Corpus Delicti :Knastblatt 1978-1983

Für diese Knastblätter habe ich insgesamt 2 jahre und 4 Monate Knast bekommen. "dafür hätte ich auch den Staaatsanwalt von der P-abteilung , dem ich diese Verfahren zu verdanken hatte, umbringen können - dann hätte ich das Gefühl gehabt, etwas sinnvolles getan zu haben!", habe ich einmal in einem Prozess gesagt - der Staatsanwalt musste es anders sehen.

kleine Geschichte am Rand:
kurz bevor ich verhaftet wurde, machte der stern und der spiegel jeweils einen bericht über meinen unglaublichen fall (und hatten dabei keine kosten und mühen gescheut: sie hatten z.b. extra noch einen photografen aus essen eingeflogen)- beide Berichte erschienen nie. Der staatsschutz hatte sein veto eingelegt, denn eine gute bürgerliche presse hat immer seine auswirkungen auf die justiz.
ähnliches erlebte ich mit der fernsehsendung panorama: kuno haberbusch (kam aus der hausbesetzerscene und hatte damals frisch beim fernsehen angeheuert - setzte alle hebel in bewegung mich durch einen beitrag im fernsehen in meinem knastkampf zu unterstützen) besuchte mich im knast und liess mir von seinem chef dem stefan aust ausrichten, mit menschen die das "wörterbuch des unmenschen" benutzen, wolle der nichts zu tuen haben. jahre später konnte ich mich bei stefan revanchieren und liess ihm ausrichten:"mit menschen, die ihre eigene kariere mit dem verfassungsschutz absprechen, habe ich wenig mitgefühl!" stefan hatte nämlich mittlerweile mit seinem buch und film "der baader-meinhof-komplex" (wo er fast nur verfassungsschutzakten zitiert hatte, dies aber als wahrheiten dargestelllt hatte und damit das lebenswerk seiner früheren freunde und genossen mit füssen getreten hat!) den großen wurf gelandet und hatte persönlich fürchterliche angst, daß ihn die nachkommen seiner früheren genossen zur verantwortung ziehen. nichts desto trotz war stefan aust der erste der linke themen in das fersehen gebracht hat, das möchte ich trotzalledem würdigen. und nachzutragen wäre noch, dass kuno haberbusch mit stefans sumpf nichts zu tuen hat. kuno ist ein seriöser engagierter journalist heute ebenfalls noch bei panorama!

so manches mal, wenn mir in meiner zelle die decke auf den kopf fiel habe ich mir klargemacht:das knastblatt hatte zum ende eine auflage von 25000 und wurde regelmäßig sogar nach ostberlin geschmuggelt. es gab keinen grund sich zu beschweren, ich wusste, worauf ich mich einlasse und ich wusste, dass das Leben eines Rebellen kürzer aber intensiver ist.
Nun bin ich trotzalledem schon 59 jahre geworden - bis 50 -hatte ich für mich definiert- ist es meine Pflicht (oder wie konstantin Wecker sagt:bis fünfzig ist es das Lebenswerk, dann beginnt das Überlebenswerk) - d.h. es ist egal, was jetzt noch kommt: es ist meine Kür!!!



Noch etwas persönliches: ich habe in meinem leben nie danach gestrebt schön auszusehen (deshalb habe ich im knast auch kein problem die anstaltswäsche zu tragen im gegenteil: ich war froh, dass die anstalt mich von solchen unwichtigen sachen freigestellt hatte, dadurch konnte ich mehr schreiben!) auch hatte ich nie das gefühl ich müsste „richtig“ leben oder „richtig“ schreiben , deshalb findet ihr viele fehler in meinen texten. Manchmal ist mir sogar das verbessern von tippfehlern zuviel – es sei denn der text wird unverständlich- weil die rechtschreibung auch ein herschaftsmittel ist, es geht in dieser gesellschaft nur um die form, nicht um den inhalt. Und ich benutze gerne die kleinschreibung, aber bin kein fanatiker – an dieser front wird die revolution nicht entschieden! Trotzdem bleibt mir eins wichtig: ich suche permanent an einer besseren formulierung, um noch besser verstanden zu werden!
Kleine geschichte am rand: ich habe über ein jahr in einer wohngemeinschaft gewohnt, in der auch eine frau sich aufhielt, die seit über 20 jahren als sozialarbeiterin mit psychisch kranken straftätern arbeitete (ich frag immer nach: psychisch krank oder straftäter – die sozialarbeiter können diesen spagat). Wir waren zwar wie feuer und wasser bemühten uns aber beiderseits die begrenzte zeit zu überstehen.
Sie wollte immer alles „richtig“ machen und hat mich nicht einmal verstanden, als ich behauptete „die deutschen sind dafür berühmt alles korrekt zu machen, selbst im kz haben sie äusserst korrekt aufgeführt, wann und wieviel gas sie eingeführt haben und das auch noch völlig korrekt aufgeschrieben!“ „ja“, sagte sie, „daür werden wir deutschen im ausland geschätzt:für unsere präzision“.
ein anderes mal wollte sie über widerstand diskutieren „ widerstand fängt da an, wo der penner die bank beschmutzt, auf die wir uns alle setzen wollen!“ daß widerstand etwas mit ohnmacht und nicht mit macht zu tuen hat, das wollte sie nicht einsehen.
Regelmäßig zur tageschau versammelten wir uns am ferni. Eines abends flimmerte über die mattscheibe die meldung: die terris in der DDR werden der westdeutschen justiz überstellt werden. Ich war entsetzt. Ausgerechnet die menschen, die skrupel mit dem bewaffneten kampf bekommen hatten und freiwillig in die DdR gegangen waren, um nach kleinstbürgerlichen moralvorstellungen zu leben, traf es jetzt umso härter: sie konnten dem lebenslangen knast nur dadurch entkommen, wenn sie aussagen über ihre früheren genossen machten. Für menschen, die wegen ihrer hohen moralvorstellungenn zur waffe gegriffen haben eine unüberwindbare hürde! „mörder müssen eben bestraft werden!“ war der kommentar der „Psychatrie-Tannte“, was bei mir zum ersten mal in meinem leben die hemmschwelle , einer frau eine ohrfeige zu geben, beinahe schwinden ließ. Seitdem weiß ich: psychiatrie ist eine schlimme einrichtung. Aber ich ziehe es vor lieber 20 jahre in der psychiatrie einzusitzen als dort als sozialabeiter zu arbeiten!


(C) 2008 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken