene längst zur Umgangssprache gehörende Vokabular vom "Schweinesystem" und seinem "Scheiß-Staat" noch mit solch selbstverständlicher Humorlosigkeit und dem ganzen Muff einer seit Kaisers, ja Königs Zeiten ungebrochenen Tradition: beleidigt bis auf die Knochen. Axel ist einer der letzten Majestätsbeleidiger der alten Schule. Und die beleidigten Majestäten, amtsdeutsch als "beleidigungsfähiges Köllektiv" bezeichnet, ließen als Ermittler, Verfolger, Ankläger, Richter und Vollstrecker, die sie ja ebenfalls waren (das macht unsere Demokratie ... ), ihrer Wertschätzung für die eigene Würde und Bedeutung freien Lauf. Unverstanden konnte er sich von ihnen wenigstens nicht fühlen. Beleidigung ist ein Delikt, das gemeinhin mit Geldbußen bestraft wird. 210 Tagessätze a´ 60 Mark waren den Gerichten die ersten vier 'Knastblätter`, die sie zu begutachten hatten, wert. Das war 1980. Dann war nach Auffassung des Landgerichts "die Verhängung von Freiheitsstrafen zur Einwirkung auf den Angeklagten unerläßlich, um ihm zu zeigen, daß sich der Rechtsstaat Verunglimpfungen seiner Beamten auf Dauer nicht gefallen und sühnelos geschehen läßt". Was ihm für die folgenden Ausgaben an "Sühne" zugedacht wurde, ist in der Justizgeschichte auf dem Gebiet der Beleidigung wohl Rekord: 16 Monate ohne Bewährung für acht Knastblätter und seine Bitte während des Prozesses, den Gerichtssaal verlassen zu dürfen, da ihm "kotzübel" werde. Letzteres sei eine grobe Beleidigung des Polizeizeugen Schott, auch wenn dieser tatsächlich dem Angeklagten kurze Zeit vorher mit gezogener Waffe bei einer Hausdurchsuchung gegenübergetreten sei. Dieses Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Zwei Drittel der Strafe hat Axel bereits abgesessen. Doch die übliche Aussetzung der Reststrafe lehnte das Gericht mit der überwältigenden Begründung ab, der Angeklagte habe bekundet, er wolle sich auch weiterhin um Gefangene kümmern." Noch nicht rechtskräftig ist das zweite Urteil, das weitere sieben Ausgaben des 'Knastblatts' mit neuen Monaten Haft veranschlagte und gleichzeitig ein zweijähriges Berufsverbot als Verleger, Redakteur und Journalist verhängt. Einen der neun Monate bekam er dafür, daß er gegen ein schon während des Prozesses ausgesprochenes, kurz darauf von der nächsthöheren Instanz freilich wieder aufgehobenes "vorläufiges Berufsverbot" verstoßen habe. Das strafrechtliche Berufsverbot (§70 StGB), das im Gegensatz zum Radikalenerlaß auch offiziell so heißt, wird gegen Straftäter verhängt , bei denen das Gericht davon ausgehen muß, daß sie auch in Zukunft die Ausübung ihres Berufs zur Begehung erheblicher rechtswidriger Taten mißbrauchen werden. Klassische Fälle sind die morphiumsüchtige Krankenschwester oder der zur "Unzucht mit Abhängigen" und Minderjährigen neigende Lehrer. Journalisten, wenigstens soweit es sogenannte "Meinungsäußerungstaten" betrifft, auf diese Weise das Handwerk zu legen, erschien Richtern und Rechtskommentatoren bisher deshalb nicht möglich, weil es sich bei ihrem Gewerbe um ein vom Grundgesetz ausdrücklich geschütztes Grundrecht handelt. (Art.5).

Die Hure der Macht
Zwar sieht das Grundgesetz auch vor, daß Feinde der Verfassung dieses Grundrecht verwirken können, wenn sie es zu deren Bekämpfung mißbrauchen (Art. 18). Doch die übrigens in keinem anderen dernokratischen Land mögliche Feststellung der Verwirkung eines Grundrechts ist ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Eine solche Verwirkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung stand dort bisher zweimal zur Debatte. Gegenüber Verlegern der von ihm verbotenen KPD sprach das Verfassungsgericht ein solches Berufsverbot aus, gegenüber dem Neofaschisten und Herausgeber der 'Nationalzeitung`, Dr. Frey, lehnte es eine derart tief in die Freiheitsrechte unserer Demokratie einschneidende Maßnahme dagegen ab. Im Falle von Ralf-Axel Simon geht es nun allerdings nicht um die staatsrechtlich tiefschürfende Frage, wann unter dem Motto "Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit-"jener eiserne Vorhang fällt, jenseits dessen sich unsere "wehrhafte Demokratie" selbst totalitäre Methoden zugesteht. Es geht - im günstigsten Falle - um einen Amtsrichter, der offensichtlich zu der Gruppe von Staatsdienern gehört, die es ablehnen, "den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm" herumzulaufen. Im ungünstigeren Falle, und man unterschätze weder Kreativität noch Tradition der Moabiter Landrichter, geht es darum, dort anzuknüpfen, wo die Nazis aufgehört haben: die benutzten Berufsverbote als eines der Hauptinstrumente der Reichsschrifttumskammer zur Gleichschaltung der Presselandschaft. Nicht, daß man die FDGO verlassen wolle, aber es geht hier doch um einen Extremfall. Was soll man denn tun bei solch einem notorischen Überzeugungstäter.? Ist ein Berufsverbot da nicht humaner als die Sicherungsverwahrung? Sind solche Argumente dem Staatsanwalt Kalf, der mit solcher Verbissenheit hinter Axels Beleidigungen her ist, zuzutrauen? Irgendetwas muß er sich ja denken, auch bei dem bisher letzten Verfahren, das er gegen ihn anstrengt: daß Axel während der Freistunden einen Schließer als "ldioten" bezeichnet habe, soll demnächst vor einem Schöffengericht behandelt werden. Wenn ich Herm Kalf als Vertreter einer technokratischen Juristengeneration um die 40 bezeichne, die durchaus intelligent und flexibel, sowohl ohne demokratisches Gewisssen als auch unbehelligt von dem diffusen Unbehagen derer, die da bruchlos von gesundem Volksempfinden auf Rechtsstaat umschalten mußten, in die oberen Posten der Rechtspflege zu drängen beginnt, wird es ihm nicht leicht fallen, daraus eine Beleidigung zu machen. Ein "Idiot" wäre eindeutiger. Wenn ich das Recht als eine Hure der Macht bezeichne, wird er dies nicht einmal besonders originell finden. Als Ralf-Axel Simon aber in seinem vorletzten Prozeß eine Richterin als"Nutte" bezeichnete und dies damit begründete, daß sie ihren Kopf an die Herrschenden verkauft habe, waren in den Augen der Richterin Petzold drei Monate fällig. Wegen "menschlicher Unreife und Kulturlosigkeit", aber auch zur "Verteidigung der Rechtsordnung". Im Gespräch drückt auch sie sich klarer aus: "Sowat sagt man nicht!" Ihre Kollegin sei in ihrer Würde als Frau verletzt worden und daß er sie außerdem als "kleine Kanalratte" und "nicht dumme Kuh" bezeichnet hat, war zwar geschickt, aber sie konnte er damit nicht täuschen. Das verstehe ich. Für ein den Fahndungsplakaten des BKA ( ... die zum auskreuzen) nachempfundenes Plakat, auf dem unter der Überschrift "Terroristen" vier Berliner Senatoren für Knastneubauten verantwortlich gemacht werden, die als "Knastghetto", "perfekt funktionierende Knastmaschinerie", "im Bau angelegte psychische Folter", "nach außen hygienisch sauber, das Leben innen klinisch tot" bezeichnet werden, hat sie ihm weitere sechs Monate wegen Verunglimpfung des Staates aufgebrummt "Der Leser soll erkennen, daß die Mißachtung elementarer Menschenrechte von Gefangenen eine legale Grundlage habe, folglich die verantwortlichen Repräsentanten Menschen vernichten könnten" interpretiert sie, und das gibt Knast. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Aus drei und sechs machte sie sieben Monate. Die Begründung für die Strafzumessung ist beachtlich. Zu seinen Ungunsten führt sie an, daß er bisherige Verurteilungen sich "nicht hat zur Warnung dienen lassen und uneinsichtig auf seiner staatsfeindlichen Gesinnung beharrt. Zu seinen Gunsten wurde berücksichtigt, daß er mit derartigen Aktionen die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung nicht anspricht, die verfassungsmäßige Ordnung nicht ernsthaft gefährden kann, sondern nur sein eigenes Leben zerstört. ( ... ) Obwohl der sensible Angeklagte unter dem Strafvollzug leidet, nimmt er sich durch die Ankündigung, den Kampf gegen das'verhaßte System' fortzusetzen und absichtlich gegen Gesetze zu verstoßen, jede Chance, daß ihm eine günstige Sozialprognose gestellt werden könnte. Sein blinder Haß bewirkt einen Realitätsverlust für die eigene Situation und steht einer positiven Entwicklung entgegen." Wie weit ist es bitteschön von hier zur Psychiatrisierung? Nicht diese Wörter "Wissen Sie, mir tut er leid", sagt Frau Petzold nach dem bisher letzten Verfahren. Es wurde eingestellt, mangels Beweise.Herr Simon war plötzlich nicht mehr bereit, sich zu diesem 'Knastblatt' zu bekennen. Damit hatte der gelangweilte Herr Peters vom Staatsschutz nicht gerechnet, wir sprachen bereits davon. "Das ist genau der Stil, wie ich das nun schon seit über 50 Nummern kenne", versucht er das Gericht zu überzeugen. Das 'Knastblatt' stammt übrigens tatsächlich nicht von Axel. Er hat Nachfolger gefunden für seine Arbeit - allerdings alternative. "Das sieht heute ganz anders aus", sagt Peters, "da kümmere ich mich ja schon gar nicht mehr drum." Im Gerichtssaal sieht es auch anders aus. Die Luft ist raus, wie man so sagt. Auch die Freunde, die noch kürzlich bei der "Nutte" Beifall klatschten, sind weggeblieben. Außer mir sitzt nur noch Axels Freundin im Zuschauerraum, ihr Baby auf den Knien. Als sie es stillt, "sieht es niemand" und ich denke, mit dem 'Knastblatt' könnte das doch genauso funktionieren. Die Gerichtsschreiberin findet Kinder , "einfach unwiderstehlich", es liegt ein Lächeln in der Sommerluft. Auch sie hat ein Herz für Axel und versteht deshalb gar nicht, wie der sowas machen kann. "Es ist eben doch so: da ist der Kopf und da ist die Wand. Da ist der doch selber schuld! Mir tut er leid. Er sieht auch schon viel schlechter aus als beim letzten Mal." Frau Petzold findet das auch. "Ganz abgemagert sieht er ja schon aus. Ich hab mir heute morgen überlegt, ob ich ihm Apfelsinen mitbringen soll. Der Herr Peters hatte ihm das nämlich schon beim letzten Mal versprochen, aber vergessen. Und ich sage Ihnen, ob Sie es mir glauben oder nich", Frau Petzolds Blick bekommt etwas Heroisches, "wenn ich schon auf Lebenszeit verbeamtet wäre - dann hätt ich es getan!" Ich bin überwältigt. Aber sie ist noch nicht fertig.:"Und Knastarbeit soll er ja ruhig machen, da ist ja wirklich nicht alles Gold, das ist ja wahr. Wenn er nur diese Wörter nicht immer benutzen würde. Er könnte doch auch so bissig schreiben, wegen auch zynisch, er müßte doch nur diese Wörter weglassen. Weil danach liest der Staatsanwalt die Dinger doch nur, die sucht der doch bloß." "Es geht nicht um die Wörter", sagt Axel, "sondern um meine Arbeit. Es geht darum, meinen Widerstand zu kriminalisieren, weil ich gezeigt habe, daß man etwas machen kann gegen den Knast." Und Knast, meint er, sei die "Speerspitze des ganzen Systems". Da hat er ein bißchen Sand ins Getriebe gebracht, darauf ist er stolz, und vielleicht da und dort etwas mehr Menschlichkeit erreicht und etwas weniger Fatalismus, etwas mehr Mut bei diesem und jenem. Er hat recht. Es geht nicht um diese Wörter. Es geht um diese Haltung, der sie als Vehikel dienen.. "Ich will mich so wenig wie möglich verkaufen", nennt Axel das. Ganz ließe sich das nicht vermeiden, es gibt kein richtiges Leben im falschen, aber wenigstens so wenig Kompromisse wie irgend möglich.Bei Axel ist das nicht eine leere Phrase, nicht -wie so oft - der Vorläufer ebenso unduldsam zynischen Bewußtseins. Eben diese Haltung kann eine Justiz, deren Logik es ist, zu brechen was sich nicht beugen läßt, nicht ertragen. Daß sie dabei selbst zur Pose verkommt, liegt wahrscheinlich nicht zuletzt daran, daß sie auch Freunden nur schwer erträglich ist.So macht sie einsam, zur Bewundemng freigegeben. "Uff ene Art is det'n Held, ooch wenn er`n Spinner ist", vertraut mir einer der Schließer an, als ich wieder durch die Hochsicherheitsschleuse nach draußen gehe, "weil der nich uffgibt, bei nüscht." Benny Härlin








Burghard Schröder in seinem Buch "Unter Männern- Brüder, Kumpel, Kameraden" Rowohlt Taschenbuch Nr. 1280: SCHACH DEM STAATSANWALT!

Relativ selten sagt ein Spieler der Schach-Bundesliga die Züge seiner Partie durch das Abflußrohr eines Klosettbeckens an. Wenn er aber Gefangener in der Strafanstalt Berlin-Moabit ist, dem berüchtigsten und nach Meinung vieler Häftlinge härtesten Knast Deutschlands, muß er manchmal ungewöhnliche Wege gehen, um durchzusetzen, was er will. Würde das Toiletten-Fernschach entdeckt, setzte es Prügel, und das nicht zu knapp. Auf den so zur Einhaltung der Anstaltsordnung 'überredeten' Knacki wartet anschließend der 'Bunker', die Arrestzelle. Der Gefangene Ralf-Axel Simon muß daher warten, bis der Schließer, wie alle seine Kameraden auch 'Harro'genannt, um 18 Uhr durch den Spion der Zellentür geblickt hat, um sich zu vergewissern, daß der Strafvollzug seinen geordneten Gang geht. Dann ist, so die Erfahrung, bis 21 Uhr keine Kontrolle mehr zu befürchten. Zwei minuten nach sechs Uhr, der Schließer hat die Zellentür soeben passiert, greift sich Ralf-Axel den Aufwischlappen, verkneift sich allzu heftiges Durchatmen und tunkt ihn in den 'Bello'. Das ist der Kosename für das schmutzigbraune Klosett. Nachdem er den Lappen ausgewrungen hat, wiederholt er den Vorgang so lange, bis das Wasser aus dem Abflußrohr gesaugt ist. Dann das vereinbarte Klopfzeichen: drei Schläge gegen die Kloschüssel. Das Haustelefon funktioniert tadellos. Die Stimme des Gefangenen aus der Zelle über ihm, seinem Spielpartner, tönt deutlich durch die 'Rohrleitung':"Grüß dich, Ralf-Axel!", hallt es von oben, "Bauer e2 nach e4!" Nach diesen Vorbereitungen ist ein geordneter Spielverlauf aber noch nicht garantiert. Ralf-Axel gilt in den Augen der Justiz als ein besonders aufrührerischer und gefährlicher Gefangener. Ein Schachspiel darf er nicht besitzen weil das den Frieden des Vollzuges stören, sogar für einen Ausbruchsversuch mißbraucht werden könnte. Der Häftling mußte sich daher zwischen Kommunikation mit seinen Kameraden oder einem ausreichenden Frühstück entscheiden. Mit dem Anstaltsbrot läßt sich nämlich mit etwas handwerklichem Geschick ein leidliches Schachspiel herstellen, da die vier Scheiben, die des Morgens serviert werden, ohnehin die Konsistenz vom Knetgummi haben. Aus der Rinde der leicht formbaren Masse entstehen schwarze, aus dem hellen Teig weiße Figuren. Ein Stück Papier mit aufgemalten Quadraten dient als Brett. Ralf-Axel wäre als Schachprofi durchaus in der Lage, seine Partien blind, das heißt ohne Ansicht der Figuren und des Brettes, zu spielen. Nur ist er nicht der Mann, der sich mit Maßnahmen der Justiz abfindet. Seit mitte der siebziger Jahre kenne ich ihn als den 'Knastblatt-Axel'. Bekleidet mit dem obligatorischen grünen Parka, den dazu im Stil passenden wallenden Haaren und einem Bart, den man heute fast nur noch bei Überzeugungstätern der älteren Generation antrifft, verkaufte er jahraus, jahrein Zeitungen in Szene-Kneipen, in den Mensen und in der Technischen Universität. Alle zwei Wochen produzierte er - manchmal mit Freunden - das 'Knastblatt', ein beidseitig eng bedruckter DIN-A-4 Bogen mit Nachrichten und Informationen aus und über bundesdeutsche und Berliner Gefängnisse. Gegen dieses Knastblatt und den Verleger, Redakteur und Journalisten in Personalunion strengte die Justiz, insbesondere ein besonders ehrgeiziger Staatsanwalt Kalf, der politischen Abteilung zugehörig, über fünfzig Ermittlungsverfahren an, wegen 'Beleidigung sowie anderer Straftaten', darunter häufig der unvermeidliche und mit fast sportlichem Ehrgeiz der Beamten des politischen Staatsschutzes nachgewiesene 'Verstoß gegen das Berliner Pressegesetz". Ralf-Axel Simon, der sich so aufopfernd für Gefangene eingesetzt hatte. daß sogar enge Freunde den Kopf schüttelten, landete selbst im Knast. Zwei Jahre und vier Monate hat er abgesessen, davon drei Monate in Totalisolation, den Rest in verschärften Vollzug. Die für 'normale' Gefangene selbstverständliche Aussetzung der Strafe nach zwei Dritteln der Zeit blieb ihm versagt, denn Ralf-Axel bestand bei der Anhörung darauf, weiterhin Gefangene zu betreuen. bei Herrn Simon, so der zuständige Beamte, sei deshalb keine 'Resozialisierung' zu erwarten. Seit einigen Monaten ist er in Freiheit. Ich treffe ihn unvermutet an einem für uns beide seltsamen Ort, dem noblen Berliner Hotel 'Intercontinental'. Ralf-Axel kämpft wie immer, nur jetzt am Schachbrett in einem mit mehreren Großmeistern besetzten Turnier. Er will die Norm für den 'Internationalen Meister' erreichen. Wie kann man achtzehn Monate isoliert in einer Zelle verbringen und trotzdem seinen Verstand behalten? "Ich habe gelernt, damit umzugehen", meint er lächelnd. Seine Augen faszinieren mich. Da ist etwas, was bei mir Verwirrung auslöst. Dieser Mann lebt das, was er denkt und sagt, er lebt es so total und kompromißlos, daß ich Angst vor ihm bekommen könnte. Ein Freund sagt über ihn:"Axel war für mich der vollkommene Vertreter des kategorischen 'Da-muß-man-doch-was-tun!', und gerade dieser gewisse, offene Blick mobilisiert in mir sofort sämtliche Abwehrsysteme gegen dieses ewige schlechte Gewissen, das besonders gute Menschen bei einem durchschnittlichen Sünder unweigerlich auslösen." Jemand, der durch seine beharrliche politische Arbeit die Staatsgewalt zur wutschnaubenden Raserei provoziert, der zwei Jahre Knast überstanden und sich durch Schach geistig am Leben gehalten hat, verkörpert für mich einen Mythos, wie direkt aus Stefan Zweigs berühmter 'Schachnovelle' entsprungen. "Ein Mensch, der sein ganzes Leben der Politik und der Solidarität unterordnet, hat etwas ebenso Bedrohliches wie Mitleiderweckendes", schreibt ein Journalist über ihn. Diese moralische Standhaftigkeit, dieser feste, protestantische Glaube, die Überzeugung würde erst durch Leiden geheiligt, dieses unerschütterliche Gefühl, gegen alle Anfeindungen richtig zu handeln und dafür auch die schärfste Verfolgung des Staatsapparates in Kauf zu nehmen, erinnern mich an Schachspieler, die sich für einen Angriff am Königsflügel entschieden haben und den Gegner auf der anderen Seite, am Damenflügel, durchbrechen sehen. Es gibt kein Zurück mehr, dann wäre die eigene Spielanlage widerlegt und alles verloren, weil die Figuren schon vorgestürmt sind. Also bleibt nur die Flucht nach vorn! So sanft, wie Ralf-Axel im persönlichen Umgang redet und sich bewegt, so freundlich er auf seine Umgebung wirkt, so spielt er auch Schach. Er liebt einen vorsichtigen, nach positionellen Gesichtspunkten vollzogenen Aufbau. Ich fühle mich fast liebenswürdig von seinen Figuren eingeladen, doch endlich einen Angriff zu versuchen. Bitte sehr, der verehrte Gegner möchte doch die Güte haben, endlich vorzurücken! Natürlich erleide ich ein Fiasko. Seine Stellung ist rundum abgesichert. Um gegen sie anzurennen, muß ich meine Verteidigung entblößen, was mir promt zum Verhängnis wird. Mit dem Staatsanwaltschaft Kalf, der nur wenige Jahre älter ist als er, verstrickt sich Ralf-Axel unentwirrbar. Beide teilen auf allen Ebenen Schläge aus. Ralf-Axel schreibt ihm aus der Schweiz eine Ansichtskarte: "Liebster Staatsanwalt! Ich bin im Urlaub. Umarmung und Gruß! Dein Ralf-Axel." Der Staatsanwalt revanchiert sich. Er läßt Ralf-Axel - ohne dessen Wissen - von seinem Wohnsitz abmelden, wie dieser mir verschmitzt lächelnd erzählt, um so einen Haftbefehl wegen 'Fluchtgefahr'erwirken zu können. In den ersten drei Monaten der Haft durfte Ralf-Axel keinen seiner Mitgefangenen sehen oder sprechen, weil er sich der Schirmbilduntersuchung wegen der hohen Strahlenbelastung widersetzte. Nach einem Vierteljahr gab die Anstaltsleitung nach. "Du bist ständig bemüht, deine Gefühle zu unterdrücken, auch wenn du dich über das finstere Gesicht des 'Schlüsselknechtes' freust weil er das einzige ist, was du wochenlang siehst. Du darfst dein Ausgeliefertsein nicht zeigen, sonst hältst du es nicht aus." Wie hat ihm das Schachspiel über die Isolation hinweggeholfen? Der Verstand müsse sich an etwas klammern, meint er. Schach sei ein in sich geschlossenes, aber vielseitiges System. Allein die Varianten der Königsbauern-Eröffnung ergeben, bis auf zehn Züge berechnet, eine unglaubliche Anzahl von Möglichkeiten. Dabei kommt es noch nicht einmal darauf an, gegen sich selbst zu gewinnen und sich der Gefahr einer Bewußtseinsspaltung wie der literarische Dr. B. der 'Schachnovelle' auszusetzen. Es reicht, um sich zu beschäftigen und geistig rege zu halten, Stellungsmerkmale zu beurteilen und Tendenzen zu beobachten, die ein eventuelles Weiterspielen beeinflussen könnten. Das Schachspiel aus Brot wurde Ralf-Axel bei einer Zellenfilzung vernichtet. Nach einigen Monaten organisierte er sich - er will nicht verraten, wie - ein Taschenschachspiel. "Freunde haben mir ein Schachlehrbuch geschickt. Ich habe Varianten über Varianten gepaukt, vor allem die Sizilianische Verteidigung. Irgendwann will ich Schachprofi werden und damit Geld verdienen. Während der Haftzeit habe ich viel Theorie nachgeholt. Aber Schachspielen ist gefährlich..." Gefährlich? Das von einem Schachmeister? "Du kannst dich im Schach verlieren, ewig im Kreis denken. Die Kontakte zu deinen Mitmenschen verlieren an Bedeutung. Schach hilft dir über die Einsamkeit hinweg, isoliert dich aber gleichzeitig von den anderen. Das ist etwas für Menschen, die Angst haben." Ralf-Axel hat die Einsamkeit der Zelle überstanden. Natürlich macht er wieder Knastarbeit: er betreut bei der alternativen 'Tageszeitung' den 'Verein Freiabonnements für Gefangene e.V.' Sein Motto:Knackis brauchen Infos-spendet Knast-Abos! Und Schach? "Demnächst fahre ich nach Budapest. Beim Berliner Turnier habe ich meine 'Internationale Meister-Norm' nicht erreicht, aber das werde ich in Ungarn bestimmt nachholen!" sagt er beim Abschied. "Uff eene Art is det`n Held, ooch wenn er`n Spinner ist", offenbarte sich einer der Schließer im Knast einem Journalisten, der Ralf-Axel besucht hatte. "Weil der nich uffgibt, bei nüscht."
Burghard Schröder




Ralf-Axel Simon hat einen einzigartigen Schachladen
Ein Leben mit König und Dame
500 Spiele und 5000 Fachbücher stapeln sich in den Regalen
von Dirk Bunsen
In diesem Jahr stand Ralf-Axel Simon ganz oben. Er gewann mit seinen drei Berliner Mitspielern die Schach-Champions-League (CCL) im Fernschach, die sich über fünf Jahre erstreckte und ließ ein russisches team hinter sich. Schon im jahr 2000 war er Berliner Schnellschachmeister, hatte zehn Jahre zuvor in eim hochrangigen Turnier in Lugano, bei dem nur die beiden Schachgiganten Karpow und Kasparow fehlten gegen den Großmeister Reshevski (USA) gewonnen und gegen Larsen (Dänemark) remis gespielt und vor Zehn Großmeistern den zweiten Platz belegt. Schach ist sein Leben. Die Figuren begleiteten ihn durch alle Hochs und Tiefs. Und als der geborene Berliner in den achtziger Jahren wegen seiner linken Gesinnung ins Gefängnis musste, half ihm das Spiel, seine Einzelhaft zu überwinden.Vor siebzehn Jahren richtete er sich in Berlin einen Schachladen ein und hat heute bundesweit die wohn umfangreichste Sammlung an Schachspielen, Schachliteratur und Schachutensilien.

Wurde die Welt um ihn herum zu schlimm, spielte er Schach
Schach ist für Ralf-Axel Simon kein bloßes Hobby. Schach ist sein Leben - und das nicht nur, weil er seit siebzehn Jahren in Berlin einen Schachladen führt. Mit dem Griff zu den Figuren entfloh er der dörflichen Tristesse seiner Kindheit, holte sich ein Stück Lebenssinn in die Knastzelle, trug als vagabundierender Schachspieler zu seinem Lebensunterhalt bei und überwand seine seelischen Tiefs. Heute steht er wochentags in seinem Schachladen, gibt Schachunterricht und fährt am Wochenende zu Wettkämpfen.
Er war alles:König und Läufer, Turm und Bauer , ein "Leibeigener hinter Gittern" dazu.
Der 54-Jährige war ganz unten und weit oben - alles mit den Schachbrettfiguren.
Schon als zehnjähriger Junge begeisterte er sich für das Spielauf den vierundsechzig Feldern.
Sein Vater war es, der ihm das Schach spielen beibrachte. Er nahm an der Arbeitsgemeinschaft Schach in seiner Schule teil und trat mit vierzehn Jahren einem Verein bei, der an den Wochenenden in die große weite Welt bis nach Osnabrück reiste, in dessen Nähe er auf dem dorf groß geworden war. "Ich konnte endlich aus meiner kleinen Welt aussteigen", blickt er zurück. 1972 , in dem jahr, als er nach Berlin gezogen war , holte er seinen ersten Titel , den des Deutschen Mannschaftsjugendmeisters, der während der olympischen Spiele in München gekürt. Er studierte Religionswissenschaften und unterrichtete ein Jahr lang im Westteil Berlins. Aber die Stadt machte aus ihm auch einen politischen Menschen, einen , der nicht gern gesehen war. Wegen seiner linken Gesinnung wurde er vom Schuldienst suspendiert - ein klassisches Berufsverbot. Deshalb arbeitete er als Erzieherin einem Kinderladen , der zu einem Obdachlosenasyl gehörte.
Er gründete die Zeitung "Radikal" und trug Zeitungen aus, um sich zu finanzieren. Das Schachspiel trat in den Hintergrund. Nur manchmal setzte er sich ans Brett und tauchte in seine (Schach)Welt ein.
Doch allein die theoretische und intellektuelle Arbeit in Berlin reichte ihm nicht. Er setzte sich für politische Gefangene und Kriminelle ein, gab das "Knastblatt" heraus, das ihn bald selbst hinter Gitter brachte. Wegen Beleidigung von Polizei und Justiz erhielt er zwei Jahre und vier Monate Gefängnis und saß davon sechzehn Monate ab - ein halbes Jahr in Einzelhaft.
Hier kam ihm seine Liebe zum Schach zugute. "ich formte mir aus Brotresten die Figuren", erzählt er beiläufig, ohne damit zu kokettieren. "Ich analysierte Stellungen und Züge, suchte nach neuen Varianten." bald hatte er einen Mitspieler ausfindig gemacht, mit dem er über das Rohrsystem auf der Toilette Ferschach spielte. "Das waren meine praktischen Übungen zu dem, was ich mir in meiner Zelle erdachte, aber vor allem war es auch eine Möglichkeit, überhaupt mit jemandem zu kommunizieren." So absolvierte er in seinen knapp anderthalb Jahren Gefängnis eine Art Lehre für ein geistiges Handwerk."In einer Sicht waren es ideale Bedingungen, mich zwölf Stunden am Tag mit Schach zu beschäftigen - ohne Ablenkung". Aber letztlich diente das Brettspiel als Überlebungskampf. "Immer, wenn die Welt um mich herum zu schlimm wurde, spielte ich Schach." Auch als später sein Vater starb, lenkte er sich damit ab, nahm sich einige Stunden Auszeit von der Trauer.
Nach seiner Entlassung gründete er das Cafe "Untergrund" und schrieb für die "Taz", bei der er unter anderem die Aktion "Frei-Abos für Gefangene" initiierte, die es heute noch gibt. "Doch irgendwann fühlte ich mich ausgebrannt und beschloss 1988, für drei Jahre in Europa umherzureisen und vom Turnierschach zu leben." Moskau und Lugano waren unter anderem seine Stationen. Zwar kam er über die Runden, wohnte aber im Sommer in einem Zelt und fuhr als Tramper von einem Ort zum anderen. "Auch wenn es eine sehr schöne Erfahrung war, fehlten mir persönliche Kontakte und Gespräche.Es drehte sich alles nur ums Schach."Er kehrte zurück nach Berlin und eröffnete seinen Schachladen.
Nach drei Umzügen hat er nun in Steglitz seinen Platz gefunden. Er scheint angekommen zu sein.
Mit seiner weißen Mähne und seinem langen Bart drüngt er sich durch seinen kleinen, engen Laden. Fünftausend Schachbücher, ob antiquarisch oder neu, ob deutsch - oder fremdsprachig, reihen sich in den Regalen - bundesweit wohl eine einmalige Sammlung. Auch fünfhundert verschiedene Schachspiele hat er im Angebot, ebenfalls eine einzigartige Palette. Figuren aus Holz, Bernstein, Kupfer und Zinn gehören ebenso zu Auswahl wie aus Marmor, Glas, Speckstein oder Keramik. Die Protagonisten stammen aus der Antike, der Zaren- , der amerikanischen Bürgerkriegs- oder Preußenzeit, stellen Heiligbilder oder Fußballer dar oder sind den Seemannsmotiven entlehnt.
Ob klassisch. mondän oder verspielt - für jeden Schachspieler gibt es Figuren und das entsprechende Brett dazu. auch Schachcomputer, Postkarten mit Schachmotiven , Schachuhren und T-Shirts, Anstecker und Krawatten sind in dem Laden zhu finden.
An den Wochenenden reist Ralf-Axel Simon zu verschiedenen Wettbewerben, spielt sowohl in einer Mannschaft in der Schweizer Nationalliga B (und steht vor dem Aufstieg in die höchste Spielklasse) als auch beim MSV Neuruppin in der Landesliga "in einer wunderbaren Mannschaft, die sich entwickelt", nimmt weiterhin an großen Turnieren teil, wie jenen in Lugano und Zürich, die mehrere Tage dauern. Über fünfzig Partien, die über sehs Stunden, absolviert er jedes Jahr, dazu unzählige Partien im Blitz- und Schnellschach. Schach ein bloßes Hobby? Ralf-Axel Simon lächelt.
(dieser Artikel erschien in zahlreichen ostdeutschen Zeitungen Gesamtauflage:320000)


(C) 2008 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken